Gruseln mit HR Giger: Zu Besuch beim Meister des Phantastischen
Anlässlich der neuen Hörbuchreihe »HR Giger's Vampirric« waren wir zu Gast auf dem Schloss des Schweizer Künstlers in Gruyères und sprachen mit dem Hörbuch-Verleger Lars Peter Lueg - und natürlich mit HR Giger selbst
Besonderes um Mitternacht Mit hochwertigen Horror- und Grusel-Hörbüchern hat sich der kleine deutsche Hörbuch-Verlag LPL-Records schnell einen guten Namen gemacht. Die Lovecraft-Vertonung »Der Cthulhu Mythos« erhielt sogar 2003 als bestes Hörbuch des Jahres den deutschen Phantastik-Preis. Der Verleger Lars Peter Lueg führt gleichzeitig bei vielen Produktionen auch Regie. Nun erscheint mit »HR Giger's Vampirric« eine neue Reihe, bei der der weltbekannte Schweizer Künstler auch selbst die Einführungen spricht (siehe Kritik des Literatur-Cafés). Mit Lars Peter Lueg unterhielt sich Wolfgang Tischer.
Lars Peter Lueg: Einer meiner Hauptpartner ist der Festa-Verlag. Frank Festa hatte schon seit Jahren einen guten Kontakt zu HR Giger. Letztes Jahr nun hat er ein Buch mit Geschichten veröffentlicht, die Giger gut findet. Giger ist ja sehr belesen. Er kennt auch jeden Horror-Film und alles, was mit diesem Metier zu tun hat. Und er ist auch ein großer Hörbuch-Fan. Literatur-Café: Gibt es denn besondere Kriterien, nach denen Sie die Sprecher auswählen? Braucht man für Horror- und Grusel-Geschichten besondere Qualifikationen? Lars Peter Lueg: Ich glaube, man muss zu den besten Sprechern gehören, die es gibt. Jemanden zum Gruseln zu bewegen - genauso wie zum Weinen oder zum Lachen -, da braucht man die Besten. Es ist wirklich sehr schwierig, jemanden zu finden, der diese Stoffe transportieren kann. Ich habe auch lange gesucht, bis ich den richtigen Sprecher für meine Lovecraft-Hörbücher gefunden hatte. Lutz Riedel lässt sich extrem viel Zeit beim Vorlesen und geht sehr tief in die Texte rein. Joachim Kerzel im ersten Teil des »Cthulhu Mythos« hat das auch sehr gut gemacht, aber die Sprecher die jetzt kommen werden, passen einfach ein bisschen besser, wenn das etwas getragener vorgelesen wird. Andere, wie Torsten Michaelis beispielsweise, die sind so tief in der Geschichte. »Der Horla« ist ja eine Geschichte in Tagebuchform, in der erzählt wird, was dem Schreiber passiert und man hat das Gefühl, dass er langsam durch die Geschichte verrückt wird. Michaelis ist da reingekrochen. Er hat sie vielleicht 20 Mal gelesen. Er war sehr anstrengend, aber es ist so super geworden, dass man sicher sagen kann, dass er bislang der Sprecher ist, der sich am meisten mit einem Text auseinandergesetzt hat, weil er so was in der Art noch nicht gemacht hat. Er ist Schauspieler - gerade dreht er z. B. mit Detlef Buck - und das sind Leute, da macht es richtig Spaß. Oder auch Helmut Krauss. Lutz Riedel hat einmal gesagt: »Der Helmut Krauss, das ist eine Lesemaschine. Den weckt man nachts um drei und da liest der ein Buch vor«. Und so ist der auch. In drei Tagen hat er es geschafft, den zweiten Teil von »Necroscope - Vampirblut« einzusprechen. Das sind 7 CDs mit 545 Minuten Laufzeit! Das sind Tiere (lacht). Literatur-Café: Die Fans von »Necroscope« werden sich sehr freuen, dass nun endlich der zweite Teil erscheint. Lange musste man ja darauf warten. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings, denn der zweite Teil wird nicht mehr von Joachim Kerzel, sondern eben von Helmut Krauss gelesen. Lars Peter Lueg: Das ist verständlich, durchaus. Ich habe Joachim Kerzel natürlich auch angefragt, aber es gab zwei Gründe, warum er das nicht machen konnte. Das eine waren Termingründe, weil er sehr sehr viel zu tun hat. Man hört ihn ja mittlerweile in fast jeder Werbung und bei Filmtrailern sowieso. Damals die Aufnahmen waren sehr anstrengend. Wir hatten ja Lovecrafts »Cthulhu Mythos« mit 4 CDs und »Necroscope - Das Erwachen« mit 7 CDs in nur einer Woche aufgenommen. Bereits da hat er mir gesagt, dass er solche langen Sachen eigentlich nicht mehr so gerne machen will. Er hatte dann eine Gastrolle in »Der Schatten über Innsmouth« und auch zwei Geschichten auf »Necrophobia 1« gesprochen. Und als ich ihn jetzt anfragte, meinte er, dass ihm das zu viel wäre, er wolle das nicht mehr. Da habe ich ihn natürlich gefragt, wer das denn weiterführen könnte. Und er hat gesagt: »Der Helmut Krauss muss das machen.