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Perle im Video: Unverhof(f)tes Wiedersehen von Johann Peter Hebel

Wolfgang Tischer liest die Novelle »Unverhofftes Wiedersehen« von Johann Peter Hebel
Wolfgang Tischer liest die Novelle »Unverhofftes Wiedersehen« von Johann Peter Hebel

Sie sei »die schönste Perle im Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes«, urteilt Michael Maar über die kurze Erzählung »Unverhofftes Wiedersehen« von Johann Peter Hebel. Wolfgang Tischer hat sie in einem Video eingelesen. Siebeneinhalb Minuten, die man, laut Maar, »unsterblich nennen darf«.

Die Kürzest-Novelle erschien 1811 in der Sammlung »Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes«. Der Autor Johann Peter Hebel (1760–1826) trug hier seine besten Geschichten aus dem Kalender »Der Rheinländische Hausfreund« zusammen, dessen Herausgeber Hebel von 1803 bis 1815 war. In der damaligen Schreibweise hatte »Unverhoftes Wiedersehen« noch kein zweites f.

In seinem »Sprach- und Stilverführer« mit dem Titel »Die Schlange im Wolfspelz« (Rowohlt, 2020) meint Michael Maar, man könne sich an diesem Text nicht satt lesen. Jedes Mal berühre einen die Geschichte mehr. Zudem lässt Hebel »in fünf Sätzen ein halbes Jahrhundert vorbeiziehen«. Auch für diese kurze Erzählung gelte: In seinen Schlusssätzen sei Hebel immer besonders stark. Das hier fehlende »sich« mache ihn besonders. Neben seinen (hochdeutschen) Kalendergeschichten ist Johann Peter Hebel auch wegen seiner alemannischen Mundartgedichte bekannt. Hebel wurde in Basel geboren und arbeitete nach dem Studium in Erlangen als Lehrer, zunächst in Lörrach, dann in Basel. Zudem war er Abgeordneter der ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung.

Johann Peter Hebel ließ sich für »Unverhof(f)tes Wiedersehen« von einer wahren Begebenheit inspirieren, die sich im Kupfer-Bergwerk Falun in Schweden zugetragen haben soll. Das Bergwerk und diese unerhörte Geschichte wurde später auch von E. T. A. Hoffmann, Friedrich Rückert, Hugo von Hofmannsthal und Georg Trakl literarisch verarbeitet.

Hören und sehen Sie die Geschichte hier im Video. Die Textfassung zum Mitlesen findet sich u. a. in der Wikisource.

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7 Kommentare

  1. Ich bin ja auch ein Fan von Geschichten über Bindung, auch wenn sie von Seiten der Trauer erzählt werden. Eine hingebungsvolle Lesung, die es ernst meint, auch visuell mit Bedacht gestaltet, technisch ohnehin wieder vorbildlich.

  2. Perlen, genug fast für eine ganze Kette: Zunächst das erwähnte Werk “Schlange im Wolfspelz” von Michael Maar, ein unfassbar lehrreiches und unterhaltsames Sprach-Buch; sodann diese anrührende kleine Geschichte des Johann Peter Hebel; und schließlich Wolfgang Tischers Lesekunst, die das “Unverhoffte Wiedersehen” zum Hörgenuss werden lässt. Angesichts all dieser Perlen empfinde ich Dankbarkeit als Leser wie auch als Hörer!

  3. Lieber Herr Tischer, herzlichen Dank für Ihre schöne Lesung von Johann Peter Hebels „Unverhofftes Wiedersehen“. Jahrelang habe ich nach dieser Geschichte gesucht, ich hatte sie mir sehr wohl ins Gedächtnis geprägt, aber den Autorennamen und den Titel der Geschichte vergessen. Die geniale Zeitblende von Hebel: „Unterdessen wurde die Stadt Lissabon durch ein Erdbeben zerstört…“ aber war mir unvergesslich, und ich habe sie begeistert in meinem Roman IM AUGENBLICK DER FREIHEIT als Hommage an Hebel eingebaut:
    „Eine Woche vor Weihnachten flog Rebecca nach Amerika…Im Mittleren Osten, dem ‚Reich des Bösen‘ machten sich in der Zwischenzeit Tausende von Ledernacken auf die Jagd nach dem ‚Feind im Schatten‘ und verbreiteten Angst und Schrecken. … Sonny fuhr gegen seine Gewohnheit über die Weihnachtsfeiertage zu seinen Eltern an die Donau, weil seine Mutter im Sterben lag …Er sah den golden Wetterhahn auf der Dreifaltigkeitskirche sich im Wind drehen und konnte doch die endgültige Richtung nicht erkennen, während sechstausend Kilometer weiter westlich die ‚Fürsten der Finsternis‘ daran gingen, mit einer Lügenkampagne neue Kriege vorzubereiten. Zur gleichen Zeit verbrachte Gottfried mit einer alten Bekannten, die er sich nach langer Zeit wieder erschlossen hatte, ein paar erotische Wandertage in Südtirol…“
    Ich gebe zu, die Gefühle sind hier nicht so rein wie bei Johann Peter Hebel, auch sind hier nur sechs Wochen und nicht sechzig Jahre zu überbrücken, die Erinnerung an Johann Peter Hebel aber hat mich beim Schreiben beflügelt und ich hoffe, der eingeweihte Leser weiß dies zu schätzen.
    Herzliche Grüße Burghard Schlicht

  4. Habe hier nichts Eigenes, sondern aus einem der besten Bücher des Jahres 2020, Ralf Rothmanns Short-Story-Sammlung “Hotel der Schlaflosen”: I.d. Kurzgeschichte “Der Wodka des Bestatters” trifft ein alter, saufender, total heruntergekommener Bestatter sehr unverhofft auf die im Kohlenflöz IN VITRIOL, so wird gemutmaßt, konservierte Leiche seines Vaters, der dort noch vor seiner Geburt ums Leben gekommen war – und stirbt selbst in der gleichen Nacht. Grandiose Hommage an Hebel und an den Ruhrpott, wo vor wenigen Jahre die letzte Zeche – ja, genau die, Prosper Haniel schloss.

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