
Punkt 10 Uhr am Dienstag, 19.08.2025, verkündete die Jury des Deutschen Buchpreises die mit Spannung erwarteten 20 Nominierten für 2025. Aus 200 eingereichten Romanen von 124 Verlagen haben die sieben Jurymitglieder unter Vorsitz von Laura de Weck ihre Auswahl getroffen – und dabei für die eine oder andere Überraschung gesorgt.
Der Deutsche Buchpreis 2025: Termine und Preisgelder
Der Deutsche Buchpreis zeichnet seit 2005 jährlich den »Roman des Jahres« aus. Die Longlist bildet den ersten Schritt im mehrstufigen Auswahlverfahren. Am 16. September wird die Shortlist mit nur noch sechs Titeln bekanntgegeben, die Preisverleihung findet traditionell am 13. Oktober zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Der Hauptpreis ist mit 25.000 Euro dotiert, die Shortlist-Kandidaten erhalten jeweils 2.500 Euro.
Jury-Sprecherin: »Um die Zukunft muss man sich Sorgen machen, nicht aber um die der Literatur«
»Sprachgestaltung, Erzählverhalten und die beängstigende Gegenwart haben uns im fragilen Jahr 2025 unter anderem in der Jury-Debatte geleitet«, erklärte Jurysprecherin Laura de Weck bei der Bekanntgabe. »Unsicherheit bestimmt unsere Zeit. Aber eines ist sicher: Die diesjährige Longlist versammelt 20 herausragende Romane, die in aller Vielfalt unsere wackelige Wirklichkeit spiegeln – in klassischen Erzählformen, Redeteppichen und wilden Listen, in historischen Panoramen, Gegenwartsbeobachtungen und Dystopien, in autobiografischen und fantastischen Geschichten.«
Die 20 nominierten Romane
Die nominierten Romane in alphabetischer Reihenfolge:
- Kathrin Bach: Lebensversicherung (Verlag Voland & Quist, Februar 2025)
- Marko Dinić: Buch der Gesichter (Paul Zsolnay Verlag, August 2025)
- Nava Ebrahimi: Und Federn überall (Luchterhand Literaturverlag, September 2025)
- Dorothee Elmiger: Die Holländerinnen (Carl Hanser Verlag, August 2025)
- Kaleb Erdmann: Die Ausweichschule (park x ullstein, Juli 2025)
- Annett Gröschner: Schwebende Lasten (Verlag C.H.Beck, April 2025)
- Dmitrij Kapitelman: Russische Spezialitäten (Hanser Berlin, Februar 2025)
- Jina Khayyer: Im Herzen der Katze (Suhrkamp Verlag, Juli 2025)
- Jehona Kicaj: ë (Wallstein Verlag, Juli 2025)
- Michael Köhlmeier: Die Verdorbenen (Carl Hanser Verlag, Januar 2025)
- Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung (Carl Hanser Verlag, Januar 2025)
- Thomas Melle: Haus zur Sonne (Verlag Kiepenheuer & Witsch, August 2025)
- Jacinta Nandi: Single Mom Supper Club (Rowohlt Hundert Augen, Juni 2025)
- Gesa Olkusz: Die Sprache meines Bruders (Residenz Verlag, März 2025)
- Lena Schätte: Das Schwarz an den Händen meines Vaters (S. Fischer Verlag, März 2025)
- Lina Schwenk: Blinde Geister (Verlag C.H.Beck, August 2025)
- Fiona Sironic: Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft (Ecco Verlag, März 2025)
- Peter Wawerzinek: Rom sehen und nicht sterben (Penguin Verlag, September 2025)
- Christine Wunnicke: Wachs (Berenberg Verlag, März 2025)
- Feridun Zaimoglu: Sohn ohne Vater (Verlag Kiepenheuer & Witsch, Februar 2025)
»Die Assistentin« von Caroline Wahl ist nicht dabei
Die wohl meistgestellte Frage vor der Longlist-Bekanntgabe lautete: Steht Bestseller-Autorin Caroline Wahl (»22 Bahnen«) diesmal drauf? Die Antwort ist ein klares Nein. Ihr neuer und von vielen erwarteter Roman »Die Assistentin« (Rowohlt, August 2025) hat es nicht auf die Liste geschafft – ein Jahr nachdem die Autorin auf Instagram öffentlich ihre »Traurigkeit und Wut« über die Nicht-Nominierung von »Windstärke 17« kundgetan hatte.
