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Das frustrierte F
von Dietmar Götz

Das F stand am Fenster, blickte hinaus in die Ferne und dachte wieder einmal über die vielen Ungerechtigkeiten nach, die das Leben so bereithielt.
     Alle hatten sie schöne oder wichtige Worte erhalten, die sie einleiten durften. Nur ich nicht, überlegte das F. So ging das nicht weiter. Das F beschloss daher zum, Amt zu gehen, um sich zu beschweren. Ja, das Amt war sehr wichtig. Es konnte entscheiden. Ausgerechnet das  A hatte sich das schöne Amt unter den Nagel gerissen.
     Mit dem ihm eigenen, finsteren Blick machte sich das F schließlich auf den Weg zum Amt.
     Dabei nahm es die Abkürzung durch den Stadtpark, wo ein Pärchen verliebt auf einer Bank saß. Sofort fiel dem F wieder das L ein. Die beiden mochten sich überhaupt nicht. Gerade dieses L war so raffgierig und tat immer so als ob es kein Wässerchen trüben könne. Das L erfreute sich bei den Menschen allergrößter Beliebtheit. Denn es stand für die Liebe. Wie war das möglich, an so ein Wort heran zu kommen. Da musste Vetternwirtschaft im Spiel sein. Dem F dagegen war nur das hässliche Wort Fi?.  geblieben, das die Menschen immer nur in sehr ordinärer Weise verwendeten. Und ob das noch nicht genug sei, hatte das L auch noch das Lachen erhalten. Alle Menschen lachten gerne und das L durfte immer dabei sein. Schändlich, wirklich schändlich, wie sich einige auf Kosten der anderen hervortaten. Und das alles wurde vom Amt auch noch geduldet. Na warte nur, du ungerechtes Amt, heute werde ich dich zur Rede stellen. Es müssen Änderungen her. Gewaltige Änderungen. Und ich werde nicht eher gehen, bis mir endlich Gerechtigkeit widerfährt.
     Das F dachte in seinem Eifer sogar an eine Sitzblockade. Ja man könnte sich im .Amt sogar anketten, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Irgendwo, vielleicht an einem Heizkörper, würde sich schon eine Möglichkeit finden. Und die Presse müsste natürlich informiert werden. Solche Gedanken gingen dem F durch den Kopf, als es wütend Richtung Amt stapfte.
     Im Amt angekommen, sah es gleich ein Schild mit der Aufschrift »Leiter des Amtes«. Nun kamen dem F Zweifel, ob ihm hier überhaupt Gerechtigkeit widerfahren konnte. Denn es war nicht zu übersehen, dass dieses L sich auch im Amt, das eigentlich verpflichtet war, Neutralität zu wahren, schon auf höchster Ebene breit gemacht hatte.  Doch nach kurzem Zögern, beschloss das F, die Sache zumindest zu versuchen. Es war nun einmal hier, und mehr als eine Abfuhr konnte ihm ohnehin nicht passieren.
     Schließlich saß das F dem Leiter gegenüber der sich in aller Ruhe das Anliegen des F anhörte.
    
»Es ist einfach ungerecht, dass ich überhaupt keine schönen Worte bekommen habe. Wissen Sie, wie stehe ich denn da. Selbst die Nachbarn tuscheln schon über mich. Nur der Sohn des Nachbarn, ein richtiger Flegel, der grüßt mich natürlich immer freundlich. Frust und faul und solche Worte machen mich einfach fertig. Wenn die einen vom Himmel und vom Paradies sprechen, werde ich nur beim Fegefeuer erwähnt. So kann ich nicht weiterleben.«
     Nachdem das F noch einen ganzen Katalog mit Beispielen vorgebracht hatte, schwieg es und wartete auf eine Antwort des Leiters.
     Der lehnte sich bedächtig zurück und sprach das F dann in ruhigem Ton mit einem Lächeln im Gesicht an:
     »Weißt du F, wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Wir alle stehen nicht nur für das Schöne und Großartige sondern auch für Traurige und schlimme Dinge. Das gilt übrigens auch für das L, das du ja nicht sonderlich zu mögen scheinst, wie ich deinen Worten entnehmen konnte. Stell dir vor, es muss mit den Worten »Leid«, »liederlich« und »lebensmüde« umgehen. Wirklich keine schöne Aufgabe. ?..Und du hast wohl noch gar nicht daran gedacht, dass wir dir besonders schöne Worte gegeben haben. Denke bitte einmal an »Freiheit«, »Frieden« und nicht zu vergessen, die »Freude«. »Gerade die Freude bringt dich doch in die Herzen aller Menschen.«
     Das F dachte über das eben gehörte nach und war fast ein wenig beschämt. Tatsächlich, man hatte es reichlich mit schönen Worten beschenkt, und darüber beschwerte es sich auch noch. Der Leiter sah, dass dem F die Situation nun peinlich war. Er stand auf klopfte dem F auf die Schulter und erklärte ihm, dass er öfter solche Anfragen habe. Die anderen seinen oft auch unzufrieden und würden dann bei ihm vorstellig werden.
     Das F verabschiedete sich schließlich erleichtert vom Leiter und bedankte sich noch einmal für dessen Geduld. Dann trat es gut gelaunt wieder den Heimweg an.
     Es hatte wirklich großartige Worte abbekommen. Da waren die anderen fast ein wenig benachteiligt, dachte es verschmitzt. Und das L, bei dem war auch nicht alles Gold, was glänzte. Aber das hatte es je schon immer vermutet.

© 2003 by Dietmar Götz. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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