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Interview mit dotbooks: »Der Unterschied liegt in der verlegerischen Kompetenz«

Das Team des dotbooks Verlags (Foto © Peter von Felbert)
Das Team des dotbooks Verlags
(Foto © Peter von Felbert)

Welchen Einfluss haben E-Books auf die Verlagslandschaft? Die papierlose Form verändert nicht nur bestehende Verlage, sondern es entstehen auch völlig neue, die den etablierten Unternehmen Paroli bieten wollen. Was ist für den Autor der Vorteil eines E-Book-Verlags gegenüber dem digitalen Selfpublishing?

Die Autorin Cornelia Lotter ist vom neu gegründeten dotbooks Verlag überzeugt und hat dort unterschrieben. Ausschlaggebend für sie war die verlegerische Kompetenz und das partnerschaftliche Verhältnis. In ihrem Beitrag stellt Cornelia Lotter den dotbooks Verlag vor und sprach mit Verlegerin Beate Kuckertz.

Im SPIEGEL vom 16.07.12 wird die sich selbst verlegende Autorin Jana Falkenberg zitiert, die innerhalb weniger Monate mit ihrem autobiografischen erotischen Roman »Liebe, Sex und andere Katastrophen« 20.000 Euro verdient haben will. »Diese Arroganz ging mir auf den Keks«, schreibt die Autorin. Gemeint ist das Verhalten der klassischen Publikumsverlage gegenüber Autoren: Standardabsagen nach Monaten Wartezeit, schleppende oder nicht stattfindende Kommunikation, schlechte Erreichbarkeit. Der Autor kommt sich oft wie ein Bittsteller vor, der sich gefälligst hintenan zu stellen hat.

Zögerlich bieten die meisten Verlage ihre Bücher auch als E-Book an, nur wenig günstiger als die Druckwerke, und meinen, damit hätten sie dem neuen Leseverhalten ihrer Kunden Genüge getan. Sie scheinen wie Schlachtschiffe, groß und behäbig, die auf dem Literaturmeer versuchen, den Trends hinterherzujagen und irgendwie früher da zu sein als ihre Mitbewerber. Noch immer dauert es 12 bis 18 Monate, bis ein gedrucktes Buch erscheint, gerechnet vom Vertragsabschluss mit den Autoren bis zur Auslieferung. Oft ist dann ein Trend bereits vorbei; der x-te Aufguss historischer Erfolgsromane, Vampir- und Fantasy-Geschichten entlockt dann ein müdes Gähnen. Kommt ein neuer Trend aus Übersee – wie jetzt die weichgespülte BDSM-Pseudo-Aufreger-Schmonzette »50 Shades of Grey« –, stürzen sich alle großen Verlage darauf, um noch auf den Zug aufspringen zu können und den Hype noch mitzunehmen.

Doch da kommen plötzlich kleine, wendige Motorboote in Sicht; Chichili verlieh im letzten Jahr den 1. Deutschen E-Book-Preis und generierte aus den Teilnehmern einen Großteil ihrer Autoren. Eine nicht unumstrittene Methode, denn so kommen oft auch Zuschussverlage an ihre Opfer. Doch die E-Books von Chichili sind für wenig Geld auf allen einschlägigen Plattformen zu haben, und das Konzept scheint aufzugehen. Das technikaffine Lesevolk versorgt sich gern zum günstigen Preis mit Geschichten, die – im Gegensatz zu den meisten im Self-Publishing angebotenen Stories – wenigstens durch das stattfindende Lektorat eine gewisse Qualität garantieren.

Der neue, im Februar 2012 gegründete E-Book-Verlag dotbooks geht noch einen Schritt weiter. Hier versucht man mit literarischer Kompetenz zu punkten. Gründerin Beate Kuckertz war zuletzt bei Droemer Knaur für den Belletristik-Bereich zuständig. Zusammen mit ihrem Programmleiter Timothy Sonderhüsken, der ebenfalls von Droemer Knaur kommt, hat sie einen Verlag gegründet, der den umgekehrten Weg geht: Zuerst kommt das E-Book, und daraus kann dann, entweder bei dotbooks selbst oder über den Verkauf der Lizenz an einen anderen Verlag, ein gedrucktes Buch werden.

Einige etablierte Verlage sind ohnehin schon längere Zeit dabei, verlagseigene Aufgaben beispielsweise an Literaturagenten und freie Lektoren auszulagern. Warum mühsam Autoren aufbauen, mit ihnen am Manuskript arbeiten, Termin- und anderen Risiken ausgesetzt sein, wenn das fertige Produkt bereits auf einem Markt – dem E-Book-Markt – bewiesen hat, dass sich die Leser dafür interessieren?

Bei Autoren, die bisher noch nicht das Glück hatten, bei einem Publikumsverlag untergekommen zu sein, dürfte diese Vorgehensweise auf Interesse stoßen. Statt von den für Autoren nicht immer nachvollziehbaren Entscheidungen der klassischen Printverlage abhängig zu sein, werden sie – vorausgesetzt, sie können tatsächlich schreiben – von einem Verlag wie dotbooks als Partner auf Augenhöhe behandelt. So zumindest meine Erfahrung, als ich das Verlagshaus in München besuchte. Beate Kuckertz erstellte zusammen mit mir einen Publikationsplan für die nächsten Monate. Viele der Romane sind schon geschrieben; von manchen Projekten existiert vorerst nur die Idee.

Sicher, noch ist ungewiss, wie sich das Modell entwickelt, ob es sich letztendlich für Autoren tatsächlich auszahlt. Doch was haben wir zu verlieren? Eine Alternative zur gefühlten tausendsten Standardabsage eines Publikumsverlages scheint es allemal zu sein.

Cornelia Lotter

Die Autorin Cornelia Lotter im Gespräch mit der Verlegerin Beate Kuckertz von dotbooks

Verlegerin Beate Kuckertz (Foto © Peter von Felbert)
Verlegerin Beate Kuckertz
(Foto © Peter von Felbert)

Cornelia Lotter: Was sagen Sie Autoren, die ihre Bücher als E-Books selbst veröffentlichen und dafür beispielsweise bei Amazon 70% der Einnahmen bekommen? Worin besteht der Mehrwert einer Veröffentlichung bei dotbooks?

Beate Kuckertz: Der wichtigste Unterschied zwischen den Selfpublishing-Plattformen und einem Autorenverlag wie dotbooks besteht darin, dass wir verlegerische Kompetenz haben, dass wir eine Filterfunktion wahrnehmen und dass wir sehr genau aussuchen, wen wir ins Programm nehmen. Bei uns entscheidet ganz klar die Qualität, und wir verlegen bei Weitem nicht jedes Manuskript, das man uns anbietet. Wir leisten professionelle Lektoratsarbeit, unterstützen die Autoren bei ihrer Arbeit und helfen ihnen dabei, noch bessere Texte zu schreiben. Wir erstellen gemeinsam mit ihnen einen Publikationsplan und überlegen, wie wir sie und ihre Bücher nach vorn bringen können. Jeder Titel bekommt bei uns eine ISBN, ist also in internationalen Buchverzeichnisse auffindbar, wir beliefern alle großen Plattformen, auf denen man E-Books erwerben kann, und sind natürlich auch über den stationären Buchhandel – sofern er E-Books verkauft – lieferbar. Unsere gedruckten Ausgaben bekommen eine eigene ISBN und sind ebenfalls überall zu beziehen.

Cornelia Lotter: Haben Sie keine Angst, dass sie jetzt mit Manuskripten all jener Autoren zugeschüttet werden, die bisher noch keinen Verlag gefunden haben?

Beate Kuckertz: Ich würde das nicht »zugeschüttet« nennen, aber wir bekommen, seit wir die Website online gestellt haben, täglich rund 40 Angebote. Nicht alle Manuskripte genügen unserem hohen Qualitätsanspruch, aber auf diesem Weg kommen auch immer wieder »Schätze« zum Vorschein, die man heben kann und muss – was wir auch tun. Wie gesagt: Wir werden ganz sicher nicht jedes Buch verlegen, aber aus diesem »Meer« kann man immer etwas herausfiltern, von dem man gleich beim ersten Lesen denkt »Wow, das ist es! Das ist ein toller Text!«

Cornelia Lotter: Wie wollen Sie den Arbeitsaufwand bei einem Autorenpool von über 100 mit dieser kleinen Mannschaft bewältigen? Werden Sie personell mitwachsen oder haben Sie vor, irgendwann einen Aufnahmestopp zu verkünden, ähnlich wie dies auch schon viele Agenturen praktizieren?

Beate Kuckertz: Wir werden mit Sicherheit wachsen, denn dotbooks ist auf Wachstum angelegt. Wir werden im nächsten Jahr auch personell wachsen, das ist unumgänglich, wenn man den Anspruch hat, die Bandbreite eines Publikumsverlags und damit auch eine hohe Titelzahl anbieten zu wollen.