« Weil er von der Stimmlage her am nächsten dran ist und die beiden sich auch viele Schauspieler bei der Synchronisation teilen. Jean Reno wurde z.B. neben Kerzel auch oft von Krauss gesprochen. Gerade wird Helmut Krauss auch der neue Stammsprecher von Samuel L. Jackson. Kerzel und Krauss kennen sich, sind beide im selben Jahr geboren, Jahrgang 41, sind beide in Augsburg aufgewachsen und befreundet. Deswegen lag es nahe, dass Helmut Krauss das weiterführt, denn Kerzel wollte es auf keinen Fall mehr machen. Literatur-Café: Ist grundsätzlich geplant, weitere Bände von »Necroscope« zu vertonen? Lars Peter Lueg: Wir werden abwarten, wie der zweite Teil läuft - und der erste nochmal anzieht. Wir haben ja mit der Fortsetzung jetzt relativ lange gewartet, weil es auch enormes Geld kostet, ein solch langes Hörbuch aufzunehmen. Gerade natürlich auch für ein solch kleines Hör-Label wie mich. Literatur-Café: Nützen also die illegalen Downloads im Internet so vielleicht auch, weil die Leute neugierig sind, wie es weitergeht? Oder schadet es, weil so nicht das notwendige Geld erwirtschaftet wird, um weitere Teile zu produzieren? Lars Peter Lueg: Ich habe jetzt keinen einzigen Kopierschutz mehr auf irgendeiner meiner Hörbücher. Ich hatte früher nur den üblichen Schutz eingebaut, dass nur eine digitale Kopie auf DAT-Bändern möglich war. Das nutzt aber ja sowieso keiner mehr. Aber selbst den habe ich jetzt rausgenommen, weil ich mir sage: wenn jemand Geld für ein Produkt ausgibt, dann soll er sich das unbegrenzt für sich selbst oder für seine Freundin kopieren können. Ich ärgere mich ja selbst, wenn ich aufgrund des Kopierschutzes keine Kopie machen kann fürs Auto oder für meine Freundin. Da kaufe ich nie wieder eine CD. Das gibt es bei mir nicht. Es ist ein bisschen ärgerlich, weil es viele Leute gibt, die das Raubkopieren sehr offensiv betreiben, aber es ist fraglich, ob das die gleiche Zielgruppe ist. Denn jeder, der meine Sachen kennt und hört und mag, sieht auch ein, sich hin und wieder mal ein Produkt zu kaufen, denn sonst geht es ja nicht weiter. Wir müssen ja alle von irgendwas leben und das muss ja bezahlt werden. Literatur-Café: Die Giger-Hörbücher sind ja mit einem Erstpreis von 7,95 EUR recht günstig, während der Trend doch eher gegenläufig ist. Lars Peter Lueg: Das kann man ganz klar beantworten, denn eigentlich ist es mein teuerstes Produkt. »Necroscope 2« hat 7 CDs und kostet 29,95 EUR, was bedeutet, dass jede CD deutlich unter 5 EUR kostet, und die einzelne kostet bei »HR Gigers Vampirric« 7,95 EUR. Somit werde ich da pro CD mehr daran verdienen. Für den Endkunden ist es natürlich dennoch preiswert, gerade auch z.B. gegenüber einer Musik-CD. Auf jeden Fall rechnet sich das noch. Literatur-Café: Wer hört denn Ihre Hörbücher? Bedienen Sie eine spezielle Zielgruppe? Lars Peter Lueg: Die Zielgruppe ist sehr breit. Man kann zum einen unterscheiden in die Hörspiel-Leute, dich sicherlich ihre inszenierten Hörspiele gewohnt sind. Ich mache ja reine Lesungen. Hochwertig zwar, aber nur ein Sprecher, der nicht spielt, sondern liest. Es gibt die große Gruppe der Hörbuch-Freunde, die die Produkte kaufen, um sie im Auto oder beim Bügeln oder abends im Bett in aller Ruhe zu hören. Und dann gibt es noch den großen Bereich der Gothic-Freunde, die das zusätzlich zu ihren anderen Sachen genießen, zu Rammstein und anderen Sachen. Menschen, die sich schwarz anziehen und dann nachts diese Geschichten hören. Literatur-Café: Was bevorzugen Sie? Wie sollte man Ihre Produktionen hören? Lars Peter Lueg: Gerade die neueren Sachen sind ja sehr anspruchsvolle Literatur, das sollte man nicht unterschätzen. Es sind sehr tief gehende Geschichten. Das kann man vielleicht nicht ganz so gut hören, während man gerade seine Steuerunterlagen abheftet. »Necroscope« z.B. ist etwas, das wunderbar überall funktioniert, weil das sehr eingänglich und unterhaltsam ist, ähnlich wie Harry Potter. Kurze Sätze, klare Handlung. Da passiert was, und man kriegt es auch mit. Aber ich habe ja quasi verschiede Sparten. So was wie die Gruselmärchen und »Necrophobia«, das ist schnell zu konsumieren und das kann man sogar auf einer Party mal laufen lassen, um z.B. um Mitternacht mal was Besonderes zu bieten. Literatur-Café: Herr Lueg, wir danken Ihnen für das Gespräch! | »Es kommt ja sofort der gute Sprecher« Der Schweizer Künstler Hansruedi Giger wurde 1940 in Chur geboren. Weltweit bekannt wurde er, als er 1980 einen Oscar für das Set-Design zu Ridley Scotts Weltraum-Horrorfilm »Alien« gewann. Seine mit Airbrush-Technik gemalten surrealistischen Bilder und »Biomechanics« sind ebenfalls berühmt und prägten viele andere Künstler. Neben den Bildern gestaltet HR Giger auch Möbelstücke und beeindruckende Inneneinrichtungen in seinem organischen und skelettartigen Stil. Mit HR Giger sprach Wolfgang Tischer. Literatur-Café: Herr Giger, wo und in welchem Ambiente hören Sie denn am liebsten Hörbücher? HR Giger: Im Auto finde ich das prima. Wenn man Auto fährt, alleine, dann ist das super, da kann man sich so einlullen lassen. Literatur-Café: Wo liegt für Sie der Reiz der gesprochenen Geschichten? HR Giger: Man kann sich einfach besser darauf konzentrieren. Ich habe gemerkt, dass ich beim Lesen ziemlich Mühe habe, weil ich mich ablenken lasse. Beim Hören ist das besser, denn der Text wird auch schön betont. Eine besondere Stimmung eben, eher wie beim Film. Und wenn man im Automobil eine längere Strecke fährt - von Zürich nach Gruyères, das sind z. B. zwei Stunden -, da ist das prima [In Zürich befindet sich Gigers Atelier, in Gruyères sein Museum. Anm. der Red.]. Literatur-Café: Sie selbst sprechen ja auf »HR Giger's Vampirric« die Einleitung zu den Geschichten. Haben Sie nicht Angst, einen Ruf zu verlieren? Man kennt Ihre bedrohlichen und unheimlichen Bilder, und auf den CDs klingen Sie so freundlich und nett. HR Giger: Ich habe mir auch Mühe gegeben (lacht). Merkt man das nicht? Man hat mich gebeten, das zu machen und dann habe ich es auch gemacht. So tönt es dann. Literatur-Café: Aber es hat doch sicher Spaß gemacht? HR Giger: Jaja, aber wenn ich es so höre, macht es mir nicht so Spaß. Also meinen Text kann ich nicht hören (lacht). Ich hätte ihn wahrscheinlich ein paar Mal sprechen sollen, aber... naja, was soll's, es geht. Es kommt ja dann bald anders. Es kommt dann ja sofort der gute Sprecher. Mich hätte es da nicht unbedingt geben müssen. Literatur-Café: Woran arbeiten Sie momentan? HR Giger: Mir ist das Museum im Schloss von Gruyères sehr wichtig geworden. Ich habe da mein gesamtes Geld hineingesteckt und möchte, dass es mich überlebt, dass es in eine Stiftung überführt wird. Noch trägt es sich leider nicht selbst. Literatur-Café: Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Ridley Scott, dem Regisseur von »Alien«? HR Giger: Nein. Er hat mich ein paar Mal schlecht behandelt. Er hat mir nicht gesagt, als ich an einem Projekt von ihm gearbeitet habe, dass das Projekt gar nicht mehr stattfindet. Er hat mich einen Monat lang im Glauben gelassen, es würde noch weitergehen. Das fand ich nicht sehr nett. Aber er ist ein super Mann. Und ich würde bestimmt wieder was für ihn machen, wenn er rufen würde (lacht). Literatur-Café: Herr Giger, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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13.08.2004/15.08.2004