Wellers Wahre Worte am Café Tisch
März 2002 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


Tragen Sie eine Perücke, Herr Schroeder?
In einem exklusiven Interview tritt der Kanzler neuen Spekulationen entgegen
Wilhelm Weller


Der Wahlkampf macht es möglich.
     Nachdem sich im Februar Edmund Stoiper zu einem telefonischen Interview mit »Wahre Worte« bereit erklärte, mochte nun auch der Mann, der sich Kanzler nennt, nicht abseits stehen.
     In einem am 1. März geführten Kurz-Interview gab uns Gerhard Schroeder am Telefon Auskunft zu aktuellen Fragen rund um seine Haare.

Zwei Jahre nach ihrem Bestehen werden die virtuellen »Wahren Worte« also mehr und mehr von den VIPs als wirksame Plattform zur Selbstdarstellung wahrgenommen. Ein Grund für unsere zunehmende Beliebtheit als »Internet - Talker« könnte der unseren Gesprächspartnern gezollte Respekt sein. Eine seltene Tugend, die im Konkurrenzmedium Fernsehen eigentlich nur noch von Alfred Biolek gepflegt wird.

WW: Herr Schroeder, warum möchten Sie ausschließlich als Privatperson von uns befragt werden, lässt Sie eine enttäuschende Erfolgsbilanz das Politische meiden?

Schroeder: Überhaupt nicht, dazu besteht auch kein Grund. Nein, es geht doch darum, dass durch gezielt in Umlauf gebrachte Gerüchte meine politische Glaubwürdigkeit geschädigt werden soll. Das ist eine Kampagne des politischen Gegners, der man entgegentreten muss.

WW: Warum geben Sie dabei uns den Vorzug und nicht einem klassischen Boulevardblatt, zum Beispiel »Bild« oder »Bunte«?

Schroeder: Mir gefällt Ihr journalistischer Anspruch. Vielen anderen Medien geht es doch nicht mehr um Seriosität und Wahrheit, sondern nur noch um Effekthascherei.

WW: Das freut uns. Nun aber zur Sache, Herr Schroeder. Wie es scheint, verstehen Sie bei Ihren Haaren keinen Spaß. Sie drohen jedem mit Anzeige, der öffentlich über Ihre getönten Schläfen spekuliert. So wird am 12. April vor dem Hamburger Landgericht wegen einer entsprechenden Meldung gegen die Nachrichtenagentur ddp verhandelt.

Schroeder: Schauen Sie, es geht dabei doch nicht um Eitelkeit. Wie ich schon sagte: Man versucht, meine politische Glaubwürdigkeit zu untergraben. Wer färbt, der fälscht, das ist doch die Unterstellung. Sie müssen verstehen, dass ich das nicht hinnehmen kann. Denken Sie an den Imageschaden, den Johann Mühlegg als Dopingsünder erlitten hat. Mit diesem Klatsch soll ich, um im Bild zu bleiben, als gedopter Kanzler hingestellt werden.

WW: Ihr tiefdunkles Haar gleicht einem kleinen, dermatologischen Wunder, immerhin sind Sie 57 Jahre alt. Müssen Sie der Öffentlichkeit Spekulationen da nicht zubilligen?

Schroeder: Soll ich denn meine Haare grau färben, um Spekulationen zu vermeiden?

WW: Keine üble Idee! Am 17. April wird der attraktiv ergraute Schauspieler Richard Gere im Bundestag auftreten. Warum überraschen Sie die Öffentlichkeit an diesem Tag nicht mit einem tagesmodisch angepassten Outfit?

Schroeder:Das meinen Sie doch nicht im Ernst!

WW: Herr Schroeder, auch der »Guardian«, der »Daily Express« und weitere britische Zeitungen, sogar BBC haben sich zuletzt des Themas bzw. Ihrer Haare angenommen. Wäre es bei wachsender internationaler Aufmerksamkeit nicht angebracht, ausufernden Spekulationen durch einen schlüssigen, wissenschaftlichen Beweis entgegenzutreten, durch ein Echtheitszertifikat? Warum unterziehen Sie sich nicht einfach einer Haarprobe, ähnlich wie das Christoph Daum und Ronald Schill im Zusammenhang mit einem Kokainverdacht vorgemacht hatten?

Schroeder: Ich muss doch bitten. Ich weise jeden Vergleich mit den genannten Herren zurück. Im Übrigen hat Udo Walz diese Frage bereits mit großer, fachlicher Kompetenz beantwortet.

WW: Verzeihen Sie. Ich ahnte nicht, dass Sie bei diesem Thema empfindlich reagieren. Dennoch kann ich Ihnen eine weitere Frage nicht ersparen: Im Internet finden sich ernst zu nehmende Hinweise, dass sich unter »Ihrem« naturbraunen Haar eine Glatze verbirgt. Tragen Sie eine Perücke, Herr Schroeder?

Schroeder: Das..., Entschuldigung, für welches Magazin arbeiten Sie bitte?

WW: Oder ein Toupet?

Leider blieben im Rahmen dieses Interviews die letzten Fragen unbeantwortet. Möglicherweise waren die vorher mit dem PR-Berater von Gerhard Schroeder vereinbarten 10 Telefonminuten überschritten.
     Dass es sich bei »WW« nicht um die Wirtschaftswoche handelt, hatten wir unserer Erinnerung nach übrigens ausreichend deutlich gemacht.

Das Interview führte Wilhelm Weller

Weiter Links zum Thema finden Sie unter wahre-worte.de


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