August 2000 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller
Das Literarische Quartett in der Krise Was sich liebt, das neckt sich | |
WW: Herr Reich-Ranicki, zunächst danke ich Ihnen, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Haben Sie sich zuvor schon einmal mit Literatur im Internet beschäftigt? RR: Schauen Sie, ich bin ein alter Mann. Das ist nichts mehr für mich. Das sollen die Jungen machen, nein, ich brauche etwas in den Händen, Seiten zum blättern. Wenn Sie so wollen, das hat auch mit Erotik zu tun. Aber Ihre Enthüllungsgeschichte über die Kohl-Spende, das hat mir ein Bekannter ausgedruckt, also wirklich, das war gut. Das gehörte eigentlich auch in die FAZ oder in die ZEIT. WW: Ihr Kompliment ehrt mich, danke! Aber eigentlich will ich mit Ihnen über die Zukunft des »Literarischen Quartetts« sprechen. Sie wissen, dass Frau Löffler das Quartett für erledigt hält? RR: Ja, ich habe das gelesen. Was soll ich dazu sagen? Das ist einfach falsch gelaufen. Wissen Sie, beim Streiten über ein Buch, da kann auch mal ein spitzes Wort fallen. Das ist normal. Diese Geschichte mit dieser Illustrierten, na, wie heißt die noch mal, Bunte, ja, BUNTE, also das, Lieber, so etwas habe ich noch nie erlebt. Die drehen einem das Wort im Mund um. WW: Sie meinen die Äußerungen, durch die sich Frau Löffler verletzt fühlen konnte? RR: Ich habe diesem Menschen, Sahner heißt er, gesagt: »Die Zusammenarbeit mit ihr ist meine Wahl«. Und was macht der daraus? »Die Zusammenarbeit mit ihr ist eine Qual.« Natürlich habe ich Frau Löffler 1988 für diese Sendung vorgeschlagen, das war klar, dass das ein spannungsreicher und interessanter Kontrast sein sollte. WW: Sie sollen auch gesagt haben: »Das ist ein widerliches, niederträchtiges Weib.« RR: Lieber, wofür halten Sie mich denn, meinen Sie im Ernst ich bringe das über die Lippen? Nein, ich habe wortwörtlich gesagt: »Das ist ein wirkliches, das ist ein wirklich beträchtliches Weib.« Alles haarsträubende Entstellungen, da werden aus Komplimenten Beleidigungen gemacht. Das sind Leute, die schüren Konflikte und schlachten das aus. Denen geht es nur um die Auflagenhöhe. Ich habe mir das überlegt, das Interview mit Ihnen. Das soll ein Zeichen sein. Solange die mir ständig etwas in den Mund legen, sollen sie sich andere suchen. Der Karasek redet ja auch gern. WW: Herr Reich-Ranicki, eine Überraschung halten auch wir bereit. Wir möchten jetzt gerne Frau Löffler in dieses Gespräch einbeziehen. Sie hat unser bisheriges Gespräch mitverfolgen können und wird jetzt hinzugeschaltet. RR: Na also, na, das hätten Sie mir aber gleich sagen sollen. Wissen Sie, ich meine, ich habe ja nichts dagegen, aber darauf war ich nicht vorbereitet. WW: Wir sind davon überzeugt, dass Ihr Konflikt mit Frau Löffler letztlich auf Missverständnissen beruht, die man aus der Welt schaffen kann. Und die Zukunft des »Literarischen Quartetts« scheint uns diesen etwas ungewöhnlichen Versuch wert zu sein. SL: Das hat mich doch sehr berührt, was Herr Reich-Ranicki vorher sagte. Natürlich hatten mich diese Formulierungen getroffen. Es erleichtert mich, dass er diese Aussagen nun deutlich dementiert hat. Schockiert bin ich über die Methoden der Krawallpresse, denen offenbar ich und mein Kollege zum Opfer fielen. RR: Werte Frau Löffler, damit sprechen Sie mir aus dem Herzen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich diese Entwicklung bedauert habe. WW: Frau Löffler, Sie haben in Ihrem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung auch einen »medialen Amoklauf« und eine »mediale Inkontinenz« beklagt .... RR: Na, na, das werden Sie doch nicht auf mich... SL: Ich war selbst erschrocken, als ich das las. Ich hatte von einer medialen Inkonsequenz