Ich markierte die nächste Zeile durch eine Klammer ohne Text. Auf diese Weise half ich mir, wenn Übergänge in der Handlung oder in Gedankengängen fehlten, die ich später nacharbeiten musste.
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Mit einiger Mühe zwang er sich, weiter zu forschen. Den Computer durchsuchte er nach Programmen und Daten, die ihm Aufschluss über sich geben könnten. Vier große Textdateien entpuppten sich als Romane, dazu gab es Briefe an verschiedene Verlage. “Beigefügt übersende ich Ihnen …”, “erlaube ich mir, Ihnen meinen neuen Roman zu übersenden …”, “wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen.”
Ich bin ein Schriftsteller, dämmerte es ihm. Wo waren die Antworten auf seine Schreiben?
Der rote Schnellhefter, instruierte ihn die Stimme.
Der gut gefüllte Plastikhefter steckte im Bücherregal zwischen zwei Ausstellungskatalogen. Hier müsste er auch die Verlagsabrechnungen finden. Obenauf befand sich die Absage des Angelmann-Verlages. Er blätterte weiter. “… müssen wir Ihnen leider mitteilen … erhalten Sie beigefügt Ihr Manuskript zurück … wünschen wir Ihnen viel Erfolg.” Noch eine Absage, die nächste Absage, eine weitere Absage, ausschließlich Absagen.
Ich bin ein erfolgloser Schriftsteller, befürchtete er und wusste gleichzeitig, dass es der Wahrheit entsprach. Und dann sagte die Stimme, ohne die bisherige freundliche Nachsicht: Wie fühlst du dich, Lektorin?
Stefan verstand nicht. Ebenso wenig wie die Frage selbst konnte er sich die ihn überkommende Traurigkeit erklären.
Vier Romane hatte er geschrieben, Gott sei Dank keine Sachbücher. Die vier Romane waren Stücke aus ihm selbst, also galt es sie zu lesen, wenn er mehr über sich erfahren wollte. Weder in den Schubladen noch im Bücherregal fand er die Manuskripte. Offensichtlich gab es keine Ausdrucke.
Der Drucker war zwei Stunden beschäftigt, dann lagen tausendachtundfünfzig Blatt vor ihm.
Der Hunger löste mich von der Schreibmaschine. Die Sonne war inzwischen hinter einer grauschwarzen Wolkenwand verschwunden und es hatte zu regnen begonnen. Durch das Fenster ließ ich abgekühlte Luft ins Zimmer.
Der Küchenschrank bot nicht mehr die große Auswahl. Spaghetti Napoli, eine Dose Linsen, Tütensuppen. Der Bierkasten war bis auf zwei Flaschen geleert und von meinem Lieblingsrotwein aus dem Supermarkt – einem Chianti Classico zu einsneunundvierzig für dreiviertel Liter – gab es nur noch eine volle und eine angebrochene Flasche. Ich musste ans Geldverdienen denken. Gleich morgen würde ich Engelmayr vom Abendblatt anrufen, meine Geldquelle in Notfällen. Er ließ mich gelegentlich kurze Artikel schreiben, wenn ihm die Sachverhalte zu technisch waren und er sich nicht auskannte oder einfach zu faul zum Recherchieren war. Der arme Schlucker, sagte Engelmayr zu seinem Kollegen in der Buchhaltung und sorgte dafür, dass ich mein Honorar in bar ausgezahlt bekam. Beim Taxi fahren verdiente ich mehr. Die lohnenden Fuhren gab es jedoch erst abends und nachts, ich tauschte sozusagen Geld gegen Kreativität ein und verhedderte mich tagsüber in meinen Romanhandlungen. Oft setzte ich dann mit dem Schreiben ganz aus.