Wahl hat nach ihren zwei Bestsellern den Verlag gewechselt, von DuMont zu Rowohlt. Doch auch der neue Verlag konnte der Jury offenbar nicht die nötige Überzeugungskraft verleihen. Dabei hatte Wahl 2024 noch selbstbewusst erklärt: »Den Deutschen Buchpreis hole ich mir auch irgendwann.« Dieses »irgendwann« ist 2025 definitiv noch nicht gekommen.
Frauen vs. Männer: Fast ausgeglichen
Von den 20 nominierten Titeln stammen elf aus dem Frühjahrsprogramm (Januar bis Juni), neun aus dem Herbstprogramm (Juli bis September). Die Geschlechterverteilung zeigt sich diesmal nahezu paritätisch: Elf Autorinnen stehen neun Autoren gegenüber. Damit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort, wonach beide Geschlechter auf der Longlist mindestens gleichberechtigt vertreten sind – ein deutlicher Wandel gegenüber früheren Zeiten.
Etablierte Namen und neue Gesichter
Unter den Nominierten finden sich sowohl literarische Schwergewichte als auch vielversprechende Neuentdeckungen. Zu den Bekannten: Michael Köhlmeier steht mit »Die Verdorbenen« (Hanser) zum wiederholten Mal auf der Liste, ebenso Jonas Lüscher mit »Verzauberte Vorbestimmung« (Hanser). Thomas Melle kehrt mit »Haus zur Sonne« (Kiepenheuer & Witsch) zurück, nachdem er bereits mehrfach nominiert war.
Auch unbekanntere Namen haben es wieder geschafft. Jehona Kicaj mit dem minimalistisch betitelten »ë« (Wallstein) oder Fiona Sironic mit dem poetisch-anarchischen »Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« (Ecco) bringen frischen Wind in die Auswahl.
Verlage: Die üblichen Verdächtigen – mit Überraschungen
Hanser führt die Verlagsliste mit drei Titeln an (Köhlmeier, Lüscher, Elmiger), gefolgt von C. H. Beck und Kiepenheuer & Witsch mit jeweils zwei Nominierungen. Wallstein, Voland & Quist und Berenberg zeigen, dass auch abseits der Großverlage und -konzerne literarische Qualität entdeckt wird.
Thematische Vielfalt: Von Familiengeschichten bis zur Sprachreflexion
Die Titel allein versprechen thematische Vielfalt: Neben klassischen Familienerzählungen wie »Die Sprache meines Bruders« (Gesa Olkusz) oder »Das Schwarz an den Händen meines Vaters« (Lena Schätte) finden sich experimentellere Ansätze. Dorothee Elmiger mit »Die Holländerinnen« dürfte wieder ihre charakteristische Mischung aus essayistischem und erzählerischem Schreiben bieten.
Wer sonst noch fehlt – und was das bedeutet
Abgesehen von Caroline Wahl vermisst man weitere große Namen des Herbstprogramms. Besonders auffällig: Wolf Haas mit »Wackelkontakt« steht nicht auf der Liste, obwohl sein Roman vielfach gelobt wurde. Ebenso fehlt Kristine Bilkau, deren »Halbinsel« im März den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hat – normalerweise ein Indikator für Buchpreis-Tauglichkeit. Auch Christian Kracht mit »Air« (ebenfalls Leipzig-nominiert) und Ralf Rothmann mit »Museum der Einsamkeit« haben es nicht geschafft.
Die sonst so verlagsstarken Häuser Fischer, Suhrkamp und Rowohlt sind verhältnismäßig schwach vertreten – Suhrkamp nur mit einem Titel, Fischer ebenfalls, Rowohlt gar nur mit dem Ableger »Hundert Augen«.
Die Jury unter Laura de Weck hat sich offenbar bewusst für eine Mischung aus etablierten und neuen Stimmen entschieden. Ob diese Strategie bei der finalen Preisvergabe aufgeht, wird sich am 13. Oktober zeigen. Bis dahin bleibt genug Zeit, die nominierten Titel zu entdecken – und Caroline Wahl wird sich überlegen müssen, ob sie 2025 erneut einen Instagram-Post zur Nicht-Nominierung verfasst.
Hinweis/Korrektur: In einer früheren Version des Beitrags war bei den unabhängigen Verlagen auch Ecco erwähnt. Ecco ist jedoch ein Imprint des Buchkonzerns HarperCollins.
Da muss ich mich aber fragen, wer am heutigen „Dienstag“ im Literaturcafe „Dienst tat“, denn der Rechtschreibfehler steht jetzt schon seit mehr als einer Stunde im Anfang dieses Beitrages.
Rechtschreibfehler als Diens(t)tat. Danke für den Hinweis!
Mir ist egal wer gewinnt, solange sich wieder jemand so herrlich aufregt wie Clemens Meyer im vergangenen Jahr 😉