StartseiteLiterarisches LebenArtikel 13: Warum Autoren die Urheberrechtsreform bekämpfen statt bejubeln sollten

Artikel 13: Warum Autoren die Urheberrechtsreform bekämpfen statt bejubeln sollten

Video-Upload: Künftig mit Inhalte-Filter?

Die Europäische Union will das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen. Doch zu welchem Preis? Erstmals werden große Plattformen gesetzlich gezwungen sein, technische Kontrollen einzuführen, wie sie in Diktaturen zur Zensur verwendet werden. Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die Verfechter des freien Wortes, sollten alarmiert sein. Tatsächlich bejubeln sie die Maßnahmen der EU.

Bei kaum einem anderen Thema werden Diskussionen so schnell laut und emotional wie derzeit beim Schlagwort »Urheberrechtsreform«. Dabei handelt es sich um ein trockenes juristisches Gebiet. Für die einen geht es um Gerechtigkeit – wobei in erster Linie eine gerechte Bezahlung für geistige Arbeit gemeint ist, für die anderen geht es um die Freiheit. Große Worte.

Das Urheberrecht muss angepasst werden

Beschreibt man es aus der Sicht der jeweils anderen, so stehen auf der einen Seite geldgierige Zeitungsverlage, Unternehmen von gestern, die ahnungslosen Politikern unsinnige Gesetzte diktieren, um ihre überholten Geschäftsmodelle noch eine Weile aufrecht zu erhalten und die als Kollateralschaden das Internet kaputt machen. Auf der anderen Seite stehen die Verfechter einer Kostenloskultur, die alles immer umsonst haben und nicht wahrhaben wollen, dass wir in einer Gesellschaft nun einmal Regeln brauchen und auch geistige Arbeit einen Wert hat.

Das Urheberrecht muss an unsere digitale Welt angepasst werden. Wir leben nicht mehr in der Welt der Fotokopierer und Tonbandkassetten. Wir leben nicht mehr in einer Welt, die klar zwischen Produzenten und Konsumenten unterscheidet. Heute ist jede Kopie genauso gut wie das Original, und Minderjährige erreichen von ihrem Kinderzimmer aus mehr Menschen als große Tageszeitungen. Die Omnipräsenz des Internet liefert uns Bilder und Texte, an denen wir uns vermeintlich unbeschränkt bedienen können. Was nicht kostenlos ist, deckt spätestens eine günstige Flatrate ab. Wer nutzt was wie lange? Und darf er das überhaupt? Und die nicht unwichtige Frage lautet: Wie erhalten die, die Texte schreiben, Filme drehen, Fotos oder Musik machen, ihren gerechten Lohn? Und welcher Lohn ist gerecht?

Hinter all diesen Fragen und Gegebenheiten verbergen sich unzählige technische, philosophische und juristische Aspekte, Letztere weltweit verteilt auf unterschiedliche Rechtssysteme und -auffassungen. Wie soll man da zu einer Lösung kommen?

Ein Gesetz gegen Facebook und Google

Will man nicht kapitulieren, muss man irgendwo anfangen. In Europa fängt man bei denen an, die mit Werken Geld verdienen, ohne die Urheber dafür zu bezahlen. Die von der EU beschlossene Urheberrechtsreform ist in erster Linie ein Gesetz gegen US-Konzerne, allen voran Facebook und Google. Auf Facebook und YouTube werden von den Nutzern urheberrechtlich geschützte Werke gepostet und hochgeladen, für die die Urheber kein Geld bekommen. Die Plattformen platzieren Werbung neben diesen Inhalten und verdienen somit Geld mit der geistigen Arbeit anderer.

Eigentlich braucht man kein neues Urheberrecht. Wer die geistige Arbeit eines anderen nutzt, der muss dafür bezahlen oder zumindest die Erlaubnis des Rechteinhabers einholen. Sonst drohen Abmahnungen. Auch im literaturcafe.de dürfen wir nicht einfach ein Gedicht von Hermann Hesse online stellen oder unerlaubt ein Foto nutzen. Das würde Ärger geben und wir wären haftbar. Die Redaktion muss vorher prüfen.

Dort, wo Nutzer selbst Inhalte einstellen können, beispielsweise in den Kommentaren zu einem Beitrag oder in einem Forum, gilt die Regel, dass diese Inhalte vom Betreiber sofort entfernt werden müssen, wenn dieser davon Kenntnis erlangt, dass die Inhalte die Rechte eines anderen verletzen könnten oder gar strafrechtlich relevant sind. Das gilt für unerlaubt urheberrechtlich eingestellte Inhalte genauso wie für Beleidigungen und anderes. Erst wenn der Betreiber nach einer Nachricht eines anderen Nutzers oder eines Rechteinhabers den Beitrag nicht entfernt, kann der Betreiber juristisch belangt werden.

Änderung der Haftungslage

Die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie, die von den Mitgliedsländern anschließend in nationales Recht umgesetzt werden muss, ändert die Haftungslage: Nun sind Betreiber von Websites sofort direkt haftbar, wenn ein Nutzer unerlaubt einen urheberrechtlich geschützten Beitrag einstellt. Um dem zu entgehen, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Die Plattform prüft vorab jeden Beitrag, ob dieser die Rechte Dritter verletzt. Ist dies der Fall, wird die Veröffentlichung unterbunden.
  2. Oder der Plattformbetreiber schließt mit den Urhebern Verträge ab und zahlt Nutzungsgebühren. In der Praxis dürfte die Zahlung an Verwertungsgesellschaften erfolgen, die das Geld für die Urheber bzw. Rechteinhaber einzieht, wie es z. B. die GEMA im Bereich Musik macht.

Beide Möglichkeiten setzen voraus, dass die Beiträge geprüft und im zweiten Fall die Rechteinhaber ermittelt werden, um die Zahlung zu leisten.

Dass die Plattformbetreiber die Beiträge vorab prüfen und ggf. Lizenzen erwerben müssen, steht im Artikel 13 der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie. Um diesen Artikel 13 ist ein heftiger Streit entbrannt, der aktuell sogar zu Gegendemonstrationen führt. Echte Demos wohlgemerkt, mit Menschen auf der Straße, und keine Online-Proteste.

