BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
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Ä, der Umlaut
von Georg Rikken

Gestatten, mein Name ist Ä, groß Ä. Eine gewisse Verwandtschaft zum ersten Buchstaben des Alphabetes kann man mir förmlich ansehen. Groß A ist kein Geringerer als mein leiblicher Vater, so einfach ist das.
     Wer meine Mutter sei, fragt ihr?
Auf diese Frage gibt es eine ebenso einfache wie klare Antwort: Meine Mutter ist a, klein a. Dieser Buchstabe ist, obwohl - oder gerade weil - klein geschrieben, wegen seiner geschwungenen, zierlichen Form, meine nächste weibliche Verwandte - logisch.
     Kommen wir nun zu diesen merkwürdigen Punkten auf meinem Kopf. Merkwürdig deswegen, weil meine Eltern solche Pickel nicht auf dem Kopf haben.
     Ich frage mich seit frühester Jugend, wo diese Dinger wohl herkommen mögen. Ausradieren kann ich sie nicht, ich habe es schon oft versucht. Binnen zwei Minuten sind sie wieder nachgewachsen. Ohne meine zwei Punkte sehe ich aus wie mein Vater. Aussehen wie er, das möchte ich nun auch nicht unbedingt, aber stören tun sie mich doch ein wenig. Wie soll ich sagen, ich fühle mich durch diese albernen Pünktchen der Familie irgendwie nicht so Recht zugehörig.
     Vor einigen Jahren hat mich ein murmelnder fünfjähriger Fratzke wegen meiner Punkte einmal derart verhohnepipelt, dass ich seither nur noch mit einer Kopfbedeckung auf die Straße gehe. Es war ein Junge aus Amerika, der wohl zum ersten mal in seinem Leben ein Ä sah.
     In Amerika will man mich gar nicht erst haben. Die strenge amerikanische Erziehung zu Intoleranz und Größenwahn sowie die unaufhörlich fortschreitende Verfettung der »we are the world« Generation, verhindert dort schon seit Jahrtausenden erfolgreich den glänzenden Siegeszug des Ä.
     Viele Umlaute haben sich schon von der Golden Gate Brücke gestürzt, weil sie sich nicht gebraucht fühlten. Gott sei Dank hat sich die in Amerika lebende Minderheit der Umlaute Dank der Initiative meinerseits zum Verein der »ANONYMEN UMLAUTE e.V.« zusammengeschlossen, - nicht ohne Erfolg, zumindest was mich, das Ä betrifft.
     Schaut man Heutzutage zum Beispiel in ein durchschnittliches Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch Wörterbuch, findet man besonders auf den »deutschen Seiten« Aussprachehilfen zu ihren zumeist unaussprechlichen englischen Gegenparts. Aus den Runen a c t i o n wird, Dank der Anwendung meines Buchstabens, das für den Westeuropäer auch erstmalig artikulierbare Wort »ÄKSCHEN«, was soviel wie »Aktion« heißt.
     Warum schreibt man nicht so wie man spricht, aus welchem Grunde muss man sich derart verkomplizieren?
     Fremdes Sprache, schweres Sprache…
     Im Internet heiße ich übrigens »Ä« und ich grüße euch…

© 1998 by Georg Rikken. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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