Stephanie Hacker
Noah und die Dauerwurst
Brühwurst |
Es war stockdunkel und fürchterlich kalt. Es nieselte. Die Radiosprecherin gab die Lottozahlen bekannt. Dann folgten Worte zum Wetter. Glatteisgefahr. Mary Lee saß in ihrem zerfledderten Lada und war unentwegt mit einem Lappen zugange die Frontscheibe von der Feuchtigkeit zu befreien, die ihr die Sicht auf die Strasse regelrecht vermieste. Sie hätte den Wagen vor dem Winter noch mal in eine Werkstatt geben sollen. