StartseiteAlmtraumFolge 23 vom 24. April 2007

Folge 23 vom 24. April 2007

Ich rührte Ochsenschwanzsuppe aus der Tüte an und servierte sie mit zwei Scheiben trockenem Brot. Das Brot tunkte ich in die heiße Suppe.

Komm, lachte die Triumph. Ich machte mir nicht die Mühe, den Teller wegzuräumen, zog den Gürtel des Bademantels fester und setzte mich an den Schreibtisch.

Neuerliche Gewissensbisse setzten mir zu. Stefanies verzweifelte Hilflosigkeit ließ mich nicht kalt und ich hatte beim Schreiben der letzten Absätze daran gedacht, ihr einen tröstenden Hinweis zu geben. Ehrlich gesagt – ich liebte sie und wäre gerne zu ihr auf das Papier gestiegen. Zwar schrieb ich über einen Mann, doch blieb hartnäckig die blonde Frau in meinem Kopf haften. Weit und breit war auch niemand außer Stefanie, dem ich meine Gefühle entgegen bringen konnte. Pia? Ich machte mir nicht den geringsten Vorwurf, dass ich betrunken über sie hergefallen war. Höchstens einen klitzekleinen – ich hätte mir beizeiten eine andere suchen sollen, eine für das Herz und die Seele, die mich nicht nur als Sprachverbieger schätzte. Späterer Gebrauch des Verstandes nicht ausgeschlossen.

Meine Gefühle für Stefanie waren für den Fortgang des Romans ausgesprochen hinderlich. Wie sollte ich mich mit der Allmacht der Lektorinnen auseinandersetzen, wenn ich meine Lektorin liebte, kaum dass ich sie auf wenigen Seiten skizziert hatte, und von ihren blonden Haaren in meinen Fingern träumte! Hatte ich so etwas wie einen Marilyn-Monroe-Komplex? Ich versuchte mich zu konzentrieren. Schwarz oder weiß, entweder gegen die Lektorinnen oder es sein lassen Ich musste mich entscheiden.

Die Triumph grinste nach wie vor. Klar, sie wollte benutzt werden. Mein Blick fiel auf den roten Schnellhefter im Regal, eingezwängt zwischen zwei Ausstellungskataloge. Ich zog den Hefter heraus und blätterte durch die gesammelten Absagen. Multipliziert mit drei bis fünf Stunden pro Absage kam eine Menge Hausarbeit zusammen. Mit sämtlichen auffindbaren Stecknadeln heftete ich die Absagen an die Wand über dem Schreibtisch. Wenn ich den Kopf von der Schreibmaschine hob, war das Ziel vor Augen. Die alte Kampfesstimmung kehrte zurück, gegen die Stefanie machtlos blieb. Als Traumfrau konnte sie sich gegen die gelebten Gefühle nicht durchsetzen.

Entschuldigung, Stefanie. Wenn ich erfolgreich bin, brauche ich dich nicht mehr. Ein schrecklicher Gedanke. Wild trommelte ich auf die Maschine ein, bis ich mir an der Kante des Walzenkorbes die Handballen aufritzte und Blut auf das eingespannte Blatt tropfte. Der Schmerz und der rote Fleck gaben mir meine Beherrschung zurück. Ich ging ins Badezimmer und schnippelte mit der Nagelschere Heftpflasterstreifen zurecht. Von nun an musste ich den frischen Schmerz ertragen, wenn ich die Finger bewegte.