Cornelia Lotter: Verstehe ich Ihr Konzept richtig, wenn ich einen der Unterschiede zu herkömmlichen Verlagen darin sehe, dass Sie nicht zuerst nach Stoffen suchen, die gerade »in« sind, wie z.B. bestimmte Jahrhunderte bei historischen Romenen oder Vampirromane, sondern sich eher auf Autoren fokussieren, die schreiben können, und dann mit diesen die Themen erarbeiten, die – jenseits von allem, was gerade Mainstream ist – beim Lesepublikum Ihrer Meinung nach Chancen haben?

Beate Kuckertz: Da antworte ich mal mit einem herzhaften »Sowohl als auch!« Ich glaube, dass gute Autoren es immer schaffen können, mit ihren Werken einen Trend auszulösen. Das war z.B. bei Iny Lorentz und Sabine Ebert so: Sie haben den Trend zu historischen Romanen vor einigen Jahren ausgelöst und waren, weil sie schnell und gut schreiben können, auch in der Lage, den daraus resultierenden Lesehunger zu befriedigen. Ein anderes Beispiel aus einem anderen Genre ist Tommy Jaud: Er hat mit seinen Büchern die witzige Unterhaltung auf die Bestsellerlisten gebracht … oder auch Volker Klüpfel und Michael Kobr, die den Regionalkrimi salonfähig gemacht haben. Selbstverständlich müssen da einige Variablen zusammenpassen, damit so etwas passiert, und natürlich ist das ein absolutes Highlight im Leben eines Verlegers oder Lektors, wenn das passiert. Andere Verlage hängen sich natürlich an solche Trendsetter an, zum einen, weil damit Geld zu verdienen ist, zum anderen weil die Leser auch nach mehr Stoffen aus diesen Erfolgsgenres gieren. Auf der anderen Seite ist es Nichtsdestotrotz gut, immer zuerst nach der Qualität der Texte zu schauen. In der Regel wissen die Autoren selber, wo sie gut sind und wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Wenn man das dann in einem gemeinsamen Gespräch, in der gemeinsamen Arbeit »rund« kriegt, dann ist, glaube ich, beides gegeben. Ein guter Verlag muss beides können.

Cornelia Lotter: Wie rekrutieren Sie Ihre Autoren? Kommen die auf Sie zu oder finden Sie die auch im Netz oder anderswo?

Beate Kuckertz: Viele unserer Autoren kommen über die Empfehlung ihres Agenten zu uns, dann verfügen Timothy Sonderhüsken und ich über ein sehr dichtes Netzwerk – bedingt durch unsere 20-jährige Erfahrung in dieser Branche – wir kennen Autoren, wir wissen sehr genau, wen wir ansprechen können, wenn wir ein bestimmtes Thema bearbeitet haben wollen, und wir schauen natürlich, was ist gerade im Netz los, was finden die Leser gut, wo entwickeln sich gerade Trends. Es gibt viele Brunnen, aus denen wir schöpfen.

Cornelia Lotter: Die spannende letzte Frage lautet natürlich: Wie sind die Konditionen für Ihre Autoren? Zahlen Sie ihnen auch Vorschüsse?

Beate Kuckertz: Vorschüsse zahlen wir generell nicht. Dafür bekommen unsere Autoren überdurchschnittliche Beteiligungen am Verkaufserlös. Und natürlich gibt es bei uns keine wie auch immer geartete Kostenbeteiligung der Autoren.

Cornelia Lotter: Frau Kuckertz, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Offenlegung: Wie bereits oben im Artikel erwähnt, ist Cornelia Lotter seit kurzem Autorin bei dotbooks, wo sie unter Pseudonym veröffentlicht.

Im November 2011 erschien im fhl Verlag Leipzig Cornelia Lotters Erzählband »Das letzte Frühstück«. Sie ist Mitglied im VS und im Montsegur-Autorenforum. Im Dezember 2011 erhielt sie den Selma-Meerbaum-Eisinger-Literaturpreis in der Sparte Lyrik.

