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Literaturnobelpreis 2025 geht an László Krasznahorkai

László Krasznahork im Jahre 2013 bei einer Veranstaltung des PEN America (Quelle: YouTube)
László Krasznahorkai im Jahre 2013 bei einer Veranstaltung des PEN America (Quelle: YouTube)

Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai erhält den Literaturnobelpreis des Jahres 2025. Die Schwedische Akademie entschied sich diesmal für einen Preisträger, der auch in den Wettbüros hoch gehandelt wurde. Die Begründung der Schweden ist knapp und mehrdeutig.

Die Begründung der Akademie

Liest man auf der Website des Nobelpreises die Pressemeldungen zu den Gewinnern des Chemie- oder Physik-Nobelpreises durch, so werden deren Verdienste und Forschungen ausgiebig erläutert. Vielleicht auch deshalb, weil sie die wenigsten verstehen.

Die Pressemeldung zur Verleihung des Literaturnobelpreises an den ungarischen Schriftsteller László Krasznahorkai ist jedoch nicht länger als das Statement von Mats Malm, dem Ständigen Sekretär der Schwedischen Akademie.

So lautet die Mitteilung kurz und knapp: Der Literaturnobelpreis geht 2025 an László Krasznahorkai »for his compelling and visionary oeuvre that, in the midst of apocalyptic terror, reaffirms the power of art«, also für sein fesselndes und visionäres Werk, das inmitten apokalyptischen Schreckens die Kraft der Kunst bekräftigt. Ergänzt wird dieser Satz an anderer Stelle auf der Website durch biblio- und biografische Angaben.

Die Formulierung »inmitten apokalyptischen Schreckens« lässt sich dabei auf mehreren Ebenen lesen. Einerseits beschreibt sie Krasznahorkais literarisches Werk selbst, das sich immer wieder mit Untergang, Gewalt und düsteren Visionen auseinandersetzt. Andererseits könnte die Begründung auch als Kommentar zur aktuellen Weltlage verstanden werden – eine Zeit globaler Krisen, Kriege und politischer Umbrüche. In diesem Kontext gelesen würde die Akademie einen Autor ehren, dessen Literatur gerade in einer von Erschütterungen geprägten Gegenwart die Bedeutung der Kunst als Gegenkraft bekräftigt.

Der Preis ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (etwa 970.000 Euro) dotiert. Mats Malm berichtete, man habe den Autor telefonisch in Frankfurt erreicht, wo er sich gerade aufhalte.

War es eine Überraschung?

Nicht ganz, obwohl der ewige Favorit Haruki Murakami wieder einmal leer ausging. Doch auch László Krasznahorkai stand bei den Buchmachern Ladbrokes mit einer Quote von 10:1 gemeinsam mit Can Xue an der Spitze der Favoritenliste. Damit war er einer der aussichtsreichsten Kandidaten – ein Umstand, der in unserem Beitrag im Vorfeld mit etwas Ironie als eher schlechtes Zeichen gewertet wurde, diesmal aber nicht zutraf. Die Schwedische Akademie, die in den vergangenen Jahren für ihre Unberechenbarkeit bekannt war, wählte erstmals seit Längerem einen der Top-Favoriten. »Dieser Mann hat den Nobelpreis verdient«, schreibt Andreas Platthaus von der FAZ.

Wer ist László Krasznahorkai?

László Krasznahorkai wurde am 5. Januar 1954 in Gyula, einer kleinen Stadt im Südosten Ungarns nahe der rumänischen Grenze, geboren. Sein literarischer Durchbruch gelang ihm 1985 mit dem Roman Sátántangó, der später vom Regisseur Béla Tarr in einen siebenstündigen Film umgesetzt wurde. Das Werk schildert in düsteren Bildern das Leben einer verzweifelten Gruppe von Menschen auf einer verlassenen Kolchose im ländlichen Ungarn kurz vor dem Fall des Kommunismus.

International bekannt wurde Krasznahorkai durch Melancholie des Widerstands (1989), der 1993 den Preis der SWR-Bestenliste erhielt. Die Autorin und Literaturkritikerin Susan Sontag bezeichnete den Autor als den »zeitgenössischen ungarischen Meister der Apokalypse«. Der deutsche Schriftsteller W. G. Sebald lobte die »Universalität von Krasznahorkais Vision«.

2015 erhielt Krasznahorkai als erster ungarischer Autor den Man Booker International Prize. Seither galt er als aussichtsreicher Kandidat für den Nobelpreis.

Stil und Werk

Krasznahorkai gilt als großer epischer Schriftsteller in der mitteleuropäischen Tradition von Kafka bis Thomas Bernhard. Seine Romane sind bekannt für extrem lange, mäandernde Sätze und philosophische, oft düstere Inhalte. Die Kritikerin AL Kennedy beschrieb seine Satzstrukturen als »die verrücktesten, die ich je gelesen habe« – gleichzeitig seien seine Werke »lustig, tragisch, verstörend und zutiefst freudvoll – oft gleichzeitig«.

In späteren Werken wie Seiobo auf Erden wandte er sich verstärkt asiatischen Themen zu und entwickelte eine kontemplativere Tonlage. Eine wichtige künstlerische Partnerschaft verband ihn seit 1985 mit dem Filmregisseur Béla Tarr, mit dem er mehrere Filme realisierte, darunter Satanstango (1994) und Werckmeister Harmonies (2000).

Werke in deutscher Übersetzung

Die meisten Werke Krasznahorkais sind auf Deutsch im S. Fischer Verlag erhältlich, darunter Satanstango, Melancholie des Widerstands, Krieg und Krieg, Seiobo auf Erden, Baron Wenckheims Rückkehr (ausgezeichnet mit dem National Book Award 2019) und zuletzt Herscht 07769 (2021), ein Roman über Neonazis in Thüringen. Die deutschen Übersetzungen stammen vor allem von Christina Viragh und Heike Flemming. Zuvor erschien László Krasznahorkai im Ammann Verlag.

Der irische Schriftsteller Colm Tóibín setzte sich besonders für die Verbreitung von Krasznahorkais Werk im englischsprachigen Raum ein und gründete eigens einen Verlag, um ihn zu publizieren. »Es war ein Skandal, dass László Krasznahorkai überhaupt nicht verlegt wurde«, sagte Tóibín.

Ein Preis für schwierige Literatur

Mit der Wahl von László Krasznahorkai ehrt die Schwedische Akademie einen Autor, dessen Werk als anspruchsvoll und kompromisslos gilt. Seine Romane sind nicht leicht zugänglich – sie fordern Geduld und Konzentration. Die Akademie setzt damit ein Zeichen für eine Literatur, die sich nicht dem Mainstream anbiedert, sondern eigene, radikale Wege geht.

Die feierliche Überreichung des Nobelpreises findet am 10. Dezember 2025 in Stockholm statt.

Wolfgang Tischer

Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags wurde der Nobelpreisträger stellenweise des »AI« beraubt, was nicht an der AI lag, sondern an einem Kopierfehler auf einem Mobilgerät aufgrund der ungarischen Schreibweise. Der Mann heißt László Krasznahorkai und nicht László Krasznahork. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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