»Herzlich willkommen«, sagte er mit deutlicher Betonung, ohne sie dabei anzusehen, während er die Tür aufschloss. Für Stefan war die Ankunft auf der Alm jedes Mal ein bewusster Übergang von der Zivilisation in die vollkommene Harmonie der Natur. Von Bettina konnte er solche Andacht nicht erwarten.
Das Tageslicht erhellte nur schwach den Raum. »Gibt es hier keine Lampe?« fragte Bettina.
Stefan zündete eine Kerze an. Der Raum erstreckte sich über die gesamte Tiefe der Hütte. An der linken Wand ragte ein mächtiger Ofen mit seinem Kamin bis unter die Decke, am Ende des Raumes war ein Tisch mit einer weit über den Rahmen hinausragenden Platte zu erkennen, darüber zeichnete sich das Viereck eines Fensters mit geschlossenen Läden ab.
»Setzen Sie sich nach nebenan in den Wohnraum«, sagte Stefan. »Ich mache Feuer.« Stefan drückte Bettina den Kerzenhalter in die Hand. Er nahm sich eine Taschenlampe von einem Wandbrett und verschwand durch eine von schweren Holzbalken nieder gedrückte Tür.
Mit einem Arm voll Feuerholz kam er zurück und warf es auf den Boden. Aus der unteren Lade des Herdes holte er Zeitungspapier und Holzspäne, zerknüllte das Papier zu Kugeln und schob sie zusammen mit den Spänen in den Herd. Als das Feuer ordentlich loderte, legte er einen dicken Scheit oben auf, schloss die Feuerklappe und öffnete zufrieden den Luftregler. Auf das erste Feuer freute er sich immer besonders, nicht nur, weil es die Kühle aus der Hütte vertrieb.
Er lugte durch die Tür in den Wohnraum. Bettina saß am Tisch auf einer Holzbank, vollständig eingehüllt in die Decke. Die Schuhe lagen unter der Bank, sie rieb ihre Füße aneinander und wiegte dazu im Takt ihren vornüber gebeugten Oberkörper.
»Bald wird es warm«, sagte er. »Aber vorher setze ich Wasser auf, damit Sie ein Fußbad nehmen können.«
Das Wasser floss zehn Schritte vor der Hütte in einen Trog. Aus dem schneebedeckten Gras wuchs ein schwarzer Schlauch bis zu einer Manschette am oberen Ende eines Pfahles hervor. Auf dem Schlauchende steckte ein zu einem Entenschnabel aufgebogenes Kupferrohrstück und schoss einen Daumen dicken Strahl in den Trog. Stefan bog den Schlauch zu sich und ließ eine Gießkanne randvoll laufen. Die Lektorin würde sich nicht nur die Füße wärmen, sondern auch waschen wollen.
»Es dauert nicht mehr lange«, versprach Stefan, als er den Wasserkessel aufsetzte. »Wollen Sie sich nicht etwas Trockenes anziehen? Ich kann Ihnen zünftige Wanderbekleidung anbieten.« Weil Bettina nicht antwortete, ging er in den Wohnraum. »Seien Sie doch nicht so stur. Sie werden tagelang mit Erkältung im Bett liegen und die unvergleichliche Schönheit der Bergwelt verpassen, und ich auch, weil ich Fieber messen und kalte Wadenwickel anlegen und Ihnen den Schweiß von der Stirn tupfen muss. – Ach du meine Güte! Ich habe die Lebensmittel vergessen! Sie kriegen Frost! Nehmen Sie erst einmal das Fußbad. Eine Schüssel finden sie hier vorne unter dem Ecktisch neben der Eingangstür.«
Bettina wandte den Kopf ab. Die Wände der Hütte trugen ein dunkles Braun und verschluckten den Kerzenschein. Der Raum war karg mit Tisch und einer Kommode eingerichtet, darüber einer Kombination aus Tellerregal und Wandschrank und einer Sitzbank entlang den Außenwänden. Der einzige Schmuck bestand in einem mit Heftzwecken an der Wand befestigten Tuch, bestickt mit blauen Buchstaben. Enzian und Edelweiß verzierten umschlungen die Ränder.