Nichts ist dagegen einzuwenden, dass ein Urheber Geld bekommt, wenn jemand anderes seine Werke nutzt. Genau das begrüßen unter anderem Autorenverbände wie der Verband der Schriftsteller VS.

Der Begriff, um den sich vieles dreht: Uploadfilter

Aber was bedeutet das in der Praxis? Hier kommen wir zu dem Begriff, um den sich vieles dreht: Uploadfilter.

Doch schauen wir zuvor nochmals auf die Richtlinie und auf die Praxis. Was würde das z. B. für das literaturcafe.de bedeuten? Vor einigen Jahren hatten wir ein offenes Forum, in das jeder eigene Gedichte und Kurzgeschichten einstellen konnte. Heutzutage kann jeder Beitrag im literaturcafe.de kommentiert werden. Was passiert, wenn z. B. dort jemand ein Gedicht von Hermann Hesse veröffentlicht? Wären auch wir gezwungen, jeden Beitrag daraufhin zu prüfen, ob er die Rechte Dritter verletzt? Der Betrieb eines Gedichte-Forums wäre nicht mehr möglich, da wir eine solche Prüfung nicht leisten könnten. Ein Hesse-Gedicht mag man vielleicht noch erkennen, aber woher will man wissen, ob ein eingestelltes Gedicht wirklich vom Nutzer selbst verfasst wurde?

Upload

Der Artikel 13 sieht drei Ausnahmen vor, die den Betreiber von einer Prüfungspflicht ausnehmen. Alle drei müssen erfüllt sein:

  1. Die Plattform ist jünger als 3 Jahre alt
  2. Sie erwirtschaftet einen Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro
  3. Sie hat weniger als 5 Millionen Nutzer pro Monat

Die Punkte 2 und 3 erfüllt das literaturcafe.de, jedoch gibt es uns seit 1996. Müssen wir künftig jeden Kommentar auf Urheberrechtsverletzungen hin prüfen?

Wenn man die Kommentare einiger Kritiker des Gesetzes liest, könnte man das meinen: Sie sprechen von kleinen Verlagen oder Bloggern, die ebenfalls betroffen sein könnten. Gäbe es lediglich die Vorgaben des Artikels 13, wäre das der Fall. Nicht von allen Kritikern wird jedoch erwähnt, für wen der Artikel 13 gelten soll.

Das steht im Artikel 2, der in der Diskussion ebenfalls wichtig ist. Demnach sind zur Prüfung nur »Online Content Sharing Service Provider« verpflichtet. Doch wer oder was ist das? Auch das ist im Artikel 2 näher definiert:

(…) a provider of an information society service whose main or one of the main purposes is to store and give the public access to a large amount of works or other subject-matter uploaded by its users which it organises and promotes for profit-making purposes.

Es geht also nur um Anbieter bzw. Angebote, deren Hauptzweck darin besteht, von Nutzern hochgeladene Inhalte im großen Umfang für die Öffentlichkeit bereitzustellen, um damit Geld zu verdienen.

Das ist eine typische juristische Formulierung, denn natürlich kann man bei jedem Einzelfall streiten, was denn »Hauptzweck«, »im großen Umfang« und »Geld verdienen« bedeutet.

Eines dürfte jedoch klar sein: Für ein kleines angeschlossenes Gedichte-Forum oder Kommentare unter Beiträgen gilt diese Definition nicht.

Verfolgt man die Diskussion, ist ganz klar, gegen wen die Direktive gerichtet ist: Man möchte vor allen Dingen die großen amerikanischen Plattformen wie Facebook und YouTube (also Google) in die Pflicht nehmen. Diese Plattformen werden von den Befürwortern des Gesetzes und von Politikern immer wieder genannt. Der Artikel 2 ist so formuliert, dass er genau diese Plattformen trifft – oder treffen soll. Es sind diese Plattformen, bei denen man unter anderem Fernsehsendungen, Musikstücke oder Fotos hochladen kann und die sich hauptsächlich durch Werbung finanzieren, die neben den Inhalten platziert ist. Bislang redeten sich die Betreiber dieser Plattformen damit heraus, dass sie kein redaktionelles Angebot seien und nur die technische Infrastruktur bereitstellen würden. Für die Inhalte würden die Nutzer haften. Diese Haftung wird durch den Artikel 13 umgedreht.

Uploadfilter stärken Facebook und Google

Natürlich stehen die Namen Facebook, Twitter, Google oder YouTube nicht im Text der Richtlinie. Genauso wenig steht der heiß diskutierte Begriff »Uploadfilter« im Gesetzestext. Doch dieser Begriff muss im Artikel 13 genauso wenig erwähnt werden wie die Namen der Plattformen im Artikel 2.

Denn die großen Mengen an Material, die bei diesen Plattformen hochgeladen und geteilt werden, können Menschen per Auge und Ohr nicht mehr überprüfen. Eine solche Prüfung muss zwingend maschinell erfolgen, wenn ein hochgeladener YouTube-Film mehr oder weniger sofort und nicht erst nach Prüfung drei Jahre später online gehen soll. Nur sogenannte Upload-Filter können im Rahmen des aktuell technisch Machbaren prüfen, ob ein Video beispielsweise Musik enthält, die urheberrechtlich geschützt ist.

Upload

Mit »Content ID« betreibt YouTube bereits einen solchen Upload-Filter. Die technische Entwicklung soll über 60 Millionen Euro gekostet haben. Das führt zur paradoxen Situation, dass mit Artikel 13 zwar die großen Plattformen gemeint sind, doch auch nur diese haben überhaupt das Geld, geeignete Filter zu entwickeln. Und sollte dennoch mal etwas durchrutschen, so dürften auch nur diese Plattformen die nötigen Mittel haben, um Rechtsstreitigkeiten oder Strafzahlungen einzuplanen.

Experten halten es deshalb nicht für unwahrscheinlich, dass Google seine Uploadfilter an Dritte lizenzieren könnte. Dies könnte für kleinere Plattformen kostenlos geschehen, und ab einer gewissen Upload-Menge würden Lizenzgebühren fällig. Ähnliche Modelle bietet Google bereits für Google-Maps an. Auch der Recaptcha-Filter von Google lässt sich kostenlos von Dritten nutzen, um menschliche Eingaben abzuprüfen.

