StartseiteAlmtraumFolge 33 vom 4. Mai 2007

Folge 33 vom 4. Mai 2007

In der vierten Etage wechselten sie auf einen Büroflur. Sie passierten verschiedene Türen – Personalbüro, Buchhaltung, dann Sicherheit, Herr Bichler.

»Hier hinein, bitte«, sagte Herr Bichler fröhlich. »Nehmen Sie Platz. Ich informiere den Direktor. Bin gleich wieder da.«

Es gab nur einen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch. Drei Monitore und ein Kasten, ähnlich einem Stellpult, verbrauchten den größten Teil des Schreibtisches.

Während Stefan wartete, ebbte der Schock langsam ab. Verdammt, was hatte ihn geritten, die Perücke zu klauen?

Die Tür öffnete sich und ein schlanker, sorgfältig gut gekleideter Mann um die Fünfzig betrat vor Herrn Bichler das Büro, mit gebräuntem Gesicht, sehr beherrscht. Die Haare formten trotz ihrer Länge über der Stirn eine perfekt liegende Welle.

»Das ist die Tunte, Herr Ralzinger«, sagte Herr Bichler. »In diesem besonderen Fall hielt ich es für gerechtfertigt, Sie zu informieren.« Er trat vor Stefan und nahm ihm die Perücke vom Kopf.

Stefan zuckte. Wenn es nicht um Diebstahl gegangen wäre, hätte er jetzt zugeschlagen.

Ralzinger schloss die Augen. Seine Augenlider waren ebenso dunkel wie die Ränder unter seinen Augen. »Sie sollen Ihre Ausdrucksweise mäßigen«, tadelte er. »Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?«

Stefan sprang auf. »Machen Sie, was Sie wollen, aber meine Ehre lasse ich nicht beleidigen!«

Ralzinger winkte müde ab. Seine feingliedrigen Finger bewegten sich im Raum. »Was werfen wir ihm vor?«

»Ich habe sie im zweiten Stock beobachtet und dann beschattet. Sie war mir gleich verdächtig.« Bichler wirkte selbstgefällig. »Sie – er – strich um die Dekoration, die Kollektion von Yves St. Tropez. Plötzlich macht er sich von hinten an die Puppe im pinkfarbenen Kostüm ran, riss ihr die Perücke vom Kopf und stopfte sie in die Tüte. Sekunden später war sie in der Umkleidekabine untergetaucht. Geschlagene zwei Minuten brauchte sie, dann kam sie ohne den Strohhut raus – den habe ich in der Kabine sicher gestellt – also, mit der Perücke auf dem Kopf, ein scharfes Weib, leider nicht echt.« Bichler machte ein bedeutungsvolle Pause.

»Weiter, Bichler.«

»Dann ist sie in die Herrenabteilung und hat Jeans ausgesucht. Auf dem Weg zur Kasse schob sie ihre … äh, ihren Oberkörper, äh, rasiermesserscharf an dem neuen Verkäufer vorbei – Brunnhuber – dem fielen beinahe die Glubscher aus dem Gesicht. Unten an Kasse 2 habe ich sie dann gestellt. Frau Gruber, die Kassiererin – eine aufgeweckte Person – hat gleich gemerkt, dass ihr ein fauler Kunde ins Netz gegangen war. Dass die Karte auf einen Mann ausgestellt war.« Bichler reichte seinem Chef die Scheckkarte.

»Sie lesen zuviel«, kommentierte Ralzinger den Bericht seines Hausdetektivs.

»Ich lese! Was?« fragte Bichler entgeistert.

»Groschenromane. Wahrscheinlich aber doch nicht.«

Bichler setzte ein beleidigtes Gesicht auf.

»Stefan Bruhks«, sagte Ralzinger und reichte Stefan die Scheckkarte mit einer grazilen Bewegung zurück. Das Gesäß bewegte sich in der schmalen Hüfte. Am Gewicht der Karte konnte es nicht liegen.

»Darum hat er auch keine – wie Sie es auch immer ausgedrückt hätten.«

»Ti … Brüste.«

»Ihre Fantasie ist mit Ihnen durchgegangen, Bichler. Er hat außer der Perücke keine Ware gestohlen?«

»Ja. Nein. Nur die Perücke.«