StartseiteAlmtraumFolge 20 vom 21. April 2007

Folge 20 vom 21. April 2007

Das Telefon klingelte. Vorsichtig stapfte ich über die Fliesen, nahm im Vorbeigehen ein Badetuch und den Bademantel vom Haken und rannte ins Wohnzimmer. Pia hatte eingesehen, dass ihre Reaktion überzogen war und wollte sich mit mir versöhnen. Versöhnungen sind romantisch und vielversprechend.

»Mein Junge«, sagte meine Mutter, nachdem ich mich gemeldet hatte. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja.«

»Du lässt überhaupt nicht mehr von dir hören.«

Ich ging auf den gewohnten Vorwurf nicht ein. »Ich erwartete einen anderen Anruf.« Mit einer Hand versuchte ich, mich so gut wie möglich abzutrocknen.

»Von einem Verleger?« erkundigte sie sich, aufreizend hoffnungsvoll.

»Nicht direkt.«

Die nächsten zehn Minuten des Telefonats verliefen wie die anderen vorher. Wenn ich doch endlich wieder einen anständigen Beruf ergreifen würde, dann sei sie eine große Sorge los. Ich beteuerte wie üblich, erwachsen genug zu sein, und versprach, mich nach etwas anderem umzusehen. Demnächst. Das Manuskript, an dem ich derzeit schrieb, müsste selbstverständlich erst fertig werden. Sonst wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.

Unnötige Mühe? Mutter verstand. Wie das Buch denn heißen solle.

»Es ist ein Manuskript!« bellte ich gereizt in den Hörer.

»Schrei mich nicht an«, beschwerte sie sich. »Ich bin schließlich deine Mutter!«

»Schreib, wenn du kannst.«

»Wieso ich? Du kannst doch schreiben, oder?«

»Das ist der Titel, Mutter.«

»Du hast seltsame Einfälle! Kein Wunder, dass du keinen Verleger findest.«

Ich lenkte das Gespräch auf erfreulichere Dinge, zum Beispiel, dass mit Pia Schluss war. Über Pia hatte ich Mutter nur das Notwendigste erzählt, aber sie hatte sich mit dem ihr eigenen Instinkt aus dem Wenigen ein Bild gemacht. Sie konnte Pia nur bedingt leiden und schwankte zwischen der eigenen Meinung und dem notwendigen Respekt vor meiner Entscheidung; Pia war ihr zu entrückt, sie verstand offenbar kaum etwas vom Haushalt und ließ sich keine Kinder machen. Mutter tröstete mich. In Bochum gebe es genug anständige Mädchen, erst neulich die freundliche Krankenschwester, als sie für eine Woche zur Beobachtung im Krankenhaus gelegen hatte. Wie ich Mutter kannte, hatte sie in höchsten Tönen von mir als dem angehenden Literaturpreisträger geschwärmt. Wie ich Krankenschwestern kannte, hatten sie freundlich und geduldig zugehört, weil meine Mutter eine liebenswerte alte Dame ist, der man solche Dinge nachsieht.

»Schön, dass du angerufen hast«, sagte ich wehmütig, als sie ihre Krankenhausepisode abgeschlossen hatte. »Ich komme demnächst einmal hoch. Dann reden wir bei einem guten Glas Rotwein.«

»Das wäre eine Freude! Aber denke an die anstrengende Fahrt. Überleg es dir gut, ja?«

Das Auf-Wiedersehen-Sagen dauerte noch einmal fünf Minuten.

Ich warf mir den Bademantel über. Auf dem Rückweg ins Bad musste ich an der Triumph vorbei.