BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
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Er sitzt
von Andrea Heinisch

gerne in der Warteschleife, wo die Rundung am rundesten ist, und macht sich ebenso gern (mit hoher Wahrscheinlichkeit) von der unteren Anschlussstelle aus in den Raum hinein bemerkbar. Er hinterlässt infolgedessen punktförmige Spuren, als ob er gehüpft wäre. Nur der wahre (geübte) R.- Kenner weiß, dass es (mehr oder weniger heftige) Einschusslöcher und nicht Abdrücke einer Spielerei sind. R. selbst pflegt sich keinesfalls, in keinem Fall eindeutig, zu seinen Aktivitäten zu äußern. Diese einmal vorgenommen, hat er ein Ergebnis gezeitigt, das in eben diesem Moment abgelaufen (beendet) ist, und wir wissen, dass er sich dann schleunigst zu den anderen, den Betrachtern gesellt und mitsamt seinem Bart wieder in seinem Bauch sitzt.

R. freut sich, dass er einen solchen Bart hat und gelegentlich schmunzelt er, aber nur wegen dieses Bartes, in den er (eben) hineinschmunzeln kann. Hätte er keinen Bart, würde er nie schmunzeln, möglicherweise (unter Umständen) grinsen, aber nie und nimmer schmunzeln. Allerdings, und das wollen wir nicht vergessen, verzichtet er gänzlich (eine Charaktersache) auf das schallende Gelächter der (Voll)Bartträger. Das macht ihm aber nichts aus, denn er ist überzeugt von sich, ein überzeugtes R sozusagen. Er verzichtet übrigens aus freien Stücken (in die er möglicherweise zerfallen könnte sonst) auf das schallende Gelächter, denn es brächte eine Erschütterung in das doch ein wenig fragile R. Man denke (R. hat genau das getan) an die fein gestaltete und genau anzuziel(treff)ende Verbindung von Strich (schräg) und Halbrund, das Ganze in wohlproportionierter Form an ein I, das dann keines mehr ist, gefügt. Unser R. ist ein intellektuelles R, wie wir sehen.

Ab und zu (Reiz-Reaktion) versteht er sich aufs Donnergrollen, insofern ist er ein typisches R und ein typischer (Voll)Bartträger. Dann ( kitzeln ist, vor allem wenn es sich um ein R handelt, perfid) kommt Bewegung in sein Oberteil, das ansonsten friedlich und eher bewegungsfern ist (wer will schon herunterpurzeln?). Es wölbt sich dann zu diesem Bauch, der bis zum Platzen gefüllt ist, nur sein Bausch und Bogen erinnern dann noch an die frühere (poetische?) Existenz als Schleife, und das entfremdete I und das eine, schräge Bein stanzen mitgerissen Löcher in den Boden, sodass selbst ein Blinder sehen (lesen) könnte, was jetzt los ist: R. ist gereizt und poltert durch die Landschaft. Nach einiger Zeit, da geht es R. wie einem Luftballon, ist aber die Luft (Überdruck) heraußen, er schrumpft zurück und nistet sich dann wieder wie gehabt, nur etwas erschöpft, ein und streicht sich nach einer Verschnaufpause über seinen Bart, weil er in Mitleidenschaft gezogen wurde und weil es sich so gehört.

R. weiß nämlich in den allermeisten Fällen, was sich gehört, was wohl auch mit seiner Musikalität zu tun hat. Wir haben ihn in der Tat hauptsächlich wegen dieser, seiner Musikalität R. genannt, weil ein Ton, der auf (eben) ein R fällt, auf ihm wie auf einer Wasserrutsche landen und im Gegensatz etwa zum D auch aufgefangen werden kann, wenn er, der Ton, nicht übertreibt und so ein zu hohes Tempo erreicht, als dass er noch aufgefangen (weitergeführt) werden könnte (woran das R aber gänzlich unschuldig wäre). Das R fängt den (bedacht) gemäßigten Ton auf (s)einem Bein auf und legt ihn rhythmisch in die Spur (Tonspur) zum nächsten, sofern es nicht, und um diese Möglichkeit, die das Wesen des R zwar zeitlich begrenzt, aber markant verändert, wissen wir bereits, gereizt ist. Und das gewährleistet (im Ausschnitt) ein wahres Klangerlebnis, wir sind fast geneigt, im Zusammenhang mit R. von einer klassischen Notwendigkeit für ein klassisches Klangerlebnis zu sprechen, und Sie werden uns zustimmen müssen, wenn Sie hinhören.

© 1999 by Andrea Heinisch. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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