Nicht zuletzt eine solche Uploadfilter-Lizenzierung bedeutet, dass der Artikel 13 die Position von Google weiter stärkt, indem Google immer mehr Netzverkehr auch anderer Plattformen kontrolliert und überwacht.

Autoren dürfen eigene Texte nicht veröffentlichen

Und dennoch arbeiten solche Filter nicht perfekt. Musik lässt sich besser erkennen. Aber was ist mit Text? Was ist mit einem selbst vertonten Gedicht von Hermann Hesse? Kritiker führen zudem an, dass ein Filter Ironie oder Parodie nicht unterscheiden könne und wo eine Nutzung im Rahmen der Kunstfreiheit erlaubt sein könnte.

Doch die Einschränkungen des Artikels 13 gehen noch weiter: So wie bei der GEMA gemeldete Musiker ihre eigenen Konzerte anmelden müssen (bzw. der Veranstalter), so werden künftig – geeignete Filter vorausgesetzt – auch Schriftsteller Ausschnitte aus ihren Texten oder Gedichte nicht mehr auf den Plattformen veröffentlichen können, wenn sie die Rechte an einen Verlag abgetreten haben. Die Filter würden ihnen eine unerlaubte Veröffentlichung von urheberrechtlich geschütztem Material attestieren.

Ohne Frage sind auch die Self-Publishing-Plattformen von Artikel 13 betroffen, denn hier stellen Nutzer ebenfalls im großen Umfang urheberrechtlich geschütztes Material für andere bereit, und die Plattformen verdienen damit Geld. In der Regel sind die Nutzer hier die Urheber. Und dennoch muss geprüft werden, damit niemand Gedichte von Hermann Hesse als eigene Werke ausgibt, denn dafür wäre die Plattform haftbar.

Amazon setzt bereits Uploadfilter ein, die mögliche Verstöße erkennen sollen. Wie machtlos man gegen solche Uploadfilter ist, durften wir vom literaturcafe.de selbst erfahren: So haben wir einst eine neue Version unseres Self-Publishing-Ratgebers hochgeladen. Plötzlich meldete Amazon, dass das Werk gegen die Regeln verstoße, da es urheberrechtlich geschütztes Material von Dritten beinhalten würde, da die Inhalte auch an anderer Stelle im Netz zu finden seien. Als normale Nutzer wären wir an dieser Stelle machtlos gewesen. Künftig wird es Nutzern von Facebook und YouTube ähnlich ergehen: Die Plattformen werden es vermeiden, genaue Begründungen abzugeben, warum sie den Upload eines Videos oder Textes nicht erlauben und wessen Rechte verletzt sein könnten. Es wird nur ein »erlaubt« und »nicht erlaubt« geben. Beschwerde-Links dürften zu den üblichen Textbausteinen führen, die nicht weiterhelfen.

Legales Werk wird zur Raubkopie erklärt

Seinerzeit konnten wir nur mithilfe journalistischer Mittel erfahren, warum Amazon den Text monierte: Amazons Upload-Filter hatte unser E-Book als Raubkopie im Netz gefunden und stufte unser legales Werk als Kopie ein! Eine paradoxe Situation!

Speziell bei Textinhalten stellt sich die Frage, wer die Rechte daran hat. Wer hier »der Autor« oder »der Verlag« antwortet, musste sich nie um eine Rechte-Einholung kümmern, denn so einfach ist die Antwort oftmals nicht. Auch hier haben wir leidvolle Erfahrungen gemacht: Wir wollten von einem Verlag die Erlaubnis, aus dem Werk eines lebenden Autors zu lesen. Da es sich bei dem Werk um eine Übersetzung handelte, wusste selbst die Lizenzabteilung des Verlags nicht, ob dieser im Besitz der Vortragsrechte für die deutsche Fassung war.

Wie sollen die großen Plattformen all die Rechte einholen und klären, wenn es selbst bei simplen Einzelfällen so kompliziert ist? Zumindest können die großen Plattformen für mögliche rechtliche Streitigkeiten oder Strafen ein Millionenbudget einplanen. Selbst in dieser Hinsicht trifft Artikel 13 die kleineren Plattformen, die diese Mittel nicht haben.

Was passiert, wenn Lisa Müller einen neuen Job hat und dies freudestrahlend bei Facebook verkündet und dies mit dem Satz tut »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«? Sie findet den Satz cool, hat ihn irgendwo mal gehört und weiß gar nicht, dass er aus einem Gedicht von Hesse stammt. Beim Versuch, ihren Beitrag zu veröffentlichen, bekommt sie nur die Meldung: »Ihr Beitrag enthält urheberrechtlich geschütztes Material und kann nicht veröffentlicht werden«.

Was ist, wenn wir diesen Beitrag, den Sie gerade lesen, bei Facebook veröffentlichen wollen, und Facebook lehnt dies ab, weil in diesem Text ein Zitat von Hermann Hesse enthalten ist? Das Zitat ist im Rahmen eines journalistischen Beitrags verwendet, um das Gesagte anschaulich zu verdeutlichen. Ein Upload-Filter wird den Unterschied nicht erkennen. Im Zweifelsfall werden die Plattformen stets mehr als weniger filtern, um Problemen aus dem Weg zu gehen.

Bedeuten Filter schon Zensur?

Dort wo gefiltert und blockiert wird, verwenden Kritiker gerne das Wort »Zensur«. Auch dies ein großes Wort. Tatsächlich hat die Intention des Artikels 13 nichts mit Zensur zu tun. Wenn verhindert werden soll, dass geistige Arbeit von Dritten ohne deren Erlaubnis genutzt und kommerzialisiert wird, dann ist das ein rechtmäßiges Anliegen.

Technik unterscheidet nicht, für wen sie arbeitet. Die Uploadfilter, die den Urhebern helfen sollen, können genauso Diktaturen helfen, unerwünschte Inhalte vom Netz fernzuhalten. Dennoch müssen wir auch in Demokratien die Frage stellen, ob wir es Konzernen und ihrer Technik überlassen wollen, was (scheinbar) rechtmäßig ist und was nicht oder ob dies im Zweifelsfall nicht doch besser Gerichte entscheiden sollten.

