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Sechs preisgekrönte Gedichte zum Lesen und zum Hören

Vertonte LyrikSeit einigen Jahren unterstützt das literaturcafe.de den Jokers Lyrikpreis. Das literaturcafe.de vergibt dabei drei Sonderpreise, die aus einer literaturcafe.de-Tasse und einer Gedichtvertonung bestehen. Wir präsentieren Ihnen heute die sechs Gedichte, die den Sonderpreis 2011 und 2011 erhalten haben. Sie können die Gedichte nachlesen oder auch vertont als MP3-Datei herunterladen.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und Hören!

Bitte beachten Sie, dass die Dateien nur zum privaten Gebrauch verwendet werden dürfen. Die kommerzielle Nutzung, Aufführung, Sendung oder Weiterverbreitung ist nur mit Genehmigung der Autoren und des literaturcafe.de zulässig. Gerne stellen wir bei Bedarf den Kontakt den den Autorinnen und Autoren her.

Bei dir

von Iris Lochbaum
gesprochen von Wolfgang Tischer

Bei dir zu sein
war Tanz
auf Spinngeweb.

Leise folgte ich
der Melodie deiner Worte.
Aus dem Takt war mein Kopf,
danach.

Unsere Augen haben Fäden gesponnen,
leichte Luftbrücken,
auf denen wir uns nie ganz trafen.

Ein Spinngeweb
über einem Abgrund,
darunter
weite Nacht.
Und eine Weile habe ich getanzt.

Dada 2.0

von Tobias Schneider
gesprochen von Wolfgang Tischer

Was ist der Dadaismus schon.
Mit Silben, unverständlich.
Kein Meilenstein, sondern der Hohn.
Bis er vorbei war, endlich.

Im WWW, in Blogs und Threads
lebt Dada’s Erbe wieder.
Nicht als Epoche, mehr in Chats
lässt er sich sprachlich nieder.

Twitter, Twitter, Tweet.
Twitter, Twitter, Tweet.

Ich bin auch Member, kenn mich aus,
weiß wie die größten Super-DAUs
sich tippend überschlagen.

Sie posten, voten, tuben you’s,
doch haben nicht wie FAQs
was Wichtiges zu sagen.

Apple, Apple, App.
Apple, Apple, App.

Login, luv ya, CU, lol.
Forwarde ne PM, ich Proll!
CC an alle User.

Social werd ich immer mehr.
Lokalist, Facebooker, yeah!
Big Brother, nur konfuser.

Google, Google, Go.
Google, Google, Go.

110 hab ich. Alleine.
In der VZ-Community.
Echte Kumpels, wie ich meine.
Gesehen habe ich sie nie.

Saug Pics und Clips auf meine Dose.
Schau Virals noch und nöcher.
Kaum ein Profil ohne Neurose.
Das Netz der vielen Löcher.

Wiki, Wiki, Wie?
Wiki, Wiki, Wie?

Was war der Dadaismus schön.
So bildhaft und verständlich.
Vielleicht sollte er online gehen.
Als Powerblogger, denk ich.

frostiger sonntag

von wilfried schaus-sahm
gesprochen von Wolfgang Tischer

heute sind die hochhäuser
verschneite kapellen
die philosophen hocken
hinter den öfen
und entwerfen die frühjahrsgedanken
es fallen keine ameisen
von den stahlskeletten
der rum
kommt in mode
in den kaufhäusern
liegen die weißen mäuse
in folien verschweißt
die butter flieht aus dem kühlhaus
und legt sich kunstvoll
in ecken
teilweise löst der frost
das problem der armen
die reichen ziehen um
unter pariser brücken
auf den autobahnen eröffnen
kanibalische restaurants
einzig
in den warmen orten der welt
versteht man voodoo
wer jetzt
arbeitsloser maurer ist
wird es lange bleiben

Das Koffer(wort)spiel

von Aaron Eisele
gesprochen von Wolfgang Tischer

»Ich packe meinen Koffer und nehme mit
Die Sehnsuchtsperlenkette
Und Dichtersturmquartette.
Der Nachtigallen Dynamit,

Der Krähen Hohngelächter,
Zahnstocher von Herrn Igel,
Den Weltenfängerspiegel,
Den Höllenhundewächter,

Das Parfum von Herrn Stinktier,
Die Brille der Blindschleiche
Und Küsse einer Eiche.
Geschafft, nun ist die Reihe wohl an dir.«

»Ich packe meinen Koffer und pack’ ihn wieder aus,
Bei so ‘nem scheiss Gepäck bleib ich doch glatt zuhaus’.«

Vincent van Gogh

von Juckel Henke
gesprochen von Wolfgang Tischer

Van Gogh, er malte ufernah
Wellblech und Garagen,
er malte grausam, wunderbar,
auch Könige und Pagen.

Er malte schwarz, er malte weiß,
er malte bunt und scheckig,
er malte wirklich jeden Scheiß,
mal sauber und mal dreckig.

Er malte gar den Mummenschanz,
er malte dicke Tiere,
er malte sehr viel Firlefanz,
er malte dunkle Biere.

Nur Kaffee malen war nicht drin,
er malte lieber Tee,
das kam ihm gar nicht in den Sinn,
herrje, herrjemine!!

Kleine Nachricht an Virginia Woolf

von Beatrix Saadi-Varchmin
gesprochen von Wolfgang Tischer

Virginia, manchmal muss ich
mit deinem mauve- und malvenfarbenen
wolfsrudel um die wette heulen
nachts, wenn Mrs. Dalloway
im zimmer für sich allein
an ihrer gästeliste tüftelt
der leuchtturm sein stetes blinken
über die wellen wirft
sterne statt bomber fliegen
(ja, auch ein paar sputniks dazwischen)
und du am grunde der Ouze
den stein aus der tasche ziehst
aufsteigst
mit nassen füßen
hinüber ins gartenhaus gehst
dem schaukelstuhl schubs um schubs versetzt
und deine feder wieder
die fährte zu wittern beginnt

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