New York - Ende 2003
Ein Tagebuch aus dem Praktikum in einer gro�en Stadt
Foto von New York

Teil 4 - 18.12.2003
New York »low budget«: auch ohne viel Geld sehr viel Spaß

New YorkDass New York eine der teuersten Städte der Welt ist, dürfte kein großes Geheimnis sein. Ebenso wenig, dass Praktikanten generell niemals wirklich Geld haben. Diese beiden Tatsachen sorgten bereits Wochen vor meiner Abreise für zahlreiche schlaflose Nächte, Kummerfalten auf meiner Stirn und das eine oder andere graue Haar mehr (an dieser Stelle großen Dank an den Erfinder der Haartönung...). Doch ich dachte mir: »Wo ein Wille, da ein Weg«. Und außerdem wusste ich, wenn ich eines in fünf Jahren Studenten-Dasein gelernt hatte, dann mit minimalem finanziellen Einsatz maximalen Lebensstandard zu erreichen.
     New York mag gemeinsam mit Tokio und London in den Top Drei der Luxus-Metropolen rangieren, doch mit etwas Kreativität und einer Nase für »low-budget-lifestyle« lässt es sich auch hier leben, wie die oft bemühte Made im Speck (oder in diesem Falle die Kakerlake in unserem low fat cream cheese...).

Essen
home sweet home: Klar, man kann natürlich versuchen, einen Tisch im »Nobu« zu bekommen - in einem der Restaurants, wo jene Persönlichkeiten dinieren, die »dazu gehören«. In diesem Falle sollte man sich schon mal auf eine sechswöchige Wartezeit einstellen, jeden Cent viermal umdrehen oder noch besser nach der einen oder anderen illegalen Tätigkeit Ausschau halten, um an schnelles Geld zu kommen und am Tag der Reservierung zu Hause New Yorknoch mal richtig reinhauen, um dann auch von drei Stück Sushi satt zu werden. Oder man bevorzugt home made cooking, kauft die Zutaten dafür in einem der vielen spanischen Supermärkte und schlägt am besten gleich mal bei den praktischen 10 Kilo family packs zu. Auf diese Weise lebten wir wochenlang von Pasta mit diversen Soßen - und das alles für ein paar läppische Dollar.
      Chinese food: Chinesisch hat gleich mehrere Vorteile: erstens sehr billig (sonst würde es auch nicht an dieser Stelle stehen), zweitens sehr große Portionen (dies kann unterschiedlich genutzt werden: entweder man stopft mit einem Mahl drei hungrige Mäuler gleichzeitig oder man zehrt alleine mehrere Tage davon - in diesem Falle jedoch kakerlakensicher verwahren :-). Weiteres Plus: der Chinese befindet sich gleich bei uns um die Ecke. Und eigentlich an jeder anderen Ecke New Yorks ebenso...
      No name statt Marke: Verzichtet auf Dunkin Donuts und Krispy Kreme, dreht Starbucks den Rücken zu und besucht Mc Donald's, Burger King et al. nur zu dem Zweck, um gratis Ketchup, Salz, Pfeffer, Zucker, Senf und Servietten mitgehen zu lassen! Bagels, Donuts und Muffins sowie Kaffee kauft man beim Mann an der Straße (und angelt sich auf diese Weise auch gleichzeitig seinen persönlichen coffee guy - ein »must have« - siehe Folge 2 »Echte New Yorker). Schmeckt besser, ist authentischer und sichert ein paar weitere Kröten...

Quality time activities
(steht für Freizeit; da man als New Yorker entweder einen Job mit 100 Stunden Woche hat oder gleich über zwei verfügt, um über die Runden zu kommen, wird die Zeit, die da noch übrig bleibt, wohl zu Recht als quality bezeichnet)
      The right connections: Wie überall sind auch hier die richtigen Beziehungen ausschlaggebend. Natürlich lernt man als Praktikant in den seltensten Fällen Donald Trump oder Bill Gates kennen (höchstens bei Bill Clinton hätte man vielleicht seine Chancen...), doch auch ein Netzwerk mit schlau ausgewählten anderen interns kann das Leben hier um einiges süßer machen. In unserem Falle ist Maren beispielsweise für alles zuständig, was Kultur betrifft. Als Museums-Praktikantin weiß sie nicht nur, wann was wo besprochen, ausgestellt oder eröffnet wird - sie kommt auch meistens bei all diesen Events gratis rein. Und wir somit auch J Ich hingegen decke den Bereich Nightlife ab. Medienleute sind bekanntlich überall gern gesehene New YorkGäste. Ich rangiere als Praktikantin natürlich an unterster Stufe und bin alles andere als ein umworbener Gast, mein big boss jedoch umso mehr. Oft hatte ich daher das Glück, ihr »plus one« zu sein oder überhaupt an ihrer Stelle auf den begehrten Listen zu stehen (und daher meine lieben WG-Kollegen zu »plus one's« zu machen). Manchmal reicht es aber auch schon zu wissen, dass etwas eröffnet wird und wo die Party abgeht. Mit etwas Glück gibt es gar keine Liste, oder keiner hat mehr Lust, sich darum zu kümmern und schon kann man mit arrogant gelangweilter Mine vor diversen Portraits oder Kunstwerken stehen, während man petit-fours und amouse geoul im Bäuchlein verschwinden lässt und das Ganze mit einem Gläschen Château Lafite Rothschild nachspült. (Übrigens: die Abendrobe für solche Gelegenheiten holt man sich am besten bei Bloomingdales...und bringt sie am nächsten Tag wieder zurück :-)
      Suggested Donations: Auch wenn man zu jenen Personen zählt, die ihre Freunde nicht aufgrund ihrer Machtposition sondern aufgrund ihrer inneren Werte auswählen (ähm...so, wie ich natürlich auch) und somit nicht über oben erwähnte Beziehungen verfügt, kann man auf günstige Weise seine kulturellen Erfahrungen erweitern. Viele Museen und andere Einrichtungen haben unter ihren Eintrittspreisen, das Wörtchen »suggested« stehen. Was bedeutet, man kann so viel bezahlen, wie man möchte - selbst wenn »Students 10 $« angegeben ist.
      Cinema: In vielen Kinos hier muss man seine Eintrittskarte nur am Haupteingang zeigen. Dann kann man sich erst den gewünschten Film ansehen und danach - falls man noch genügend Ausdauer hat - gleich noch beliebig viele andere dranhängen. Oder sich die bereits gesehene Schnulze gleich noch mal reinziehen. Wie ich es bei »Love actually« gemacht habe :-) Mmmmmmm. Hugh Grant...