Upload

Ohne dass dies explizit im Text erwähnt wird, gibt Artikel 13 vor, dass Filtertechnik zum Einsatz kommen muss. Das ist nicht unproblematisch, und gerade von Schriftstellern würde man erwarten, dass sie hellhörig wären und diesem Schritt mehr als skeptisch gegenüber stünden. Jedoch begrüßen die Autorenverbände die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie, weil man sich zusätzliche Einnahmen erhofft. Fragt man bei den Verbänden nach, ist man dort unsicher, ob dies im Textbereich überhaupt funktionieren kann. Man hofft darauf, die großen Konzerne mit der neuen EU-Richtlinie in die Knie zu zwingen. Tatsächlich aber wird diese Regelung die Konzerne und ihre technische Dominanz weiter stärken.

Uploadfilter: eine Gefahr für die freie Gesellschaft?

Mehr als je zuvor besteht durch den Einsatz von Uploadfiltern eine Gefahr für die freie Gesellschaft. Auch das ein großes Wort: Vor einigen Jahren hätte man darüber gelächelt. Gefahr für die freie Gesellschaft? Wir sind doch hier nicht in China! Die Warnung, dass Uploadfilter missbraucht werden könnten, schien von pathetischem Gesellschaftspessimismus getragen.

Heute müssen wir nicht nach China blicken oder in die Länder Osteuropas, um die Gefahr zu erkennen: In Italien, Österreich und in den USA sind in den letzten Jahren Menschen an die Macht gekommen, deren Blick auf Demokratie und Freiheit ein anderer ist. Fest geschlossen geglaubte Verträge und Vereinbarungen werden gekündigt oder infrage gestellt. Auch in Deutschland ändern sich die politischen Verhältnisse. Veränderungen können schleichend geschehen und so, dass sie gar nicht negativ erscheinen.

Was, wenn die Uploadfilter demnächst im Einsatz sind und irgendwann die Abschaffung des Artikels 2 und der Ausnahmeregelungen des Artikels 13 gefordert wird? Es wäre ein logischer und demokratischer Schritt. Warum sollen nur die großen Unternehmen und Plattformen für urheberrechtliche Verfehlungen ihrer Nutzer haften? Ein illegal eingestelltes Gedicht auf einer kleinen Plattform ist genauso ein Vergehen wie auf einer großen. Recht darf nicht mit zweierlei Maßstäben messen! Und schon sind alle Plattformen in die Pflicht genommen, auch das kleine Lyrik-Portal.

Technik weckt Begehrlichkeiten

Und wenn die Filter schon einmal im Einsatz sind und diese mit der Zeit wahrscheinlich immer besser und leistungsfähiger werden: Warum setzen wir sie nur für Urheberrechtsverletzungen ein? Warum nicht gegen weitaus Schlimmeres? Warum nicht gegen extreme Propaganda von rechts und von links? Warum nicht gegen Beleidigungen von Politikern, da der Umgangston im Netz ohnehin schon bedenklich ist? Solche Filter könnten helfen, die schlimmsten Beschimpfungen von vornherein zu verhindern.

Technik weckt Begehrlichkeiten. Wir haben die Maut-Erkennungssysteme für LKWs. Da könnten wir sie doch auch für PKWs einsetzen! Und noch besser: Warum verwenden wir die Nummernschilderkennung nicht zur Fahndung nach Verbrechern und Terroristen? Dagegen kann doch niemand etwas haben!

Upload

Niemand kann garantieren, dass mit Uploadfiltern nicht Ähnliches passiert. Die Praxis zeigt, dass dies früher oder später der Fall sein wird, gerade wenn sich politisches Denken ändert. Und warum Uploadfilter nur für die Internetplattformen? Wäre es nicht sogar besser, wenn künftig eine Filterung viel früher ansetzen würde? Warum nicht bereits auf Zugangsprovider-Ebene? Das würde kleine und mittlere Internetplattformen von dieser Aufgabe und Investitionen entlasten. Klingt argumentativ genauso gut und plausibel wie die Idee mit dem Artikel 13 – und wäre verheerend.

Schriftsteller für ein freies Internet

Daher sollten sich Schriftsteller für das freie Internet einsetzen und gegen gesetzlich vorgeschriebene schwarze Boxen, von denen niemand weiß, was und warum sie mit welcher Legitimation ausfiltern, Filter, die die Macht der Konzerne stärken statt schwächen. Das Versprechen von Geld darf dem Interesse am freien Wort nicht unterliegen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller sollten sich vehement gegen den Artikel 13 wehren, der zur Gefahr für das freie Internet und die Demokratie werden wird, wenn sich die aktuellen politischen Tendenzen weiter in ungute Richtungen bewegen!

Spätestens jetzt ist oft das Argument zu hören: »Wir müssen es einfach mal mit den Uploadfiltern versuchen! Welche Alternativen haben wir denn, gegen die Macht dieser Konzerne und Plattformen anzukämpfen?«

Doch vermeintliche Ausweglosigkeit ist kein Argument! Alternativen, wie Kreativschaffende auch ohne Inhaltsfilter an ihr Geld kommen könnten, gibt es genug. Sie wurden nur nicht diskutiert, da die Lobby der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger daran kein Interesse hat. Man erinnere sich nur, dass die US-Konzerne in Europa kaum Steuern zahlen. Und das nicht, weil sie illegale Tricks anwenden, sondern legale Steuerschlupflöcher nutzen. Diese zu stopfen, sodass Konzerne wie Amazon, Facebook und Google endlich in Europa gerechte Steuern zahlen, wäre ein echter demokratischer Schritt. Ein Teil dieses Geldes könnte dann an die Kreativschaffenden ausgezahlt werden, wie es ähnlich für Drucker oder USB-Sticks der Fall ist. So verdient beispielsweise das literaturcafe.de für diesen Text einen kleinen Obulus, obwohl oder weil er für alle frei im Netz verfügbar ist. Es geht. Auch ohne Filter.

