Morden in Mosbach

Die deutschsprachigen Krimischriftsteller des SYNDIKATS trafen sich zur Criminale 2001

Tango Criminale Alte Mälzerei Breinersdorfer und -ky Blumen Horst EckertWenn ein Bürgermeister stolz darauf ist, dass seine Stadt in einer dpa-Meldung als »Hauptstadt des Verbrechens« bezeichnet wird, dann mag sowas höchstens in einem skurrilen Krimi vorkommen. Und tatsächlich waren es Krimiautoren, die das kleine Städtchen Mosbach im Neckar-Odenwald-Kreis in die überregionalen Zeitungen brachten. 120 Autorinnen und Autoren trafen sich nämlich vom 17. bis zum 20. Mai 2001 zur alljährlichen »Criminale«, wo man sich mit den Kollegen austauschte, die Probleme des Berufstandes erörterte, sich fortbildete, Lesungen abhielt und - natürlich - trank und feierte.
     DAS SYNDIKAT nennt sich der Zusammenschluss deutschsprachiger Krimiautoren. Man denkt sofort an »Verbrechersyndikat«, doch im Wörterbuch ist weniger illegal zu lesen: Form des Kartells mit festen Preisbestimmungen u. eigener Verkaufsorganisation; in roman. Ländern verbandsartiger Zusammenschluss von Arbeitgebern u. -nehmern nach Branchen.
     Mitglied wird man, wenn man - logisch - Krimis schreibt und solche auch bereits bei einem Verlag veröffentlicht hat. Als der Zusammenschluss 1986 in Stuttgart gegründet wurde, hatte man an die 20 Mitglieder. Jetzt liegt die Zahl bei weit über 100. Blickt man in die Runde der Autorinnen und Autoren, die nach Mosbach gekommen sind, so stellt man fest, dass Krimiautoren eigentlich ganz normal aussehen. Nun erwartet man freilich weniger, dass sie wie Verbrecher aussehen, aber doch zumindest wie Autoren. Vielleicht mag es daran liegen, dass sie tatsächlich alle schon veröffentlicht haben, die Gesetze des Verlagswesens kennen und der Krimi meist ein sehr reales Sujet ist. Schwarz gekleidete, weltfremde und eitle Autoren finden sich wohl doch öfter in den Schreibwerkstätten der Volkshochschulen.
     Nur ganz wenige der Mitglieder können vom Schreiben der Krimis leben. Sie gehen im Hauptberuf einem ehrbaren Beruf nach, sind z.B. Lehrer oder Ingenieur. Selbst der »Star« unter ihnen, Fred Breinersdorfer (»Der Hammermörder«, »Anwalt Abel«), ist bzw. war eigentlich Rechtsanwalt. Er bekam auf der Criminale den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk verliehen, und die Laudatio vom Kollegen Michael Molsner ist grandios. In seiner Rede gelingt es ihm fulminant, die Gegensätze aufzuzeigen zwischen den kaum bekannten Autoren und den ganz großen wie Ingrid Noll (»Die Apothekerin«), Breinersdorfer und Felix Huby (»Bienzle und …«), auf die der  Rest doch manchmal ehrfürchtig, aber auch neidisch und missgünstig blickt. »O Scheiße, Scheiße, schreiben kann er auch noch!« so schildert Molsner seine Gedanken, als er die Unfähigkeit Breinersdorfers an einem seiner Bücher nachweisen wollte. Breinersdorfer steht daneben und grinst. Denn alle wissen, wie wichtig es ist, einen wie ihn in ihrer Mitte zu haben, einen, der mit Justizministerin und Bundeskanzler per du ist. Auch Autoren brauchen eine Lobby.
     Und wie man Politik macht, dass demonstrierte Breinersdorfer dann auch gleich anschaulich in seiner Dankesrede. Er habe sich ja mit seiner Forderung, einen eigenen mit 2.500 DM dotierten Preis für Kurzgeschichten zu vergeben, nicht durchsetzen können, stellt er zunächst fest. Und dann zieht er aus der Brusttasche seines Jacketts einen Scheck, übereicht ihn dem Schatzmeister Wolfgang Burger und fügt hinzu, dass damit das Preisgeld für die nächsten zehn Jahre wohl gesichert sei. Punkt. Das Publikum klatscht überrumpelt, überrascht und begeistert.
     Vergeben wurden dann bei der Abschlussveranstaltung am Samstagabend, dem »Tango Criminale«, auch der »Glauser« für den besten Kriminalroman des Vorjahres an Horst Eckert für sein Werk »Die Zwillingsfalle« und der »Martin« für den besten Kinderkrimi an Rudolf Herfurtner für »Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen«.
     Doch warum treffen sich Krimischriftsteller nach Essen im Jahr 2000 und vor München im Jahre 2002 in dem eher unbekannten und kleinen Städtchen Mosbach mit seinen schmucken Fachwerkhäusern, das nicht mal direkt an einer Autobahn liegt? Es gab wohl Verbindungen zur Stadt und insbesondere die Kulturamtsleiterin engagierte sich für die Veranstaltung. Anfangs sei man skeptisch gewesen, so Oberbürgermeister Lauth, doch nun fragt sich die Bevölkerung begeistert: »Wann kommat die wieder?« Lauth bemüht sich bei seiner Begrüßungsrede sichtlich begeistert darum.
     In der Tat war es ein gelungener Coup, die Criminale nach Mosbach zu bringen, denn hier dominierte sie mit Plakaten und Veranstaltungen für knapp vier Tage die Kleinstadt. Sie war das Ereignis und ging nicht zwischen Vielem unter. Und auch abends konnte man die Krimiautoren in den Kneipen treffen, und Horst Bosetzky alias »-ky« ist sichtlich stolz, dass man es sogar geschafft habe, die Polizeistunde zu verschieben.
     Lesungen fanden dann auch reichlich an ungewöhnlichen, doch passenden Orten statt, so im Kreiskrankenhaus, im Gefängnis, in einer Scheune, in der Zeitungsredaktion und im Weinlokal.
     Im Rathaussaal ging man dann am Samstag der Frage »Wie entsteht ein guter Krimi?« nach. Die Antwort muss wohl lauten: Bei jedem Autor anders. Während Jürgen Kehrer von vorne herein Anfang und Ende festlegt und die groben Inhalte der Kapitel skizziert, um dann diesen »Ablaufplan« literarisch zu füllen, lässt sich Felix Huby (auch als Drehbuchschreiber für die Tatort-Reihe bekannt) beim Schreiben eher treiben. Er selbst wisse am Anfang häufig auch noch nicht, wer der Mörder sei. »Schreiben ist für mich wie Lesen. Es drängt mich an den Schreibtisch zurück, weil ich erfahren möchte, was die Figuren machen werden und wie es weiter geht.«

Wolfgang Tischer
22.05.2001

Weiterführende Links zum Thema:
Im Cafe: - »Criminale 2003: Treffen der Literaturtäter« - Nessa Altura fasst zusammen, was beim Jahrestreffen der Kriminalschriftsteller so alles los war


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