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Poet der Pilze: Markus Manfred Jung »Vom Glück des Findens«

Markus Manfred Jung: Vom Glück des Findens

Was haben Pilze und Poesie gemein? Natürlich nichts, erstmal. Bis sich der Poet Markus Manfred Jung seiner Lieblingsbeschäftigung, der Pilzsuche, widmet und ein wunderbares Büchlein entsteht. »Vom Glück des Findens« erzählt Pilzpoesie auf Alemannisch. Lesen kann man es auch auf Schriftdeutsch.

Markus Manfred Jung ist Mundartdichter und wurde erst kürzlich mit dem Gerlinger Lyrikpreis der Petra Schmidt-Hieber Literaturstiftung ausgezeichnet. Seine Gedichte bringen das Alemannische zum Klingen und Leuchten, heißt es von der Jury über seine Schriften.

Markus Manfred Jung (Foto: privat)
Markus Manfred Jung (Foto: privat)

Nun bin ich der alemannischen Sprache mächtig, lebe im Nachbartal des aus dem Kleinen Wiesental im südlichen Schwarzwald stammenden Mundartlyrikers. Und Pilze kenne ich auch einige. Was also lag näher, als sein neustes Werk »Vom Glück des Findens« zu schmökern. Schließlich ist ja Herbstzeit. Hochsaison für Pilze, die heuer in besonders üppigen Maß aus dem Waldboden sprießen.

Das knapp 130 Seiten zählende Büchlein präsentiert 33 Pilzgeschichten aus dem Leben des Manfred Markus Jung. Jede Geschichte widmet sich dabei jeweils einer Pilzsorte, zu der es heitere, besinnliche oder komische Anekdoten zu erzählen gibt.

Amateur sei er, berichtet Jung, der sich glücklich schätzt, »wenn ich am Ende einer Pilzsaison Exemplare von vielleicht 35 verschiedenen essbaren Sorten gefunden, geputzt und gegessen habe, mit aller Freude und allem Genuss dabei.«

Die Pilzsuche, so Jung, sei seine Auszeit, die ihn aus seinem Leben herausnimmt, die ihn im Rhythmus der Natur atmen lässt, selbst in Zeiten großer Not oder Niedergeschlagenheit, wirkt der Waldgang wahre Wunder. »I schnuuf mi ii in de Rhythmus von de Natur«, heißt es im Alemannischen. »Hauptsach i schaff s, d Schueh aazzieh, en Anorak aazlege, e Messerli iizschtecke…« Während ich meine Mundart in gedruckter Form lese, beginnen die Worte zu singen, ja, sie klingen und leuchten.

Hach, wie schön, einen so wunderbaren Dialekt zu sprechen. Okay, ich gebe zu: Um mich durch das Büchlein zu lesen, habe ich mich zunächst den Seiten in standarddeutscher Version gewidmet. Denn auch das lässt sich ganz wunderbar lesen. Aber wenn es um den Test geht, wie man einen milden Täubling von den leicht giftigen Speitäublingen unterscheidet, dann liest sich das in alemannischer Mundart so poetisch, wie man es auf Schriftdeutsch niemals ausdrücken kann:

»… un im schlimmschte Fall, wenn s Stückli chilischarf wäri, tät mer s sofort usschpeue un no drei-,viermool hintenooch spauze, so garschtig wäri de Gschmack… Spueue, spucke, spauze, bäh!«
–– Markus Manfred Jung: »Vom Glück des Findens«

In der hochdeutschen Übertragung des Autors:

»… und im schlimmsten Fall, wenn das Stückchen chilischarf wäre, müsste man es unwillkürlich sofort ausspeien und noch drei-, viermal hinterherspucken, so garstig wäre der Geschmack…. Speien, spucken, bäh!«

Ja, das Schmökern bereitet Freude. Man lernt so einiges über Pilze und möchte eigentlich sofort am liebsten im Wald herumstreunern und nach Pilzen gucken. Der Autor spannt die Pilzsuche, die er als Kind zusammen mit seinem Vater in den heimischen Wäldern begann über die Studienzeit in Norwegen, wo er von einer Studienfreundin viel über die wundersamen Fruchtkörper lernte bis hin zu Dos und Don’ts bei der eigenen Pilzsuche. Spätestens dann, wenn man liest, wie der Pilzpoet den waldwürzigen Duft seiner getrockneten Totentrompeten beschreibt und er diese mit Pfannkuchen anrichtet, ist es um einen geschehen.

»Au bi Schinke- oder gar Schinke-Chäs-Amlette schmecksch d Pilz allimools no so richtig agnehm uuse; e selbergmachte, ungsüeßte Öpfelmues däzue. Dodäfür tät i uf Jerusalem pilgre.«
–– Markus Manfred Jung: »Vom Glück des Findens«

In der hochdeutschen Übertragung des Autors:

»Auch bei Schinken- oder gar Schinken-Käse-Pfannkuchen schmeckt man die Pilze immer noch so richtig angenehm heraus; dazu gehört selbergemachtes ungesüßtes Apfelmus. Für dieses Gericht würde ich nach Jerusalem pilgern.«

Und wir, ja wir pilgern in den nächsten Buchladen, um uns das Büchlein zu kaufen. Dieses wunderschöne Büchlein, voller Lebensweisheiten, Pilzfotografien, heiteren Geschichten will gelesen werden, bevor die Pilzsaison sich ihrem Ende neigt oder wenn sie längst vorüber ist.

Birgit-Cathrin Duval

Markus Manfred Jung: Vom Glück des Findens – 33 Pilzgeschichten in alemannischer und standarddeutscher Version mit 33 Pilzfotos von freundlichen Menschen, Drey-Verlag, 125 Seiten, ISBN 9783948482060, 20 Euro

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