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Urheberrecht: Schirach heult und Mattusek wirft die Atombombe

Vom geköpften Schaf zu den Piraten

Ferdinand von Schirach: Verbrechen
Schirach-Bestseller »Verbrechen«

Schirachs Essay ist überschrieben »Weil wir nicht anders können« und beginnt mit der Beschreibung eines Experiments.

Zwei Kunststudenten hätten dabei, Schirach zufolge, im Internet darüber abstimmen lassen, ob man ein Schaf guillotinieren solle oder nicht. Angeblich sprachen sich 40 Prozent der Teilnehmer der Abstimmung dafür aus.

Diesen Schockmoment nutzt Schirach als Ausgangspunkt zu einigen grundsätzlichen Überlegungen zur repräsentativen Demokratie und deren vermeintlicher Gefährdung durch zu viele Elemente einer direkteren Form der Demokratie. Wobei er schon nach wenigen Zeilen auf die Piratenpartei zu sprechen kommt, an der er kaum ein gutes Haar lässt. Er  unterstellt ihr nicht nur Unvernunft, sondern spricht ihr auch einen Einfluss zu, der weit über ihre tatsächliche Macht hinausgeht.

So weit so gut.

Auch ich halte die Piraten für nicht regierungsfähig und derzeit noch nicht einmal für eine regelrechte Partei, denn dazu gehört eine tragfähige Struktur, die die Piraten bisher immer noch vermissen lassen.

Ich will mich auch gar nicht über Schirachs Ansichten zu den Piraten und den tatsächlichen oder vermeintlichen Gefährdungen einer direkteren Form der Volksbeteiligung an politischen Entscheidungen auslassen. Das sind und bleiben private Auffassungen, die in angemessener Form in einem freien Land frei geäußert werden sollen.

Mitleid hat immer etwas von einem Gnadengesuch

Was mich an Schirachs Essay so ärgert ist, dass er nach dem Einstieg über geköpfte Schafe und Volksabstimmungen dazu übergeht, romantisch aufgehübscht die vermeintlichen und tatsächlichen Härten des Autorendaseins zu schildern, um schließlich an die Leserschaft zu appellieren, doch bitte Mitleid mit den Autoren zu haben, sich also vor dem Herunterladen eines Buches auf irgendeiner Tauschbörse bitte schön die ganz speziellen Härten des Autorendaseins ins Gedächtnis rufen sollen.

Mitleid hat immer etwas von einem Gnadengesuch.

Wir Autoren haben keine Gnadengesuche nötig.

Was wir nötig haben, ist Respekt.

Um Respekt bittet man allerdings nicht. Der steht einem ehrlichen Arbeiter im Bergwerk der Worte einfach zu. Falls er einmal verloren geht, dann ist er eben hörbar und sichtbar einzufordern. Es ist auch gar keine besondere Art von Respekt, die ich hier meine. Sondern nur jene ganz gewöhnliche Art von selbstverständlicher Anerkennung, wie er auch jeder anderen professionell betriebenen Tätigkeit zukommt.

Ferdinand von Schirach hätte besser daran getan, Respekt einzufordern, statt sich auf seine weinerliche Mitleidstour zu begeben.

Trotzdem erscheint mir gerade wegen dieses bittstellerischen Tons sein Essay symptomatisch für viele andere ähnliche Äußerungen von Kulturschaffenden und Kreativen aus der letzten Zeit.

Stets heißt es da, irgendeine Gruppe – ob es nun die so genannte »Netzgemeinde« sei oder die vermeintlich grundsätzlich bösen Verwertungsmaschinerien der Konzerne – sollte sich doch bitte, bitte die Wünsche der Kreativen zu Herzen nehmen, um größeren Schaden von ihnen abzuwenden.