Wolfgang Tischer

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26 Kommentare

    • Leider bekommen Sie aber auch das Honorar nicht, wenn (wie in dem Text genannten Beispiel) Sie selber Texte veröffentlichen möchten.
      Und die Gefahr der Fehlfunktion ist nicht nur voraus gesagt, sondern (bei Youtube) schon gang und gäbe.
      Ob das bei falsch zugeordneten Stichworten¹, der Fehlinterpretation von Inhalten², von Erpressung³ oder vielem anderen mehr ist.

      Das Problem ist _nicht_, dass die Kritiker eine “Umsonstkultur” möchten. Ganz im Gegenteil. Viele von den Kritikern sind selber Autoren, Künstler, Musiker oder Urheber. Aber die Auswirkungen der aktuellen Fassung ist nicht nur potenziell gefährlich (als in “mit 150 auf der Landstraße fahren”-Gefährlich) sondern voraussagbar schädigend (als in “im vollbesetzten Reisebus mit durchgeschnittenen Bremsschläuchen 150km/h auf einem Alpenpass fahren”-Schädigend) und wie oben und im Artikel gezeigt funktionieren sie nicht; Sie können technisch gar nicht funktionieren.

      Und wenn Sie sich an Youtube und Facebook aufhängen die Gewiss groß genug wären um “ein Stück vom Kuchen ab zu geben” , wie wäre es bei einer kleinen Internetplattform für freie Bilder? z.B.: “piqs” (aus Deutschland). Selbst mit nur ein paar Bildern pro Tag, wie kann der Betreiber feststellen, ob ein hoch geladenes Bild jetzt wirklich vom Urheber kommt, und ob dieser nicht die Rechte an andere abgetreten hat? Diese Plattform ist älter als 3 Jahre und hat als Hauptzweck von Nutzern hoch geladene Inhalte im großen Umfang für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Und der Betreiber verdient damit auch Geld, da Werbung geschaltet ist. Das Die Urheber in diesem speziellen Fall kein Honorar bekommen ist übrigens Absicht der Urheber, die sich bewusst dazu entschieden haben die Bilder gemeinfrei (als in “unter der Creative Commons Lizenz”) hoch zu laden.

      Als Urheber, Informatiker und “Netizen” bin ich für eine faire Vergütung, aber absolut gegen den aktuellen Vorschlag der Urheberrechtsnovelle.

      Liebe Grüße,

      Tobias

      1) Bei Spielen genutztes Kürzel mit 2 Zeichen enspricht auch einem Kürzel beim Kindesmissbrauch: https://www.youtube.com/watch?v=AMcQ8NDqMws

      2) Weißes Rauschen ist angeblich urheberechtlich geschützt:
      https://twitter.com/littlescale/status/949032404206870528
      https://www.bbc.com/news/technology-42580523

      3) Youtube Videos werden missbräuchlich als Urheberrechtsverletzung angezeigt und dem Ersteller dann ein Hinweis geschrieben, wenn er nicht eine Summe X zahlt bekommt der die dritte (und finale) Anzeige:
      https://www.theverge.com/2019/2/11/18220032/youtube-copystrike-blackmail-three-strikes-copyright-violation
      https://www.youtube.com/watch?v=Q0i-sLESXqo

      PS: @literaturcafe: Eure Erkennung von Emailadressen ist falsch. ein Plus (“+”) vor dem “@” ist absolut erlaubt (und wird von mir seit Jahren eingesetzt) Beispiel: “username+webseite@domain.invalid”. Bitte an die Technik weitergeben. T/

      • Zu letztem Beispiel noch wichtig zu erwähnen. Bei 3 “strikes” löscht YouTube den ganzen Kanal und damit auch gerne mal die ganze Existenzgrundlage des Künstlers. Und Strikes werden auch dann verhängt, wenn die Zuschauer melden, dass es gegen Regeln verstoßen hat.

        • Es geht eben nicht um einen Text, sondern um sehr viele Texte.
          Und nicht nur Texte, sondern auch Bilder, Videos und Musik.
          Im Endeffekt könnte nur noch das veröffentlicht werden, was in einer der Verwertungsgesellschaften registriert ist.
          Damit hätten diese dann die Möglichkeit, zu entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht.

      • Da kommt mir gerade auch noch folgender Gedanke bei Fotos.
        Ich bin Lehrerin für Fotografie und da merkt man wenn man in Gruppen unterwegs ist durchaus, dass sich Bilder sehr stark ähneln. Sie sind nicht exakt gleich… aber doch ähnlich. Hat dann per Filter nur der erste Uploader das Urheberrecht? Es gibt einfach Fotos, die sich sehr stark ähneln… das wird ein Chaos… wenn ich ein Touristenfoto von einem Photo Spot mache, so wie tausende andere, dann kann man es evtl. nie mehr teilen 😉

  1. Lieber Wolfgang,
    vielen Dank für diesen wichtigen Artikel! Ich hoffe, dass ihn noch viele lesen werden und bin definitiv auch der Meinung, dass wir den Artikel 13 sehr kritisch betrachten sollten, egal ob als Urheber oder Content-Nutzer.

    • Danke fürs aufmerksame Lesen des Beitrags! Tatsächlich ist das falsch, es muss heißen »Die Punkte 2 und 3 erfüllt das literaturcafe.de«. Tatsächlich liegt unser Jahresumsatz weit unter 10 Millionen Euro, und leider haben wir auch keine 5 Millionen Nutzer im Monat. Ich habe das entsprechend im Text korrigiert und das »nicht« gelöscht.
      Wolfgang Tischer

  2. Als Autor bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, was ich von der ganzen Diskussion halten soll. Einerseits finde ich auch, dass ich als Urheber an den Erlösen der Plattformen beteiligt werden sollte, andererseits finde ich als Autor von Technik-Dystopien Upload-Filter genauso gruselig wie Wolfgang Tischer.

