Grüße aus EgalwoMykonos
Ein Pamphlet von Alexander Mohr

Ich fahre ja eigentlich nicht mehr in den Urlaub. »Ehrlich?« werden Sie erstaunt fragen. Ehrlich.
     Mir ist es da immer zu warm und ich langweile mich ganz fürchterlich. Ich mache da immer lauter Sachen die ich eigentlich gar nicht machen will, weil man das so macht im Urlaub.
     Ich schaue mir zum Beispiel die malerische Altstadt an. Jaja, sehr schön, wirklich. Aber es ist unglaublich anstrengend, sich die Altstadt bei 45°C im Schatten anzuschauen und ich will eigentlich auch gar nicht in den Urlaub fahren, um mir Altstädte anzuschauen und deswegen bin ich also etwas misslaunig.
     Ich esse ein Eis, weil ich glaube, dass man das so macht im Urlaub und weil die Anderen, also die anderen Urlauber, auch ein Eis essen. Eis essen und trinken, wegen der Hitze.
     Und wenn es ganz schlimm ist mit der Hitze, dann liege ich nur so da. Ich liege dann nur so da am Strand rum, weil da alle so rumliegen. Und ich schwitze natürlich ganz fürchterlich, aber nirgends ist Schatten und braun werden will ich doch eigentlich auch nicht wirklich. Es ist schwitzig unangenehm. Die ganze Haut fühlt sich schmierig an von der Sonnencreme und die Hände sind natürlich auch schmierig, und ich stinke von der Creme als hätte ich in einer Kokosnussfabrik gearbeitet. Natürlich ist etwas von der Sonnencreme auch noch auf meine Sonnenbrille gekommen, jetzt ist auch noch mein Sichtfeld vernebelt. Es ist alles wie immer und wird immer schlimmer.
     Aber die anderen Urlauber wollen alle braun werden und deswegen liegen die da so rum und schwitzen. Braun werden ist so ziemlich das Wichtigste im Urlaub, und abends vergleicht man sich dann auch gleich mit den Anderen und es macht richtig glücklich, wenn man feststellt, dass man heute schon wieder dunkler geworden ist. Das machen die jedes Jahr, die Urlauber, weil braun sein ein Zeichen für Wohlbefinden ist oder so.
     Viele an dem Strand spielen aber auch Strandspiele. Strandspiele sind Spiele die ganz viel Platz brauchen und ganz viele Menschen nerven, die auf ihren Handtüchern liegen. Spiele, bei denen man immer aus Versehen auf den Handtüchern der anderen rumstolpert, weil man Gegenstände, die durch die Luft fliegen, fangen muss. Aber das Spiel macht natürlich mächtig viel Spaß und die Spielenden schreien ganz laut, weil sie wollen, dass sich auch die Anderen über ihr dämliches Strandspiel freuen. Das ist aber eigentlich sehr nett. Es kümmert sich jemand um mich. Das Beste an Strandspielen ist, wenn einer der Mitspielenden in eine Glasscherbe tritt oder ein Kind umrennt, oder so. Das ist dann immer ein großes Hallo und ein wildes Gerenne und Geschreie. Wenn man Glück hat, fließt auch Blut oder jemand humpelt. Dann ist es nicht mehr ganz so langweilig, und wenn dann auch noch die Sonnenbrille frei von Sonnencreme ist, steht der Erholung eigentlich nichts mehr im Wege.

     Natürlich sind überall Mücken im Urlaub. Weil immer Mücken im Urlaub sind. Ich hasse Mücken. Mücken und Hitze. Unerträglich.
     Wirklich schlimm sind aber die Streitereien mit den Freunden im Urlaub. Vielleicht habe ich nach dem Urlaub ein paar Freunde weniger, weil wir uns natürlich wegen irgend so einem blöden Mist gestritten haben, oder mit meiner Freundin ist Schluss, weil sie mich schon immer genervt hat aber ich das jetzt im Urlaub erst gemerkt habe. Kennen Sie das? Da fährt man mit seiner Freundin in den Urlaub, wegen der Entspannung und so, und plötzlich macht sie ganz fürchterliche Sachen. Sie erzählt zum Beispiel die immer gleichen Geschichten, bei den immer gleichen Stichwörtern, und sie sagt so Sachen wie, dass sie aus Deutschland auswandern möchte, weil da immer alles so grau und regnerisch ist und die Menschen hier ein ganz anderes Lebensgefühl hätten und so. Lebensgefühl. Ich muss dann immer ganz viel Rotwein trinken, weil ich ihr nicht entfliehen kann. Rotwein und immer noch mehr Rotwein, weil sie auch gar nicht zu reden aufhört.
     Und weil es so heiß ist und ich meine Freundin nicht mehr ertragen kann, fängt auch schon die Warterei auf den Rückflug an. Manchmal schafft man es auch nicht mehr zu warten, weil alles immer schlimmer wird und dann bucht man eben um und fliegt früher.
     Ich fliege also wieder heim und bin richtig froh darüber, weil es daheim nicht so heiß ist und weil es nicht so viele blöde Mücken gibt und weil es manchmal auch regnet.

