Wellers Wahre Worte am Café Tisch
August 2001 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


Wollt ihr den totalen Rabatt?
Klug gefeilscht ist ganz gewonnen - Der finanzielle Steg zur Freiheit
Wilhelm Weller


Nachdem am 29.06.2001 vom Bundestag (nur!) mit den Stimmen der rot-grünen Koalition und der FDP das aus der Nazi-Zeit stammende Rabattgesetz ersatzlos gestrichen wurde, kann endlich ab dem 1. August grenzenlos um jeden Preis gefeilscht werden.
     Sicherlich ein erster und wichtiger Schritt hin zu einer modernen Wettbewerbspolitik.
     Die alte Kulturtechnik des Feilschens muss in diesem Land jedoch von der Pike auf neu gelernt werden. Schließlich haben viele Jahrzehnte staatlicher Überregulierung die Fantasie und auch das handwerkliche Geschick des sich in Kauf und Konsum selbstverwirklichenden Deutschen verkümmern lassen.

Folgen Sie daher den im Folgenden vorgestellten Grundsätzen erfolgreichen Feilschens und üben Sie die einzelnen Schritte täglich. Reichtum, Ruhm und Glück werden Ihr Lohn sein!

Achtung:
Unsere 15 Schritte eignen sich zum Teil zwar auch für spontane Aktionen, zumindest bei größeren Anschaffungen empfiehlt sich aber ein vorausschauendes, planmäßiges Vorgehen.

Ausgangssituation:
Heute oder in den vorangegangenen Tagen haben Sie etwas erspäht, was Sie unbedingt und unbedingt günstig haben möchten.

  1. Nähern Sie sich dem Verkäufer »en passant«, scheinbar wie durch Zufall. Auch wenn es Ihnen schwer fällt:
    Lassen Sie zu Beginn keinerlei Interesse an dem angebotenen Produkt erkennen. Fragen Sie gegebenenfalls nach der Uhrzeit oder lassen Sie sich Feuer geben.

  2. Mit Blick auf das Produkt erwähnen Sie beiläufig, dass Sie exakt das Gleiche vor kurzem bei einem anderen (nicht genannten!) Anbieter gesehen hätten - zu einem Bruchteil des hier genannten Preises.

  3. Auch wenn man Ihnen antworten sollte, dass dies völlig ausgeschlossen sei: Vertreten Sie Ihre Behauptung selbstsicher, notfalls auch mit aller Härte und Deutlichkeit.

  4. Sind Sie zu zweit, könnte in diesem Moment Ihr Kumpel hinzukommen - als scheinbar neutraler Passant. Er wird Ihre Aussage bestätigen und dabei Stein auf Bein schwören. Geben Sie dem Verkäufer das Gefühl, dass er ein unanständiger, wuchernder Halunke sei.

  5. Mit geübtem Blick werden Sie schnell diverse Mängel an dem Produkt bemerken. Diese brauchen mit bloßem Auge nicht einmal sichtbar zu sein. Entscheidend ist allein Ihr Gefühl bzw. Ihre innere Stimme.

  6. »Aber da ist nichts, überhaupt nichts!« Solche Verteidigungsversuche des Verkäufers sollten Sie nicht beirren. Im günstigsten Fall liegen bei ihm Wahrnehmungsstörungen vor.

  7. Lässt der Verkäufer nun erste Anzeichen von Unsicherheit erkennen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Erwähnen Sie beiläufig, dass Sie als Journalist für verschiedene kritische Verbrauchermagazine arbeiten.

  8. Spätestens jetzt sollte Ihr Gegner Ihnen das Produkt mit deutlichem Preisnachlass anbieten. Bleiben Sie aber hart. Sie sollten keinen Pfennig zu viel bezahlen.
    Folgende Affirmation hat sich in der Praxis als hilfreich erwiesen: »Dieses Produkt gehört MIR, dieses Produkt gehört allein MIR.«

  9. Nach etwa 3 Minuten sollte diese still in sich hineingesprochene und wiederholte Affirmation zur Gewissheit geworden sein: Das Produkt gehört jetzt IHNEN!

  10. Der angebotene Rabatt ist aus diesem Grund für Sie völlig inakzeptabel. Bleiben Sie dennoch ruhig und versuchen Sie, die schwierige Situation gütlich zu regeln. Könnten Sie nicht zur wachsenden Zahl von Gerhard Schröders Cousins und Cousinen zählen? Jedes Geschäft verweist gerne auf seine prominenten Kunden.

  11. Bei einem niedrigpreisigen Produkt sollten Sie nun am Ziel sein: Man wird es Ihnen gerne kostenlos überlassen.
    Bei höher- oder hochpreisigen Produkten müssen Sie eventuell die Schritte 2 und 5 und vor allem 7 und 10 mehrfach wiederholen. Tun Sie dies mit allem Nachdruck, da Sie aus ethischen Gründen jede unnötige Eskalation vermeiden wollen.

  12. Wird man Ihnen die freiwillige Herausgabe IHRES Produktes weiterhin verweigern, sollten Sie höflich aber bestimmt an Ihre sizilianischen Freunde erinnern.
    Bekanntlich gebietet deren Ehrenkodex, auch den Freunden ihrer Freunde »Schutz« zu gewähren.

  13. Was tun, wenn solche gut gemeinten Hinweise auf taube Ohren treffen? In solchen Fällen hilft leider nur noch eine (möglichst unauffällig!) mitgeführte Waffe weiter.
    (Tipp: Die Beretta 96G Elite ist zwar teuer, gilt aber unter Experten bei Rabattstreitigkeiten als Standard.)

  14. Weder Sie noch Ihr Gegenüber haben bislang gegen das (abgeschaffte) Rabattgesetz verstoßen.
    Genau genommen wurden Sie am Ende jedoch durch einen eklatanten Mangel an Kundenfreundlichkeit - wider Ihren Willen - zu einem Verstoß gegen das Strafgesetz genötigt! Beugen Sie daher durch ein umsichtiges Vorgehen (Fluchtwege? Feuerschutz?) möglichen Risiken vor.

  15. Zu guter Letzt: Viel Spaß an Ihrem Schnäppchen!

wünscht Wilhelm Weller

Weiter Links zum Thema finden Sie unter wahre-worte.de


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