    Eines allerdings verblüfft mich: Warum setzten wir eigentlich ausgerechnet Facebook und Google mit dem “freien Internet” gleich? Ist das geschicktes Lobbying der Konzerne oder schlicht Verwirrung? Wenn Artikel 2 bestimmt, für wen Artikel 13 gilt, dann steht fest: Ich DARF meine eigenen Texte, Satire etc. ÜBERALL veröffentlichen, es kann höchstens sein, dass Youtube oder Facebook diese Beiträge herausfiltern und nicht veröffentlichen. Na und? Wer sagt denn, dass diese Plattformen die wichtigsten sind bzw. bleiben müssen? Wir Nutzer entscheiden doch, ob wir diesen Plattformen blind folgen.

    Indem wir brav der Masse nachlaufen und uns von werbefinanzierten Plattformen unsere Daten aus der Nase ziehen und unser Verhalten manipulieren lassen, liefern wir uns diesen Plattformen aus. Und dann beschweren wir uns, wenn jemand die Giganten an die Kandarre nehmen will, und tun so, als würde UNSERE Freiheit beschnitten. Aber ist das wirklich dasselbe?

    Das freie Internet sieht für mich anders aus. Es ist ein wirklich pluralistisches System mit vielen Anbietern, so wie es das World Wide Web früher mal war. Zugegeben, es braucht irgendwelche Systeme, die einem den Weg durch den Dschungel weisen, und diese Systeme haben Macht. Aber was wäre, wenn wir stärker auf “Pointer” setzen würden, simple Suchmaschinen oder Kurznachrichtendienste, und die Inhalte wieder dezentral auf einzelnen Websites/Blogs etc. hochgeladen würden? Dann gäbe es weniger Werbefinanzierung, weniger Youtube-Megastars, weniger Zentralismus, aber deshalb nicht weniger Freiheit. Das Uploadfilter-Problem würde sich in Luft auflösen.

    Google und Facebook wollen genau das Gegenteil: Wir sollen möglichst viel Zeit exklusiv auf einer Plattform verbringen. Dort wird uns dann nicht etwa Pluralismus gezeigt, sondern das, was im Interesse der Plattform und ihrer Werbekunden ist. De facto “filtern” nämlich die Algorithmen unsere Beiträge schon längst und entscheiden darüber, wer was sieht – und zwar nicht nach dem Kriterium, ob damit gegen Rechte verstoßen wird, sondern allein danach, wie viel Geld man damit verdienen kann. Das hat für mich viel mehr mit Meinungsdiktatur zu tun als Uploadfilter (die ich trotzdem nicht toll finde).

    Oder bin ich bloß verwirrt?

    • Lieber Karl Olsberg,

      vielen Dank für diesen sehr guten Kommentar und diese Ergänzung. Danke auch, dass Du ihn hier schreibst und nicht bei Facebook. Denn auch Kommentare und Diskussionsbeiträge auf Websites und Blogs sind in den letzten Jahren immer mehr verschwunden und in die sozialen Netzwerke gewandert, wo sie nicht mehr so präsent sind, wie direkt auf den jeweiligen Websites und direkt bei den Beiträgen dort.

      Das von Dir beschriebene Paradoxon ist sicherlich der Grund, weshalb die Diskussionen so emotional werden. Es wird für “die Freiheit des Internet” demonstriert, doch der Auslöser ist das Gebahren von Konzernen, die man reglementieren möchte. Konzerne, deren Plattformen alles andere als “frei” sind und die massiv zur Manipiulation genutzt werden, sei es von den Konzernen selbst, um Geld zu verdienen oder von Dritten, um politische Meinungen oder sogar Wahlen zu beeinflussen. Und für diese Plattformen gehen die Menschen jetzt auf die Straße? So verkürzt kann man das sehen und so wird es von einigen Befürworten der Reform dargestellt.

      In meinem Beitrag habe ich gezeigt, dass die Urheberechtsreform die Macht der Konzerne sogar noch weiter stärken wird und dass genau das Gegenteil von dem eintreten wird, was die Befürworter der Reform eigentlich erreichen wollen.

      Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber nehmen wir mal eine ganz andere Zukunft an: Google und Facebook wollen nicht noch mehr Geld in die Filter stecken, weil diese in absehbarer Zeit nicht zuverlässig arbeiten. Seit der Urheberrechtsreform werden sie von Beschwerden seitens der Urheber überflutet, ein sinnvoller Betrieb von Facebook und YouTube ist in Europa nicht mehr möglich. Facebook und YouTube stellen daraufhin ihren Betrieb in Europa ein, ebenso andere Dienste wie Google News: “Dieses Angebot ist in Ihrem Land nicht verfügbar”. Ich frage ganz offen, überhaupt nicht rhetorisch oder polemisch gemeint: Wäre das gut? Wäre das die Renaissance der eigenen Websites und Blogs? Hat die Urheberrechtsreform dann einen Beitrag zu einem freien Internet geleistet?

      Wolfgang Tischer

      • Mal davon abgesehen, dass sich die Giganten niemals freiwillig aus Europa zurückziehen werden (und ich das auch gar nicht wollen würde): Wir reden hier von Evolution. Wenn sich die Umwelt verändert, bilden sich neue Spezies, ggf. auch durch Mutation der bisherigen. Die Welt wird durch die Reform ganz sicher nicht zusammenbrechen, sie wird nur anders. Ob die Reform die Konzerne stärkt oder Raum für Neues schafft, vermag ich nicht einzuschätzen. Ob die Verlage ihre protektionistischen Ziele erreichen, da bin ich auch eher skeptisch. Ich bin nicht mal sicher, ob die Reform nun gut oder schlecht für mich als Autor ist (vermutlich beides). Die Auswirkungen abrupter Veränderungen an komplexen dynamischen Systemen sind nicht vorhersehbar. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Konzerne schon jetzt massiv filtern und ich sie nicht mit dem Ideal freier Meinungsäußerung gleichsetzen würde.

        • Hat hier denn irgendjemand so eine Gleichsetzung vorgenommen? Das Problem ist doch nicht, daß es google und facebook trifft (die haben ja schon Filter), sondern die vielen anderen Websites, die die breit gefaßten Kriterien ebenfalls erfüllen.
          Beispiele wurden ja bereits genannt, hier noch ein paar:
          deviantart.com
          toonpool.com
          patreon.com
          animexx.de
          fanfiktion.de

          und bei böswilliger aber leider nicht abwegiger Auslegung gar Seiten wie github oder stackexchange.

