StartseiteNotizenDifferenziert und widersprüchlich - PEN-Literaten zum Thema Urheberrecht

Differenziert und widersprüchlich – PEN-Literaten zum Thema Urheberrecht

Eines der neuen PEN-Mitglieder: Titus Müller (Foto: Birgit-Cathrin Duval)
Eines der neuen PEN-Mitglieder: Titus Müller (Foto: Birgit-Cathrin Duval)

Am Wochenende tagte das deutsche PEN-Zentrum in Schwäbisch Hall. Der PEN ist die bedeutendste internationale Schriftstellervereinigung. Erfreulich, dass in dieser Vereinigung nach Club-Prinzip zum Jahrestreffen erneut jüngere Autoren wie Titus Müller aufgenommen wurden, die sich nicht unbedingt der Hochliteratur verschrieben haben.

Beim Treffen wurde zudem ein »Manifest für das Urheberrecht« vorgestellt. »Nicht schon wieder eine Urheber-Erklärung!«, mag man da ausrufen.

Doch der Text des PEN erstaunt durch differenzierte Forderungen und benennt Widersprüche ­– ohne jedoch Lösungen zu bieten.

Die Floskel des stärkeren Urheberrechts

Zunächst jedoch ist in diesem Dokument wieder die Lieblingsfloskel der Urheber zu lesen, die Forderung nach einer »Stärkung des Urheberrechts«. Doch der Nachsatz erstaunt, gegenüber wem diese Stärkung erfordern soll:

Das PEN-Zentrum Deutschland verlangt von der Bundesregierung und der EU- Kommission in Brüssel eine entschiedene Wahrung und Stärkung des deutschen und europäischen Urheberrechtes gegenüber den Interessen nationaler wie internationaler Medienunternehmen und global operierender Internetkonzerne.

Da liest man deutlich das Wort »Google« heraus. Aber sind »Medienunternehmen« nicht auch die Verlage, also die Verwerter der Urheberrechte? Bislang hatten sich Erklärungen wie »Wir sind die Urheber« mit diesen solidarisiert. Zum ersten Mal wird in einem solchen Manifest deutlich gemacht, dass die Interessen der Schreibenden nicht die der Verwertenden sein müssen.

Berechtigte Sorge bereiten den Schriftstellern die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen mit den USA. Durch diese dubios geheim verhandelte Handelsregelung droht dem Medium Buch – speziell in der elektronischen Form – die Entwertung als Kulturgut und die Herabstufung zur »elektronisch erbrachten Dienstleistung«. Hier ist Lobby-Arbeit der Urheber – auch im Sinne der Leser – dringend erforderlich.

Dass die Schriftsteller die Wahrung der Schutzfrist bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers fordern, sind natürlich Lobby-Ansprüche. Es liegt auf der Hand, dass niemand freiwillig bestehenden Schutz aufgeben will. Hier dürfte jedoch von den Konzernen kaum Gefahr drohen, denn Unternehmen wie Disney verdienen gut am toten Konzerngründer und sind daher nicht an kürzeren Schutzfristen interessiert. Allerdings wenden sich die deutschen Schriftsteller entschieden gegen die Einführung US-amerikanischer Copyright-Regelungen in das deutsche oder europäische Urheberrecht.

Die Durchsetzung ist das Problem

Unerwartet konstatiert das Manifest, dass nicht so sehr das bestehende Urheberrecht, sondern dessen Durchsetzung das Problem sei.

Ein Recht, das nicht durchgesetzt wird, ist kein Recht.

schreibt das deutsche PEN-Zentrum. Dass das bestehende Urheberrecht auch dem Umgang in der digitalen Welt gewachsen ist und nicht gestärkt werden müsse, das meinte auch der führende Urheberrechtsexperte Prof. Reto Hilty unlängst in Kassel auf einer Veranstaltung zum Thema E-Book.

Doch in einer zunehmend digitalisieren Buchwelt bedeutet »Durchsetzung« auch »Kontrolle«. Und »Kontrolle« bedeutet »Überwachung«.

