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Folge 27 vom 28. April 2007

Ich warf die Schreibwalze nach links und tippte.

Bis zum Abend hatte Stefan den ersten seiner Romane gelesen. Die Handlung spielte in Neuengland, in Vermont. Das erklärte die umfangreiche Neuengland-Abteilung in seinem Bücherregal.

Bis zum Abend brachte ich nur diese drei Sätze aufs Papier. Zwischendurch schritt ich das Wohnzimmer mit großen Schritten ab, eine mittlerweile alberne Angewohnheit, als sei ich auf dem Weg zur großen Inspiration. Dabei war die Stelle in der Handlung überhaupt nicht kritisch, ich musste lediglich erzählen, wie es weiter geht … wie es weiter geht …

Um mich abzulenken blätterte ich bei Hermann Hesse, Narziß und Goldmund, brachte aber nicht genügend Ruhe auf und wechselte zu Kästner, Emil und die Detektive. Ein Band Kishon folgte, dann Frisch, Lenz, Remarque – ich türmte die Bücher aufeinander, legte einige Erinnerungen und Autobiographien oben auf und krönte den babylonischen Stapel mit dem einbändigen schwergewichtigen Literaturlexikon.

Statt eines weiteren Buches öffnete ich eine Flasche Rotwein. Ich bezweifelte, ob dies die richtige Form geistiger Anregung sei, brachte es aber nicht fertig, mich entsprechend dieser Erkenntnis zu verhalten. Ich musste dringend und gründlich durchlüften. Seit drei Wochen war ich nicht mehr beim Training gewesen. Jeden Donnerstagabend traf ich mich in einer Vorortturnhalle mit einigen ehemaligen Kommilitonen, verheiratete und geregelte Einkommensbezieher. Hermann kannte den Vorsitzenden des Sportvereins und hatte für uns eine eigene Abteilung gegründet, Fitness und Kondition, völlig unbeachtet vom allgemeinen Sportbetrieb. Auf dem Programm stand Zirkeltraining, doch das hinderte uns nicht, nach Herzenslust zu bolzen. Wir kippten zwei kleine Stapelkästen auf die Seite und benutzten die offenen Rechtecke als Tore. Wenn wir es zu toll trieben und übermütige Fernschüsse gegen die weiß getünchte Ziegelwand krachten, schreckten wir den Hausmeister auf, der uns ein weiteres Mal verwarnte. Fußballspielen war in der Halle strengstens verboten. Wir zeigten Reue und versprachen, was wir nicht halten würden und glichen wir unser Konto durch einen Kasten Weißbier aus Der Hausmeister nahm ihn mit einem anerkennend gnädigen Ihr Saubuamentgegen.

Es war noch nicht neun Uhr, als ich gähnte. Nicht wieder einschlafen, schärfte ich mir ein.

Ich lag nackt in der Badewanne, ohne Wasser und vollkommen trocken.

»Hast du gut geschlafen, mein Schatz?« fragte Pia. Sie stand in der Tür und hielt mit ausgebreiteten Armen ein großes Badetuch, so dass ich nur den Kopf und die nackten Füße sehen konnte. Sie lachte mich vielversprechend und warmherzig an.

»Soll ich dich abrubbeln?«

Eine Flasche polterte zu Boden und weckte mich. Ich saß mit verschränkten Armen an der Schreibmaschine, mit offenem Mund ,den Kopf zur Seite gekippt. Eine Viertelstunde nach Mitternacht, stellte ich fest. Gegen den steifen, schmerzenden Nacken hob ich den Kopf, dehnte und drehte den Hals. Die Triumph lachte. Wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, hätte ich jeden Eid geschworen, dass ihr Lachen keine Sinnestäuschung war. Die Triumph trug ein Geheimnis in sich, da war ich mir inzwischen sicher. Sie war schwanger und würde in neun Monaten den Roman gebären, den ich an der Maschine schlafend nachts verfasst hatte! Im Aufstehen stieß ich die Flasche Beaujolais Villages zur Seite, Bierbüchsen schepperten. Für heute Nacht war Schreiben im Wachzustand sinnlos.

Ich schlief länger als sonst und nahm mir auch beim Frühstück Zeit. Der Tag hatte keine erkennbare Perspektive. Eine Weile schaute ich durch das Fenster den dünnen Regenfäden zu, dann setzte ich mich an die Maschine.