Das literaturcafe.de präsentiert Ihnen in Zusammenarbeit mit der Autorin E. M. Jungmann zu Halloween eine Horrorgeschichte, die garantiert nichts für zart besaitete Gemüter ist.
Die über 35minütige Hörfassung der Erzählung »Karnivoren« aus dem gleichnamigen E-Book, können Sie kostenlos als MP3-Hörbuch zum privaten Gebrauch herunterladen. Das Hörbuch ist eine Produktion des literaturcafe.de, der Sprecher ist Wolfgang Tischer.
Insgesamt sieben Kurzgeschichten finden sich im E-Book »Karnivoren« von E. M. Jungmann, das derzeit exklusiv als Kindle-E-Book für 2,99 Euro erhältlich ist. Dank der kostenlosen Kindle-Lesesoftware kann das Buch auf nahezu allen Computern und Lesegeräten angezeigt werden.
Lesen Sie hier den Anfang der Titelgeschichte. Den Download-Link zur kostenlosen Hörfassung und den Player, um die Geschichte alternativ auch direkt anzuhören, finden Sie nach dem Textausschnitt. Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung – und warnen dennoch, denn die Geschichte hat es in sich.
E. M. Jungmann
Die Autorin
E. M. Jungmann wurde nahe München geboren, bereits in den frühen Siebzigern verschlug es sie nach Baden-Württemberg, wo sie seither lebt. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zur Science-Fiction, später auch zum Horror. Es ist das Mystische, das sie an diesen Genres reizt.
So entstanden in den letzten Jahren ein Fantasy-Roman (Das Herz des Abwûn) und zahlreiche Kurzgeschichten aus dem Bereich der Fantastik. Diese Kurzgeschichten fanden schließlich 2011 in der Anthologie »Karnivoren – Vom gelebten Irrsinn« ihren Platz.
Daneben Veröffentlichungen in diversen Anthologien und kleinere Texte in Foren. Derzeit arbeite sie an einem Science-Fiction-Roman.
Zur Website von E. M. Jungmann
Karnivoren
von E. M. Jungmann
Das erste Erwachen war das erschütterndste. Niemand von uns hatte auch nur die geringste Ahnung, wie wir auf diese Insel gekommen waren.
Nach großer anfänglicher Verwirrung und den absurdesten Mutmaßungen darüber, was uns widerfahren sein mochte, einigten wir uns darauf, dass wir wohl allesamt ins Koma gefallen waren und uns nun in einem abstrusen, gemeinschaftlichen Traumgebilde befanden. Das machte es uns zunächst erträglich, uns in unserer Situation zurechtzufinden. Als aber Monat um Monat verging und nach fast einem Jahr die ersten Kinder geboren wurden, stellten wir diese Theorie infrage.
Nun hätten wir uns abermals darin ergehen können, unsere Energien der Frage zu widmen, wie und warum wir auf diese Insel gekommen waren. Aber wenn Menschen von solchen Sorgen heimgesucht werden wie wir damals, nehmen sie sich nicht die Zeit sich zu wundern, wie sie in die Situation hineingeraten sind. Sie beschäftigen sich vielmehr damit, wie sie mit ihr zurechtkommen können. Es gibt Dringlicheres als Schuldige zu suchen – wenn man Hunger hat. Und wir hatten Hunger. Unbarmherzigen, alles beherrschenden, quälenden Hunger. Immer.
Wir kratzten das Moos von den Felsen und aßen es. Wir sammelten Insekten und stopften sie uns in die Münder. Wuchs irgendwo eine Frucht, ernteten wir sie, schnitten sie in feine Scheiben, um eine nach der anderen zu verspeisen, wenn sie nur irgend genießbar war. Wir trockneten ihre Samen. Keine Beere, kein noch so kleiner Pilz wurde von uns verschmäht. Was uns nicht unmittelbar krank machte, wurde als Nahrung klassifiziert und verschwand fortan in unseren Mägen. Algen, die an Land gespült wurden, aßen wir, Schnecken, Würmer, die sich nach dem Regen aus der Erde wanden. Pflanzen wurden ausgegraben, deren Wurzeln gekostet und nach Bekömmlichkeit katalogisiert. Die Schoten an den Bäumen ebenso. Vom ersten Morgengrauen eines jeden Tages bis zu dessen Sonnenuntergang waren wir damit beschäftigt, die Insel nach Essbarem zu erkunden. Jahre vergingen auf diese Weise – drei, vier, fünf –, verliefen so zäh und gleichartig wie die Nahrungssuche selbst. Vielleicht würde es für immer so bleiben.
Wir waren auf diesem gottvergessenen Eiland gefangen. Nie war je ein Schiff am Horizont zu sehen gewesen, nie ein Flugzeug am Himmel. Es gab keine Fische im Wasser und keine Säugetiere und Vögel oder Reptilien an Land. Doch nicht nur unsere Umgebung, auch das Firmament schien fast leer zu sein. Nur selten sah man mehr als ein paar Dutzend Sterne leuchten. Hätte nicht der vertraute Mond an seinem Platz gestanden, der uns mit seinen Phasen bald als Himmelskalender diente, wir wären zu dem Schluss gelangt, uns nicht mehr auf der Erde zu befinden. Es war, als lebten wir in einer auf uns selbst reduzierten Umgebung, einer Art künstlichem Abschnitt. Wir waren Gottes vergessene Kinder, ausgesetzt am Rande der bewohnten Welt.
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E.M. Jungmann: Karnivoren – Vom gelebten Irrsinn. Kindle Edition. 2011. 2,99 Euro. (Download bei Amazon.de)
Hinweis: Hörfassung nur zum privaten Gebrauch. Kommerzielle Nutzung, Aufführung, Sendung oder Weiterverbreitung nur mit Genehmigung des literaturcafe.de zulässig.
Media-Datei: Herunterladen (Wiedergabedauer: 38:30 — 17.7MB)
Ich bin begeistert und erschüttert, der kalte Schauer legt sich erst langsam und zeugt von einer ganz tiefen Betroffenheit hinsiuchtlich der beschriebenen Prozesse in einer bestimmten Umgebung in der aufeinmal sich eine ganz andere und doch nich unrealistische Wertediskussion zeigt. Interessant in den Augen eines Menschen, der sich der Deeskalation von Gewalt verschrieben hat. Der Beitrag hält einen Spiegel bereit und fragt, wie einst – nach 1945 – welcher Preis zu zahlen ist und von wem, um dem Pflänzlein Menschlichkeit eine Chance zu geben.