Ja so ist das immer. Oder immer öfter. Oder wie auch immer. Ich fahre jetzt jedenfalls nicht mehr in den Urlaub. Nie wieder. Leider bin ich aber der Einzige, der das so handhabt. Die anderen fahren nämlich immer in den Urlaub. Immer Urlaub. Und dann fliegen sie zu irgendeinem austauschbaren Urlaubsort auf irgendeine austauschbare Insel und da ist es heiß und Nachts stechen natürlich die Mücken wieder und alle Menschen an dem Urlaubsort sprechen deutsch, oder was sie dafür halten, und haben ganz bunte Shorts an. Germans in shorts. Deutsche Urlauber.
     Das sind die Urlauber, die schon vier Tage zuvor beim Landen in der Maschine geklatscht haben. Klatschen nach der Landung. Vielleicht ist das auch der wahre Grund, warum ich nicht mehr in den Urlaub fahre. Wegen dem Klatschen nach dem Landen. De facto applaudieren die Leute, weil jemand seine Arbeit tut. Nämlich der Pilot. Der Pilot sitzt ganz vorne in der Maschine und kann das Klatschen aber gar nicht hören. Das ist unserem froh gestimmten Urlauber aber egal. Auf jeden Fall klatschen die Urlauber und das macht gar keinen Sinn, weil sie applaudieren ja daheim auch nicht nach jeder Busfahrt in die Innenstadt dem Busfahrer. Und dabei wäre ja das doch viel sinnvoller dem Busfahrer zu applaudieren, weil doch im Straßenverkehr viel mehr passiert und weil der Busfahrer das Klatschen sogar hören könnte. Na egal.
     Der Urlauber steigt nach seinen Begeisterungsausbrüchen für die Flugfähigkeiten des Piloten auf jeden Fall aus der Urlaubsmaschine aus und ist an seinem Ferienort. Und er merkt, dass das ziemlich heiß ist hier im Urlaub. Aber im letzten Urlaub war es ja auch schon heiß und deswegen kennt er das schon. Überhaupt kennt er das alles schon, denkt er sich. Das Flughafengebäude sieht ganz ähnlich aus wie das von letztem Jahr und die Menschen sprechen eine Sprache, deren er nicht mächtig ist. Wo waren wir da noch mal? Diesmal ist er auf jeden Fall woanders, der Urlauber, weil er ja letztes Jahr schon mal wo war. Der Strand war toll letztes Jahr oder das Jahr zuvor, aber nicht das Essen - oder war es andersrum? Hier ist der Strand auch gut und das Eis. Das Hotel ist auch ganz nah am Strand. Wie im Prospekt.

Und dann kommen sie alle wieder zurück. Die Urlauber. Leider. Und es war toll. Natürlich war es toll. Weil im Urlaub hat es gefälligst toll zu sein. Oder wenigstens schön. Und ich stelle ganz viele Fragen, um dieses Gespräch möglichst schnell hinter mich zu bringen, und es war natürlich alles super. Mindestens eine halbe Stunde lang. Und nach einer halben Stunde, erfährt man dann, dass es eine ganz fiese Mückenplage dieses Jahr gab und dass es tagsüber leider kein Wasser gab, weil irgendwas kaputt war oder jemand gestreikt hat, und dass man einen ganz fürchterlichen Durchfall hatte. Alle hatten den. Und der Micha ist in einen Seeigel getreten und konnte gar nicht an dem Volleyballturnier mitspielen. Jaja.
     Aber nächstes Jahr fahren Sie trotzdem wieder alle in Urlaub, aber woanders hin. Aber es ist eigentlich egal wohin.
     »Sag mal, warst du schon mal auf Mykonos?« werde ich zwischen zwei Urlaubserlebnissen gefragt. »Nein«, antworte ich, »ich glaube nicht«.
     Und ich weiß, dass ich niemals, also wirklich niemals wieder in Urlaub fahren werde. Wegen dieser unerträglichen Hitze und der Mücken. Und weil Urlauber in bunten Shorts nach der Landung klatschen. Ich habe gehört, in Mykonos war es dieses Jahr wieder ganz besonders schlimm. Mit den Mücken und der Hitze meine ich. Und das ist gut so. Oder war das auf Fuerteventura? Na, ist ja auch egal, ich fahr sowieso nicht mehr dahin, den Mykonos ist überall.

Alexander Mohr

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