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Kongress der Buchstaben
von Hans E. Aeschlimann

Der Kongress der Buchstaben fand, wie jedes Jahr in Prosa statt. Prosa hatte sich selbst zur heimlichen Hauptstadt der Literatur erk?rt. Lyrik hatte stets mitgeeifert, doch schlie?lich zog sie sich aus dem Rennen zur?ck und vergn?gte sich mit Reimen.
     Die Sitzordnung wurde, wie jedes Jahr ausgelost. Fr?her dominierte immer das A, und das ohnehin stumme Z sa? verloren hinter dem W, welches sich gleich auf zwei Sesseln breit machte. Dies f?hrte zu Protesten, an welchen sich auch noch die Satzzeichen, gef?hrt vom Ausrufezeichen beteiligten. W f?hlte sich wohl in dieser Welt, hatte es doch die Fragew?rter und selbstverst?ndlich auch noch das Fragezeichen hinter sich. Fragen sind immer gut, Fragen sind offensiv.
     Die Verwandtschaft mit V, dem ausgemergelten Schwager, wie W scherzhaft betonte, war ihm eher peinlich, als angenehm.
     Auch dieses Jahr wurden wieder die neuesten W?rter bestimmt. Die Technik machte keinen Halt mehr, und die Buchstaben, vor allem Y und C, die F?hrer der Fremdw?rterdynastie, litten unter Stress. Doch W war das alles egal. Er vergn?gte sich auf den, bis in den Morgen dauernden B?llen mit seinen Geliebten und schlief lange aus.
     S, C und H hatten zusammen, wenigstens f?r einige Sonderarbeiten fusioniert, doch die Fremdsprachenabteilung, allen voran die Britten, hatten massive Proteste eingeleitet, was zu Demonstrationen und Unruhen f?hrte. Tafeln mit Aufschriften wie Sh.. for us! zierten nun die britische Hauptstadt. ?Wo, k?men wir denn hin, wenn jedes Land Sondew?nsche anregte??, rief W, unterst?tzt vom kleinen o laut in den Saal. Wie gro? auch der Protest im Saal war, sie konnten sich nicht einigen. Weder W noch die Ausrufezeichen f?hrten die Diskussion zu einem friedlichen Ende.
     Der Buchstabenkongress wurde aufgel?st und der letzte Beschluss war trotzdem noch ein einiges Resultat. Jedes Land und jede Sprache sollte zuk?nftig einen eigenen Kongress f?hren. Sogar die kyrillischen und die chinesischen Schriftzeichen hatten ausnahmsweise kein Veto eingereicht. ?Warum eigentlich nicht??, f?hrte W wieder das Schlusswort an, der nicht leiden konnte, wenn keine Fragen offen waren.

© 2002 by Hans E. Aeschlimann. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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