gesprochen. Offenbar hat der Setzer mein Wort verfremdet. Auf keinen Fall wollte ich damit auf das Alter von Herrn Reich-Ranicki anspielen. Schließlich weiß ich, dass er außer seiner Neigung zum Blutdruck doch ein recht rüstiger, älterer Herr ist. RR: Liebe Frau Löffler, lassen wir das doch, spielt doch alles keine Rolle. Sprechen wir über unsere gemeinsame Liebe, sprechen wir über die Literatur. WW: Davon wollte auch ich sprechen. Ihr Streit in der letzten Sendung des »Literarischen Quartetts« entzündete sich an dem Roman »Gefährliche Geliebte« von Haruki Murakawi. Frau Löffler, könnte es sein, dass Sie zu Literatur aus dem asiatischen Raum einfach keinen rechten Bezug haben? RR: Halt, Einspruch, Lieber. Wenn Sie Autoren und Titel zitieren, tun Sie das bitte korrekt. Der Verfasser dieses vorzüglichen Buchs heißt Murakami. Außerdem ist das Schnee von gestern. Darüber will ich nicht weiter diskutieren. Wissen Sie, was ich jetzt während meines Urlaubs lese? Ein gutes Buch, leider völlig verkannt: »Emmanuelle oder Die Schule der Lust« von der Arsan. Schlecht verfilmt, ich weiß, ich weiß. Aber können Sie mir einen guten Roman nennen, der einen kongenialen Regisseur gefunden hat? SL: Lieber Reich-Ranicki, das Meinen Sie doch nicht im Ernst? Sie sprechen von Pornographie und nicht von Literatur! Ich hoffe doch sehr, dass Sie diesen Unterschied respektieren können. Wenn Sie nach erotischer Literatur dürsten, geschrieben von Frauen, kann ich Ihnen bessere Beispiele nennen. RR: Dann tun Sie das doch! SL: Johanna Spyri kennen Sie? Ihre »Heidi« wird oft als bloßes Kinder- und Jugendbuch missverstanden. Dabei stellt das erotische Spannungs- und Dreiecksverhältnis zwischen Klara Sesemann, dem Geißen - Peter und Heidi vieles in den Schatten, was heute reißerisch aufgemacht als sexuell-literarischer Fastfood in den Regalen steht. Da wird Nähe, auch erotische Nähe, behutsam entwickelt, während dort bereits auf der ersten Seite kopuliert wird. RR: Liebe Frau Löffler! Sie machen mich sprachlos. Was soll ich dazu noch sagen? WW: Verzeihen Sie beide, wenn ich mich an dieser Stelle einmische. Ist es denkbar, dass Sie sich auch deswegen gerne aneinander reiben, weil eine gewisse Anziehung zwischen Ihnen besteht? Vielleicht gestatten Sie, Frau Löffler, dass ich zitiere, was Sie vor einiger Zeit über ihr Verhältnis zu Marcel Reich-Ranicki äußerten: »Es gibt eine Erotik des Zusammenarbeitens, eine Erotik des Miteinander-Redens. Der Eros fängt ja nicht im Bett an und hört auch nicht im Bett auf.« RR: Interessant, ich wusste gar nicht, dass Sie das so sahen. Wenn ich ehrlich bin, liebe Kollegin, ja, meine Kritik kann schon einmal verdecken, dass ich Sie für eine ganz patente Frau halte. Warum siezen wir uns überhaupt noch, nachdem wir schon seit 12 Jahren zusammenarbeiten? SL: Herr Reich-Ranicki, Marcel, ich denke, das ist im Moment nicht der geeignete Rahmen, um über Gefühle zu sprechen. WW: Das kann ich verstehen. Unsere Leser werden wissen wollen, ob wir Sie beide am 18. August wieder vereint im »Literarischen Quartett« sehen können. Diesmal soll es ja aus Salzburg übertragen werden. RR: Lieber, von Salzburg kann mich allenfalls der Haider aber nicht die Frau Löffler fern halten. Also für mich ist das überhaupt kein Problem. SL: Nachdem in diesem Gespräch vieles geklärt werden konnte, stellt sich die Situation nun doch ganz anders dar. Ja, ich werde wieder daran teilnehmen. Vorausgesetzt, Herr Reich-Ranicki nötigt mich vorher nicht zur Lektüre von »Emmanuelle«. RR: Warum eigentlich nicht? WW: Ich danke Ihnen beiden für Ihre Bereitschaft zu diesem Gespräch. Unsere Leser und nicht nur sie werden erleichtert sein, dass das »Literarische Quartett« erhalten bleibt. Ihr Wilhelm Weller |