Einkaufen
Canal Street: New York ist eine jener Städte, wo auch eine Platinum Card noch nicht ausreichen würde, um alle Wünsche zu erfüllen, die hier durch tausende Shops geweckt werden. Doch während wir die Auslagen der Fifth Avenue nur mit aus dem Mundwinkel hängender Zunge entlang schlendern, können wir in Chinatown Markenartikel ohne Ende kaufen. Gut. Die sind gefälscht oder gestohlen. Aber billig!
      Century 21: Eines der größten Marken-Outlets Manhattans befindet sich direkt am Ground Zero. Man benötigt zwar sehr viel Geduld und Nervenstärke, um sich sowohl durch Menschenmassen als auch durch Kleidungsstücke zu wühlen, aber meistens lohnt sich die Mühe.
      After Thanksgiving oder before Christmas: Am Tag nach Thanksgiving (also am letzten Freitag im November) öffnen alle Geschäfte bereits um sechs Uhr morgens und für Rabatte bis zu 70 Prozent hätte sogar ich mich so früh aus dem Bett gequält, hätte ich nicht ohnehin arbeiten müssen. Auch in der Woche vor Weihnachten gibt es hier bereits Ausverkauf. Warum? Das haben auch wir noch nicht durchschaut. Aber wen kümmert's?
     Also, verehrte Leser: worauf wartet ihr noch? New York kann auch ohne viel Geld sehr viel Spaß bedeuten!

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© Text und Bilder 2003 by Claudia Sebunk. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Claudia Sebunk, Publizistik-Studentin an der Universität Wien, befand sich Ende 2003 im Alter von 26 Jahren in New York, wo sie für drei Monate als Praktikantin in einer Fotoagentur arbeitete. In dieser Zeit schilderte sie Woche für Woche ihre Eindrücke im Literatur-Café schildern.

Wozu ein Praktikum? Einerseits um die nach Studienabschluss mit großer Sicherheit folgende traurige Periode der Arbeitslosigkeit zumindest um einige Wochen hinauszuzögern; andererseits um die Lücken jener ominöser Liste namens »Was ich in meinem Leben schon alles erreicht habe«, die jeder, der kurz vor seinem 30. Geburtstag steht, gezwungen ist, aufzuzählen, zumindest durch »Auslandserfahrung« aufzufüllen, nachdem Punkte wie Job, Haus, Hund, Mann, Kind nach wie vor durch Abwesenheit glänzen und bis zu oben erwähnten Datum auch nicht unbedingt zu erwarten sind.

Mit wem? Nachdem sie 2002 das selbe Abenteuer schon einmal, jedoch alleine, gewagt hatte, entschloss sie sich dieses Mal für eine Dreier-Konstellation (bitte schlüpfrige Witze an dieser Stelle bei Bedarf selbständig einfügen) und lebt nun mit einem Pärchen, bestehend aus zwei weiteren Praktikanten in New Yorks East Village.

Warum New York? Die Mieten rangieren in Höhen, die nur noch schwindelfreie Menschen zu erklimmen im Stande sind. Es ist laut. Es ist dreckig. Und zu dieser Jahreszeit auch nicht gerade kuschelig warm. Eine Wohnung, deren Heizung nur an drei Tagen pro Woche funktioniert und die leider auch gleichzeitig Effekte auf das Warmwasser hat (das in diesem Falle als Kaltwasser bezeichnet werden müsste), macht diesen Umstand nicht gerade leichter. Man steckt ständig in einem Strom von Menschen fest, der einen in Richtungen drängt, in die man eigentlich gar nicht wollte. Begriffe wie quality time, fat free/sugar free sweets (ein Paradoxon per se) und Wasserkakerlaken (als wenn normale Kakerlaken nicht schon reichen würden) müssen plötzlich in den Wortschatz integriert werden und man hat pro Tag etwa $10 Dollar zur Verfügung, um die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln bzw. das eigene Bäuchlein wahlweise mit Essen oder Bier zu füllen (beides ist aufgrund oben erwähnter finanzieller Umstände selten möglich). Warum zur Hölle tut man sich das an?

Weil es sich eben um New York handelt. Und die Stadt ist es immer noch wert, auf sämtlichen verwöhnt-europäischen Luxus zu verzichten, um sich kopfüber ins Abenteuer zu stürzen. New York macht mit all seinen Superlativen alles andere wett.

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