Und hier liegt das Problem: Wer sich für Warnhinweise und Stoppschilder einsetzt, die der Nutzer bei Links auf illegale Inhalte zu sehen bekommt, macht sich zum Fürsprecher einer Infrastruktur, die der von Überwachungsstaaten gleicht. Denn aus Hinweisen können schnell Sperren werden. Und diese wiederum können auf andere politisch missliebige Dinge ausgeweitet werden, wie zum Beispiel unerwünschte Meinungen.

Seit der Snowden-Enthüllungen wissen wir, dass wir längst in einem Überwachungsstaat leben. Unsere digitale Kommunikation wird abgehört, gespeichert und ausgewertet. Naive Forderungen nach einer »Durchsetzung der Rechte« stärkt die staatlichen Terror-Esoteriker.

Dieses Problem hat das deutsche PEN-Zentrum offenbar erkannt, denn im »Manifest für das Urheberrecht« sprechen sich die Schreibenden im selben Atemzug gegen die Überwachung der Bürger aus:

Gleichzeitig ist auch der freie Bürger vor unangemessener digitaler Kontrolle, übertriebenen Strafmaßnahmen, und datenschutzrechtlich bedenklichen Absichten der großen Wirtschaftssysteme zu schützen. In diesem Spannungsfeld gilt es, kluge und nachhaltige Lösungen zu finden.

Das klingt weitaus abwägender als frühere Autorenerklärungen und Unterschriftenlisten. Dennoch irritieren die relativierenden Adjektive »unangemessen« und »übertrieben«. Gute Schriftsteller – zu denen die PEN-Mitglieder sicherlich gehören – setzen Adjektive nie ohne Grund ein. Definitiv misstrauisch macht das Manifest, wenn es nur von »Wirtschaftssystemen« spricht, politische Systeme aber nicht erwähnt.

Dass Durchsetzung und Bürgerrechte ein Spannungsfeld bilden, wurde jedoch erkannt.

Lösungsansätze oder Fingerzeige bietet das Manifest nicht. So heißt es:

Der Widerspruch zwischen den Rechten der Autoren und Autorinnen und den technischen Möglichkeiten der Vervielfältigung ist offensichtlich. Die Balance dieser vermeintlich gegensätzlichen Interessen muss immer wieder gesucht – und gefunden werden. Technische Nutzung und schöpferischer Prozess sollten nicht in Feindschaft zueinander stehen.

Auch das klingt gut, denn ältere Erklärungen rechneten oft mit den Nutzern technischer Systeme und deren angeblicher »Gratismentalität« ab. Auch hier geben sich die PEN-Forderungen realistischer und konstruktiver, wenngleich angedeutete Wege auch hier nicht zu sehen sind.

Doch man muss den Ton und die differenziertere Sicht des PEN auf Urheberrechtsthemen als Fortschritt sehen: Widersprüche zu erkennen und zu benennen ist ein wichtiger Schritt!

Denn Schriftsteller sind immer auch Utopisten: Sie dürfen und müssen die Überbrückung des scheinbar Unüberbrückbaren fordern. Vielleicht finden andere die Lösungen – solange sich diese sich nicht als Trojanische Pferde herausstellen.

Das vollständige Manifest kann auf der Website des Deutschen PEN-Zentrums als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Wolfgang Tischer

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1 Kommentar

  1. Dieser PEN-Text ist beinahe ein Pamphlet, und da hätte ich definitiv Blocksatz angewendet.
    Sieht viel besser aus.

    Zum Inhalt.
    Es hat nicht viel mit Urheberrecht zu tuen. Unsere Werte werden durch ein Freihandelsabkommen nicht aufgehoben. Es ist nur so, dass Handel, der auf unseren Gesetzen beruht, nicht an den Landesgrenzen aufgehalten oder limitiert werden darf. Ein Freihandelsabkommen bedeutet nicht, dass man zum Verbrecher werden darf, oder dass man tuen und lassen könnte, was man wollte.

    Meine Meinung.
    Das Urheberrecht nützt nichts, weil keiner beweisen kann, dass er die Rechte an einem Werk hat.
    Es ist ein gutgemeinter Tipp, der einem zeigen soll, wie man mit guten Sitten in Urheberrechtsfragen agiert.

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