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13 Kommentare

  1. Zu Christoph Schroer: Es ist vollkommen richtig, was er schreibt – SCHEINBAR geht es in erster Linie um Masse. Aber ANSCHEINEND eben doch nicht. Denn alle Titel, die er anspricht, waren schon mal erfolgreich. Warum soll das kein zweites Mal gelingen? Spricht da ein bisschen Neid aus den Zeilen? Auch ich glaube an das Projekt dotbooks. Und eine Handvoll meiner Autoren auch. Täglich werden es mehr. Wer es verpennt, neue Wege mitzugehen, bleibt eben an irgendeiner Abzweigung zurück …

  2. Man sagt ja immer, Verlag kommt von vorlegen, sprich in Vorleistung gehen/ in den Autor investieren. Inzwischen manifestiert sich bei mir aber der Eindruck, es kommt von verlegen, so oft wie da Manuskripte verschwinden, weil sie anscheinend verlegt worden sind und keiner mehr weiß, wohin.

  3. Hmm, ich weiß nicht so recht, ich habe mir die Webseite angeschaut und auch die Leseproben einiger Werke, aber wa da geboten wird ist literarisch nicht gerade hochqualitativ. Hier scheint es tatsächlich die Masse zu machen bzw. machen zu müssen. Zielgruppen- und Genregeschreibe gibt es, aber echte Literatur habe ich – leider – bei dotbooks nirgends gesehen.

  4. Schade, dass sich Autoren immer in einem “Hochqualitativen” Umfeld sehen wollen: Was ist das? Verstaubte Bildungsbourgeoisie? Fakt ist doch, dass es die unterschiedlichsten Lesebedürfnisse gibt – und als wirtschaftliches Unternehmen müssen Verlage wie dotbooks auch literarisch eine Mischkalkulation fahren: Deshalb stehen in den meisten Programmen leichtere Werke neben tiefgründigen, sprachlich einfache neben stilistisch experimentellen. Das aber ist alles Literatur – und wenigstens einen Blick wert. Wie schön, dass ich aus einem vielseitigen Programm jeweils das wählen kann, was zu meiner Lesestimmung passt. Und das sind nicht nur Gedichte oder hohe Literatur, sondern oft auch ein satter Krimi und manchmal auch was Erotisches!

  5. Mischkalkulationen wären ja gut, aber wo sehen Sie bei dotbooks (und ähnlichen Unternehmen) Hochliterarisches, Tiefgründiges, stilistisch Experimentelles, das von den anderen, d.h. “einfachen” Titeln mitfinanziert werden wird? Ich wäre um jedes Beispiel aus deren Programm wirklich froh. Danke schon mal im Voraus.

  6. Hallo Maike, ich kann nur für dotbooks sprechen. Dort erscheint demnächst Horst-Dieter Radkes Normale Verhältnisse. Eine sehr dichte Novelle in der Tradition von Tannöd, die mich sehr beeindruckt hat. Dort findest du auch Frank Schmitter Das Leichte Leben, Penny McLean mit Schattenspringer, auch ein feine, sprachlich sehr schöne Geschichte, die sogar Paul Coelho in den Schatten stellt. Und außerdem ist auch Paul Meynart einen Blick wert. Ganz persönlich finde ich auch in vielen Krimis hochqualitative Literatur – aber mit diesem Urteil lege ich mich sicher mit den Literaturkritikern an, die diese Gattung ja zu schnöde finden.

  7. Als Autorin, die bei dotbooks unter anderem auch ein erotisches Thema veröffentlicht hat, bin ich echt verwundert, mit welcher Arroganz hier die angeblich “einfachen Titel” angegangen werden.
    dotbooks hat ein hervorragendes Konzept und ich bin mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden.

  8. Ich finde es interessant zu sehen, wie sich hier in den Kommentaren unabhängige Meinungen und anscheinend Verlagswerbung mischen. Persönlich finde ich das Niveau der angebotenen Titel bei dotbooks und auch die Darbietung wie z.B. die Covergestaltung und auch die Leseproben bei Amazon ziemlich seicht. Mich spricht das nicht an – weder als Leserin noch als Autorin. Ich finde es eher ärgerlich, wenn der Verlag dann so sehr auf die angeblich so sehr viel bessere Qualität im Unterschied zu self publishern pocht. Viel Tamtam und nicht viel dahinter?

  9. Noch eine kleine Ergänzung zu meinem Kommentar von vorhin: Vor einigen Wochen habe ich in einem Zeitungsartikel im Internet gelesen, dass die Autoren bei dotbook 40% Tantiemen beim Verkauf der E-Books über die Seite von dotbooks erhalten und 20% beim Verkauf über andere Plattformen, d.h. z.B. amazon. Was daran überdurchschnittlich sein soll, erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht habe ich es ja auch nur nicht richtig verstanden? *Ironie aus*

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