          Ich habe den Verdacht, daß das Ganze auf eine Schutzgelderpressung hinausläuft und das eingenommene Geld analog zur Vorgehensweise bei der GEMA-Vermutung nur an die großen Rechteverwerter fließen wird.

          mow

    • > Warum setzten wir eigentlich ausgerechnet Facebook und Google mit dem “freien Internet” gleich?

      Das wäre verkürzt! Die großen Spieler sind sicher nicht unsere Freunde, sondern versuchen natürlich ihre Geschäftsinteressen durchzusetzen. Das heißt aber nicht, dass alles gut ist was für die schlecht ist. Der Feind meines Feindes ist nicht unbedingt mein Freund.

      Mit der Verhinderung der geplanten Urheberrechtsreform sind wir auch noch nicht fertig: Ziel muss es langfristig sein das Internet wieder zu dezentralisieren, und somit aus den Fängen der Großen zu befreien. Dafür Schutz bei Verlagen und Vwerwertern zu suchen, die ihre ganz eigenen kommerziellen Interessen verfolgen, ist höchstens so schlau wie sich bei Gewitter unter einen Baum zu stellen.

      Ein erster, unbequemer Schritt könnte sein zentrale Dienste zu meiden, und sich wieder auf dezentrale (eigene Webseite, Kommunikation per Mail statt twitter, vielleicht Diaspora) zu konzentrieren. Ja, die Sichtbarkeit leidet, deswegen ist das auch unbequem.

  3. Im Prinzip richtig. Das Problem ist, dass durch die vielen eigentlich wahrscheinlich gut gemeinten Vorschriften und Gesetzte oft die großen Anbieter wir Facebook oder Amazon eher gestärkt werden.
    Es ist doch heute kaum noch möglich wirklich rechtssicher ein Forum oder einen Webshop zu betreiben. Zumindest als kleinerer Anbieter überlegt man sich das dreinmal. Da ist es doch viel einfacher eine Facebookgruppe einzurichten oder seine Waren über Amazon statt über einen eigenen Shop zu vertreiben. Die haben das Geld und das KnowHow die Vorgaben einzuhalten bzw. die Macht das einfach zu übergehen. Das kann nicht die Lösung sein.

  4. Mein riesiges Problem mit dem Artikel ist die Tatsache, dass sich die Plattformen vorab die Rechte/ Lizenzen von jedem Urheber einholen muss. Das mag für Urheber die in Verwertungsgesellschaften organisiert sind, funktionieren, aber im Prinzip sind wir ja alle Urheber. Auch mein Foto von meinem Mittagessen gestern ist im Zweifel urheberrechtlich geschützt. Müsste sich jetzt YouTube von mir die Lizenz von diesem Bild kaufen, nur weil die minimale Chance besteht, dass jemand es in einem seiner Videos verwendet? Oder Facebook, weil es jemand, vielleicht die Facebookseite der Mensa, dort posten könnte?
    Und wie ist das mit unveröffentlichten Fotos. Oder Texten.
    Kann ich meine Kurzgeschichten überhaupt noch auf verschiedenen Seiten hochladen oder werden die gleich automatisch gelöscht?

    Und wie sollen die Plattformen wissen, dass ich als Urheber das unter verschiedenen Benutzernamen hochlade, jedoch immer die Urheberrechte an den Texten habe?

  5. Allein schon der Begriff “Urheberrechtsreform” ist doch irreführend. Es geht nicht um das Urheberrecht – das Urheberrecht von Autoren, Musikern, Filmemachern ist von der Regulierung nicht betroffen. Es geht um Nutzungsrechte.

    Davon abgesehen: Danke für die klaren Aussagen an Wolfgang Tischer.

  6. Ich habe bei Youtube zwei Videos hochgeladen – jeweils mit einem Kapitel aus zwei von mir verfassten Hörbuchern, gelesen von professionellen Sprechern, die ich bezahlt habe.

    Kurz danach bekam ich von Youtube den Hinweis, dass meine Hörbuchvideos Urheberrechte verletzten. (Ich habe es beide Hörbücher über Feyr bei verschiedenen Hörbuchplattformen veröffentlicht.)

    Ich informierte Youtube über diesen Sachverhalt. Das hat die aber nicht interessiert. Netterweise “darf” ich die Videos stehenlassen und erfreulicherweise erhält mein Konto “keine Urheberrechtsverwarnung”.

    Da bin ich jetzt aber wirklich froh, dass ich mit von mir geschriebenen und produzierten/bezahlten Hörbüchern keine Urheberrechte verletze.

  7. Grüße, schönes Forum haben Sie hier 🙂 Ich weiß nicht ob ihr die Lage in den sozialen Medien verfolgt. Es wird mit allen Mitteln versucht, diesen Gesetzesentwurf durchzubringen. Lügen sind dabei täglich Brot. Die Demonstranten werden diffamiert, als ungebildete Kinder, sogar als nicht echt, “Bots” beschimpft. Seitens der Regierung. Alles nachweisbar via Twitter. Der Entwurf selbst wurde hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, unter Auschluss der Öffentlichkeit, und das bei einem Thema, welches uns alle betrifft. Sprechen sie ruhig mit den Gegnern von Artikel 11, 12 und 13. In etwa 99 Prozent dieser Leute werden ihnen mitteilen, dass sie sich mehr Rechte und Geld für Urheber wünschen. Das stand nie in Frage. Sie haben Angst vor dem was folgen wird, was nach den Filtern kommt. Die Angst vor Zensur ist real, da eben alle Ausdrucksformen betroffen sind. Moderner Protest wird heute nun einmal über das Internet organisiert, und warum auch nicht? Man erreicht schnell viele Leute, gerne weltweit. Was wird passieren wenn die Datenbanken mit einem Programm zur Terrorbekämpfung verbunden werden? Wenn die Regierung friedliche Demonstranten als Mob bezeichnet, als Instrumente von Google – was sie übrigens wirklich behauptet, werden solche Proteste künftig im Keim erstickt? Wenn Du ein Bild bearbeitest für politische Satire, wird das Bild nicht erscheinen weil es zu 65 Prozent aus urheberrechtlich geschütztem Material besteht, oder weil es Betroffene nicht gerne sehen? Dieses Werkzeug ist für eine Demokratie zu gefährlich. Die freie Meinung zu wichtig. Wenn die Filter vom Tisch sind, können wir zusammen für die Rechte der Kreativen kämpfen. Ich würde mit ihnen allen, persönlich, Hand in Hand demonstrieren gehen, aber bitte, denken sie genau darüber nach, welche Spielzeuge sie der Regierung gestatten möchten.

