Gerangel um Worte

Lesung von Uwe Timm am 4. Dezember 1996 in Stuttgart

Uwe TimmEigentlich geht es so nur beim Sommerschlussverkauf oder beim Auftritt von Teenie-Popbands zu: Gerangel an den Eingangstüren. Menschen begehren lautstark und fast schon gewaltsam Einlass in den ohnehin schon vollen Saal. Der arme Hausmeister, der verständlicherweise auf die Einhaltung der feuerpolizeilichen Vorschriften bestand, musste sich böse Worte gefallen lassen, von Leuten, die solches Vorgehen immer allzu gern als typisch deutsch bezeichnen und dabei recht peinlich wirken.

So griff dann auch der Autor selbst mäßigend ein - natürlich mit Worten. Denn schließlich war man gekommen, um Uwe Timm zuzuhören, der aus seinem neuen Roman Johannisnacht vorlesen wollte.

Timm liest im StehenDer Autor beließ es dann aber nicht nur bei den Worten, sondern stellte seinen eigenen Stuhl denen zur Verfügung, die die Lesung vor der Tür mitverfolgen mussten. Er selbst las im Stehen. Das ist wahre Nähe zum Leser bzw. Hörer.

Und Zuhören, das lohnte sich an diesem Abend sehr wohl, denn zum einen las Timm ausgezeichnet, und zum anderen eignet sich sein neuer Roman hervorragend zum Vortragen. Es geht darin um einen Autor, der eine Auftragsarbeit annimmt, nämlich etwas über die Kartoffel zu schreiben. Der Roman berichtet von seinen Bemühungen, allerdings schweift die Geschichte ständig ab. Gedanken, Erinnerungen, Erzählungen und Nebenhandlung ergeben einen bunten Teppich netter Geschichten. Die Zuhörerinnen und Zuhörer amüsierten sich jedenfalls prächtig, und gerne hätte man Timm noch länger zugehört. Seine Lesungen seien also hier mit Nachdruck empfohlen.

Wolfgang Tischer
04.12.1996

Timm, Uwe: Johannisnacht
1996. 280 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
ISBN 3-462-02556-2
36,00 DM/18,41 EUR (Preisangabe ohne Gewähr)


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