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StartseiteAlmtraumFolge 124 vom 3. August 2007

Folge 124 vom 3. August 2007

Im Licht der Schreibtischlampe schimmerte der eingetrocknete Bodensatz im Rotweinglas durch die wenigen Stellen, die noch nicht matt von Fingerabdrücken waren. Nur eine Sekunde schwankte ich beim Aufstehen. Vorsichtig stieg ich über das Leergut. Im Kühlschrank in der Küche fand ich kein Bier. Verflucht, du hast die Übersicht verloren, schimpfte ich und stopfte sämtliche Dosen einer Papp-Palette in den Kühlschrank. Rotwein mit Zimmertemperatur ist in Ordnung, aber Bier? Ich entschied mich für die schlechtere Alternative. Ich hatte Durst und meine Kehle würde beim Hinunterkippen die Temperatur des Bieres nicht sonderlich registrieren.

Das warme Bier zischte, spritzte mir über die Hand und schmeckte eklig. Ich schüttelte die Tropfen auf den Boden und wischte mir die Hand am Gesäß ab. Die Luft in der Wohnung war warm und abgestanden wie das Bier. Hatte ich nicht erst vorgestern das Fenster geöffnet? Richtig, es regnete, und … Nein, das musste vorige Woche gewesen sein. Oder?

Auf dem Küchentisch vergammelte ein halbes Brot, grüne Flecken waren auf der Schnittfläche gewachsen. Bis zum unverdorbenen Rest schnitt ich eine dicke Scheibe ab und warf sie neben den Tisch auf den Stapel der Bier-Pappen. Der Abfalleimer quoll bereits über.

Zu trockenem Brot schmeckt Rotwein besser, dachte ich kauend. Die Kartons mit dem Chianti standen unter dem Küchentisch. Mit dem Bücken drehte sich die Tischkante um hundertachtzig Grad. Zunächst beanspruchte der Schmerz im Hinterkopf mein Bewusstsein, dann fand ich die Lage komisch und strampelte mit den Beinen. Halt suchend griff ich nach einem der Kartons, er war leer und kippte weg. Vorsichtig rollte ich mich vom Rücken auf die Seite und dann auf alle viere. Zurück in der Senkrechten wurde mir erst schwindelig, dann hatte ich das Gleichgewicht wieder unter Kontrolle. Blind langte ich unter den Tisch, fasste eine Flasche und trug sie triumphierend ins Wohnzimmer. Die Triumph lachte, als sie mich mit der Weinflasche sah, und ich drohte ihr mit dem Finger.

Der Korkenzieher lag griffbereit auf dem Schreibtisch.

»Prost, Stefanie!« hob ich das Glas, mit Rotwein ebenso voll wie ich mit Verlangen. Nicht du, Bettina, verscheuchte ich das Bild in meinem Innern. Du auch nicht, Amanda. Oder doch Bettina? Ich grübelte, welcher Ausfertigung meiner Traumfrau die Sehnsucht eigentlich galt und verlor darüber die Verbindung zu den Bildern. Als Antwort schrieb ich einen Namen auf das Papier. Die Typenhebel der Schreibmaschine bewegten sich mit einer Leichtigkeit, dass mir schon beim Schreiben Zweifel kamen, ob der Name von mir geschrieben wurde.

An der Wand vor mir heftete noch die Verlagskorrespondenz. Ich zog die Stecknadeln aus der Tapete und ließ die Briefe zu Boden flattern. Beim nächsten Reinemachen würden sie als Abfall entfernt.

Ab-fall!, lachte die Triumph, was ihr einen tadelnden Klaps gegen den Walzenknopf einbrachte. Für Worterklärungen war sie nicht zuständig. Ich traute der Triumph zu, dass sie beim Schreiben mitlas. Resigniert griff ich zur Flasche und füllte das Glas nach.

Ich kehrte zum Anfangspunkt meiner Überlegungen zurück. Mir fehlte der Schluss, genauer gesagt wusste ich nicht, was ich mit Stefan und Bettina anfangen sollte. Es war alles gesagt.

Ratlos tippte ich ein weiteres jklö.

Ich brauchte die beiden nicht mehr.