
Nachdem sich Birgit-Cathrin Duval vor einiger Zeit die Frage gestellt hat, warum das Buch »Der Salzpfad« zum weltweiten Bestseller wurde, wollte sie herausfinden, ob die Geschichte als Film besser gelungen ist. Und dann gab es noch die Vorwürfe gegen Autorin Raynor Winn.
Aus Versehen historisch im Original
Es war eher versehentlich, dass ich mir den Kinofilm in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln angesehen habe. Nicht in irgendeinem Kino, sondern in unserem kommunalen Kino in Kandern. Ein Kino, das heutzutage Seltenheitswert besitzt, steht es doch als Kulturgut unter Denkmalschutz.
Wer das Foyer betritt, fühlt sich augenblicklich in der Zeit zurückversetzt in die 50er Jahre. 1956 als »Blumen-Lichtspiele« eröffnet, sieht das Kino fast 70 Jahre später noch genau so aus. Da sind die farblich in hellen Brauntönen und mit locker eingestreuten Mosaiksteinen gehaltenen Bodenplatten, die blauen und gelben kissenartigen Bespannungen der Wände, die Leuchtkörper und die originalen Hocker, auf denen es sich auch nach 70 Jahren prima sitzt. Da ist der erkerartige Kiosk, gleichzeitig das Kassenhäuschen mit dem historisch anmutenden Schaltkasten und den hölzernen Warenregalen. Der Kinosaal mit der roten Wandverkleidung, durchbrochen von senkrechten, in gelb gehaltenen Wandstreifen. Auch hier die originalen Beleuchtungskörper aus den 50er Jahren.
Im längst modernisierten und mit neuster Technik ausgestatteten Vorführraum stehen noch die alten Bauer »Kinomaschinen«, Filmrollen, Schneidegeräte, als wäre die Zeit nie vergangen. Wer nach Kandern ins Kino geht, kommt nicht wegen der neuesten Filme, die mit zeitlicher Verzögerung über die Leinwand flimmern. Es ist das Eintauchen in eine längst vergangene Zeit, die hier auf liebevolle Weise weiterlebt und den Kinobesuch zu einem besonderen Erlebnis macht.
S-Wörter und Schnarchen
In diesem Kino war »Der Salzpfad« für zwei Abende hintereinander angesetzt, nachdem der Film am 17. Juli 2025 seine Deutschland-Premiere hatte. Am ersten Abend lief die synchronisierte Fassung, am zweiten die Originalfassung. Es war unerheblich, ob Original- oder Synchronfassung, viel gesprochen wurde ohnehin nicht. Überwiegend waren S-Wörter zu hören, weil entweder kein Mobilfunkempfang oder der Bankautomat spuckte keine 2 Pfund aus oder das Zelt wurde vom Winde oder von Wellen verweht. Oder man hörte Moths Stöhnen, da er an einer unheilbaren Nervenkrankheit leidet und sein Körper von den Strapazen des Wanderns schmerzte und der Rucksack schwer war. Oder man hörte sein Schnarchen nachts im Zelt.
Dann war da die Choreografie des Films. Dramatischer Beginn mit sturmgepeitschten Wellen, die das Zelt unterspülen und mit sich fortreißen. Die vielen Rückblenden bremsen den Erzählverlauf. Doch erst durch sie erfahren Zuschauer, die die Geschichte nicht aus dem Buch kennen, den Grund, weshalb sich die beiden auf Wanderschaft begeben. Nicht aus Lust, sondern aus purer Not.
Was den Film aber scheitern lässt, ist das wenig inspirierte, aufgesetzte Spiel seiner Protagonisten. Gillian Anderson in ihrer Rolle als Raynor Winn und Jason Isaacs als Ehemann Moth können ihrer Rolle als obdachlos und mittellos gewordenes Paar in ihren 50ern nicht gerecht werden. Liegt es am Drehbuch oder an der Regie, für die sich Marianne Elliott verantwortlich zeichnet, die bislang überwiegend fürs Theater gearbeitet hat, dass es nicht gelingt, die Protagonisten überzeugend darzustellen?
Teebeutel teilen
Gillian Anderson als Raynor und Jason Isaacs bleiben mir als Protagonisten gleichgültig. Beide schaffen es nicht, eine Identifikation mit ihrer Geschichte herzustellen. Ob sie ihren Teebeutel teilen oder Raynor mit einer Hand(!) den schweren Rucksack von Moth einen steilen, treppenartigen Pfad hinaufschleppt, nichts hat mich hineingezogen in ihre Geschichte. Ich konnte mit den Charakteren keine Identifikation herstellen. Die Szene, die mich zumindest ein wenig rührte, war die, in der Moth den Entzug seiner Medikamente durchmacht und sich danach fitter und gesünder fühlt.
Eigenartigerweise war es dieser Teil der Geschichte, die meiner Meinung nach den Erfolg des Buches ausmachte: Moth, der seiner Krankheit trotzt und durch das Wandern zwar keine Heilung, aber genügend Stärke findet, um der Krankheit zu trotzen. Wandern, um den Schmerz zu lindern, Wandern, um der Welt zu entkommen. Wandern als (All-)Heilmittel.
Doch genau dieser Aspekt ist es, der durch die britische Zeitung The Observer in Frage gestellt wurde. Am Ende bleibt der Film wie das Buch: Eine Geschichte über ein Paar, das mit dem Wandern versucht, das Leben zu meistern. Dass daraus ein Weltbestseller wurde, liegt an einer Geschichte, deren Anlass fragwürdig bleibt. Das aber dürfte den Fans von Raynor Winn egal sein. Sie werden den Film ebenso feiern und ergreifend finden wie das Buch.
Birgit-Cathrin Duval