  8. > Das steht im Artikel 2, der in der Diskussion ebenfalls wichtig ist. Demnach sind zur Prüfung nur »Online Content Sharing Service Provider« verpflichtet. […] Für ein kleines angeschlossenes Gedichte-Forum oder Kommentare unter Beiträgen gilt diese Definition nicht.

    Damit seid Ihr aber noch nicht aus dem Schneider: Die 1&1 Internet AG, die Eure Site laut [1] hostet, erfüllt doch die Definition, oder? Wird dann also 1&1 den Content vom literaturcafe.de filtern?

    ____________________
    [1] https://hostingchecker.com/#literaturcafe.de

  9. Danke für den Text!

    Aber eine Anmerkung zur Definition von “kommerziellem Angebot”:

    Ich schätze, potenzielle Kläger würden “Literaturcafé.de” doch ziemlich sicher als kommerzielles Angebot einordnen:

    -Oben rechts gibt es die Kategorie “Shop”
    -Im Impressum steht dass ihr feste Mitarbeiter habt
    -Ihr macht Werbung für eure Spreadshirt Produkte
    -Es sind Werbebanner über Adsense eingebunden

    Ich denke viele Selbstständige / Autorinnen & Autoren würden mit ihren Blogs und Webseiten selbst als kommerziell eingestuft werden, sie werben schließlich für ihre Arbeit und machen online für sich ständig “Promotion”. Die Grenze dürfte sich in der heutigen Zeit kaum noch klar ziehen lassen.

  10. Hallo, ich bin durch Zufall (von Google News 🙂 auf euren Artikel gestoßen. Ich würde gerne auf eine andere Gefahr hinweisen. Mittlerweile finde ich immer mehr Videos/Posts indem VPN´s bzw was beängstigender ist das Darknet (lässt sich selbst in china z.B. nicht abschalten bzw. verbieten) als Alternative genannt wird. Wir wissen alle, das Menschen immer einen Weg finden etwas zu umgehen. Wollen wir unsere Kinder bzw junge Erwachsene “dort” wiederfinden mit all dem was man dort mehr oder weniger schnell findet? denn was man immer gerne vergisst, ist das die jungen Menschen und digital-nativs heutzutage viel besser mit dem PC umgehem können als die Verantwortilchen dieser Reform vermuten, denn dort ist wirklich zum Teil “wilder Westen”.

  11. Hallo, mal ein bisschen Technik: Ein Upload-Filter soll ja alles was gepostet wird erkennen und auf seine Inhalte überprüfen. Nehmen wir mal an ich poste einen Text wie “Das ist Unsinn.” . Der Filter wird das erkennen und freigeben (Dir KI merkt sich den Satz). Nun poste ich den Satz “Unsinn ist das”.
    Jetzt müßte die KI erkennen können ob der Sinn wie der erste Satz ist. Eine weiter Steigerung wäre dann “Unsinn das ist”. Was aber mit Bildern? Wenn ich ein Bild der Mona Lisa poste, dann könnte der Uploadfilter das erkennen. Bearbeite ich das Bild mit Steganografie, was dann? Auch Musik läßt sich so verändern. Das Ohr hört den Titel, aber er ist es nicht. 15% schneller oder langsamer (auch gern noch mehr) kann man über Software ausgleichen. Also alles Käse mit den Uploadfiltern. Die werden vermutlich mehr Rechenleistung haben müssen als die Server. Ein Server kann das nicht leisten, da er nur Dateien zur Verfügung stellt. Hier müssen also ganz andere Rechner um Einsatz kommen.
    Deshalb auch der Netzausbau zum Hochgeschwindigkeitsnetz. Viel Spass beim Upload

  12. Hallo an Alle:

    Zitat aus dem Text:

    Dort, wo Nutzer selbst Inhalte einstellen können, beispielsweise in den Kommentaren zu einem Beitrag oder in einem Forum, gilt die Regel, dass diese Inhalte vom Betreiber sofort entfernt werden müssen, wenn dieser davon Kenntnis erlangt, dass die Inhalte die Rechte eines anderen verletzen könnten oder gar strafrechtlich relevant sind. Das gilt für unerlaubt urheberrechtlich eingestellte Inhalte genauso wie für Beleidigungen und anderes. Erst wenn der Betreiber nach einer Nachricht eines anderen Nutzers oder eines Rechteinhabers den Beitrag nicht entfernt, kann der Betreiber juristisch belangt werden.

    Ehrlich gesagt betrachte ich diese Aussage sehr skeptisch (wenngleich ich einräumen will, dass es sich hier um gefährliches Halbwissen meinerseits handelt). Ich kann mich an einen Fall erinnern, in dem der Betreiber eines Forums sofort abgemahnt wurde, ohne, dass das sogenante Notice-and-take-down-Verfahren griff:

    https://www.mopo.de/vor-gericht-3000-euro-fuer-einen-eistee-22868730

    Und darum finde ich eben auch Aussagen wie den Kommentar von @stefan nicht hilfreich. Ich selber nutze zwei friendica-Instanzen, wobei eine für Künstler, die andere für Schüler sein soll. Weder friendica noch diaspora können gegen facebook anstinken, was aber nicht bedeutet, dass man dort keine Urheberrechtsverletzungen betreiben kann. Auch in nichtkommerziellen Foren kann das passieren, so dass die drei aufgeführten Regeln (Umsatz/Nutzer/Alter) ignoriert werden können.
    So wie ich es verstanden habe, ist ein Notice-and-take-down eben kein Schutz für den Seitenbetreiber, weil keine Pflicht.

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