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Hörbuchportal am Ende: claudio.de gibt auf

Claudio ist kein Hörbuchportal mehrHinter einigen Internet-Angeboten steckt eine solch gewaltige Marketing-, Konzern- und Netzwerkmacht, dass sie fast zum Erfolg verdammt sind. Doch nicht immer ist dies garantiert. Das musste vor einigen Jahren der Bertelsmann-Konzern mit bol.de erfahren, als er damit Amazon Konkurrenz machen wollte. Heute existiert die Website noch dem Namen nach, gehört jedoch zu buch.de und ist nur blau eingefärbt.

Und jetzt traf es Burda mit seinem Hörbuch-Downloadportal claudio.de, das es in dieser Form nicht mehr gibt. Offiziell ist von Sortimentserweiterung zu lesen. Tatsache ist jedoch, dass claudio.de zum Medienshoppingportal des Burda-Verlags verkommen ist, bei dem Hörbücher zum Herunterladen nur eine marginale Rolle spielen, ähnlich wie dies libri.de schon länger anbietet. claudio.de ist austauschbar geworden – ein medialer Gemischtwarenladen.

Zu groß war offenbar die Macht des Konkurrenten Audible, der mit starken Partnern wie Amazon und Apple aufwarten kann, zu gering der Kundenkreis, der Hörbücher digital erwerben will und zu klein und überlastet die Mannschaft, die für den claudio-Betrieb zuständig war.

Dabei hätten die Voraussetzungen für den Erfolg nicht besser sein können: Kein geringerer als Helmut Markwort vom FOCUS persönlich eröffnete das Portal auf der Frankfurter Buchmesse 2005 (Interview von damals in unserem Podcast). claudio.de gehört zu Burda und Verlagserzeugnisse wie der FOCUS, CHIP, TV Spielfilm, Bunte oder Playboy schienen ideal zur Platzierung günstiger (Schleich-)Werbung für das eigene digitale Hörbuchportal.

Zweiter starker Partner war der Hörverlag, der größte deutsche Hörbuchverlag, der auf claudio.de seine hochwertigen Produktionen digital anbot. Dass der Verkaufsweg claudio.de eher schmal war, ließ sich erkennen, als der Hörverlag seine Produktionen unlängst auch beim Portal-Konkurrenten Audible digital vertrieb.

Gerade gegenüber der Audible-Konkurrenz wartete claudio.de zunächst mit einem großen Wettbewerbsvorteil auf: Die digitalen Hörbücher wurden ohne Einschränkung von Nutzungsrechten (DRM) im gebräuchlichen MP3-Format angeboten. Somit war die Kompatibilität selbst mit billigen MP3-Playern gegeben, während Audible nur ausgewählte Wiedergabegeräte unterstützt. Doch auf der einen Seite war es für die Kunden trotz digitaler Fußfesseln bequemer, Audible-Hörbücher per iTunes problemlos auf den iPod zu übertragen, zum anderen waren da die Hörbuch-Verlage, die claudio.de ohne Kopierschutz keine Download-Lizenzen geben wollten. claudio.de beugte sich diesem Druck, und nicht mehr alle Produktionen waren als MP3 herunterzuladen.

Zudem wollte claudio.de anfangs mehr als ein reiner digitaler Shoppingkanal für Hörbücher sein. Ein redaktionell betreuter Bereich sollte Hintergrundberichte und Insider-Wissen aus der Szene anbieten, um Kunden und Fans zu binden. Allerdings dümpelte dieses Info-Angebot von Anfang an vor sich hin, sodass es nun im claudio-Medienshop ganz verschwunden ist.

So bleit als reines Hörbuch-Downloadportal nur mehr der deutsche Ableger des amerikanischen Unternehmens Audible übrig, der in diesen Tagen sein dreijähriges Bestehen feiert und der den Anteil der Downloads am deutschen Hörbuchmarkt mit 5 bis 10 Prozent angibt.

Doch halt: Noch gibt es zudem einige unabhängige Nischenportale wie www.soforthoeren.de oder www.diadopo.de, die ihren Umsatz mit hochwertigen und dennoch günstigen Klassiker-Vertonungen oder mit Trash-Produktionen im Fantasie- und Horrorbereich bestreiten. Auf die bekannten Produktionen der großen Hörbuchlabel verzichten diese Portale bewusst, da man dem Kunden keine digitalen Fußfesseln anlegen will und daher fast nur das MP3-Format angeboten wird.

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