Bittsteller sind in der benachteiligten Position

Aber Bittsteller sind von Anfang an in der benachteiligten Position. Unter anderem deswegen ging die Arbeiterschaft in der ganzen Welt ab Mitte des 19. Jahrhunderts dazu über zu streiken, statt zu bitten. Merke: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm das will.«

Ich spreche mich hier gar nicht für einen solchen Streik der Kreativen aus. Aber ich will dennoch in die Runde rufen, dass man einen Partner mit einer gehörigen Position Selbstrespekt auch respektvoller behandelt als einen, der sich von Anfang an ganz von selbst auf die Rolle eines Bittstellers reduziert.

Wenn Herrn von Schirach die Angst vorm illegalen Download seiner Bücher umtreibt – spätestens nach diesem Artikel wird er von jedem Piratenhäuptling als Naivling belächelt. Und folgerichtig auch dementsprechend behandelt werden.

Wir Autoren sind Dienstleister – nicht weniger, aber auch bestimmt nicht mehr. Nur ist der wahre und eigentliche Adressat unserer Dienstleistungen eben kein Verlag, sondern der Leser.

Ein Fakt, den aber nicht nur Herr von Schirach in seinem Text zum Urheberrecht so ziemlich außen vor lässt. Der Mann ist weder naiv noch dumm. Man sollte ihm zugestehen, dass er diesen einfachsten Aspekt des Autorengeschäfts verstanden hat.

Trotzdem behauptet er in seinem Essay, es sei absurd von einem Autor, neben der mit angeblich so übermäßigen Härten überfrachteten Tätigkeit des Schreibens auch noch zu verlangen, dass er seine Werke selbst vermarktet.

Dabei ist gerade dies für die meisten Kollegen alltägliche Realität, deren Titel in einer um ein paar zehntausend Stück geringeren Startauflage erscheinen als die Ferdinand von Schirachs. Und was diesen Aspekt betrifft, höre und lese ich immer öfter gerade von Kollegen, die es eigentlich genauso wie Schirach besser wissen sollten, dass es unnötige Risiken bedeute, auf dem Höhepunkt der Urheberrechtsdebatte einen Verteilungskampf mit den Verwertern anzuzetteln.

Aber – wann denn sonst? Dann etwa, wenn endlich ein neues Gesetzespaket geschnürt und durchgepeitscht wurde, in dem unsere eigenen Ansprüche wieder einmal unter den Tisch gekehrt wurden?

Ein Schalk, der sich Böses dabei denkt.

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6 Kommentare

  1. Wie immer – mittelmässige begabte und mittelmässig erfolgreiche – Autoren wie der unbekannte David Gray werfen den Leuten, die tatsächlich Bestseller schreiben können, vor…sie würden das Problem nicht verstehen.
    Das Gegenteil ist der Fall. Leute wie Gray müssen keine Angst vor illegalen Downloads haben, weil sich sowieso keine grössere Leseranzahl für ihre Werke interessiert. Daraus resultiert auch der Neid und Hass auf die Kollegen, die tatsächlich Bücher schreiben, die huntertausende von Leuten lesen wollen. Falls Autoren Probleme haben, Verlage zu finden….können Sie im Zeiten des Webs toll ihre eigenen Bücher verbreiten. Aber sie sollen Ihre – aus mangelndem Erfolg und mangelndem Zuschauertinteresse geborene Philosophie nicht uzum Gesetzesgut erheben. Schirach hat mit jedem Wort recht gehabt. Wenn hunderttausende von Menschen ein Buch lesen wollen, so haben sie dafür zu zahlen. Genauso, wie sie für eine Wurstsemmel, ein Fahrrad oder eine Reise bezahlen. Sie nutzen das Werk, sie zahlen dafür. Einmal wieder merkt man, dass diese ganze Debatte von den erfolglosen Autoren / Musikern / Filmemachern, die sowieso nichtsz u verlieren haben, dazu genutzt wird, ihren erfolgreicheren Kollegen ein Bein zu stellen. Kunst ist kein Hobby. Musik ist kein Hobby. Jederfalls nicht für die Künstler, die man wahrlich als solche bezeichnen kann. Es ist ihr Leben, ihr Beruf. Wenn man ihre Werke nutzen möchte, hat man dafür zu bezahlen. Sollte eigentlich ein 5 jähriger verstehen. Weinerlich war Schirach’s Tonfall nicht mal im Ansatz, er hat einfach nur die Realität eines professionellen Autors geschildert, die Arbeit hinter einem Werk. Die Realität eines Hobbyautors wie David Gray ist eine andere.

  2. @Vincent
    Der Kommentar ist gespickt mit Bewertungen und Unterstellungen, die mich erschaudern lassen. Als mittelmäßig begabter, mittelmäßig erfolgreicher und in logischer Folge dessen auch unbekannter Autor, erlaube ich mir diesen versierten Kommentar zu kommentieren. Ich hoffe sehr, dass mir deshalb nicht zwangläufig ‘Neid und Hass’ unterstellt wird. Ich versichere im Voraus, dass dies beides Gefühle sind, die zu fühlen ich nicht im Stande bin. Und jemanden ein Bein zu stellen halte ich für ebenso dümmlich, wie eine pauschale Unterstellung, Selbiges zu tun.

    Tatsache ist, dass durch die Existenz des Internets, neben viel Positivem u. A. eben auch ein Problem entstanden ist (illegale Downloads), auf das bisherige Verwertungsformen und Gesetze nicht vorbereitet waren – und wohl derzeit auch nicht sind. Es geht gleichsam um die (Ent-)Kriminalisierung von Nutzern und um die Bezahlung von Künstlern. Die Frage ist nicht ob – sondern wie. Ob ein 5-jähriger diesen Sachverhalt begreifen würde, wo doch selbst als gebildet geltende Erwachsene dazu kaum in der Lage scheinen, erlaube ich mir zu bezweifeln.

    Und nein – Schirach hat nicht mit jedem Wort recht. Wo gibt es denn so was?

    Zu Matussek bliebe zu sagen, dass auch ein latenter und geschickt verworteter Hitlervergleich nichts weiter als ein Hitlervergleich ist. Also der Hitler und den Vergleichen. Was ein Quatsch.

    Ein bisschen weniger Angst und Wut – und ein bisschen mehr Verstand und Gelassenheit. Das Problem ist groß genug, es nicht mehr verdrängen zu können. In dieser Hinsicht sind mir die Beiträge hier eine wahre Freude.

  3. Was die Urheberrechtsdebatte ist noch im Gange, zum Glück schau ich kein TV und lese auch keine Nachrichten, sonst wäre ich wahrscheinlich schon wechgelaufen.
    Was glauben diese Affen denn? Was wenn die ein Gesetz machen das sagt, dass ihr alle um 14.30 Uhr einmal hüpfen müsst, und deswegen auch noch den Hüpfkontrolldienst ins Leben rufen, -wie die Polizei kommt der vorbei, und wenn ihr nicht spurt bringen die euch ins Irrenhaus.
    Gesetze fordern, so ein Schwachsinn!
    Für Gehirnausfall sollten Gebühren erhoben werden.

  4. Hm, ich verstehe die Kritik, aber nicht die Hochachtung vor dem Kritisierten -Atombombe? wenn ein Kleingeist es geschafft hat, sich einen “gehobenen” Stil anzueignen und in der Medienschickeria mitmischen darf, neigt man wohl zur Ãœberhöhung. Für mich hat Hr.M. die Piraten schlicht mit Dreck beworfen -und zwar mit allem, den er aus der Gosse kratzen konnte -sein Beitrag zur Debatte war unsäglich dämlich, pardon. Aber es bleibt ja immer etwas hängen, und so können viele Bildungsbürgerlein über die Piraten ihr Näschen rümpfen und sich auch noch tolerant fühlen: “Ach, ja, aber so hart wie der Matussekt würd ich das nicht sagen” Einen echten Beitrag zur Debatte findet man in der Berliner Gazette:
    http://berlinergazette.de/piratenpartei-erfolgsgeschichte-bieber/

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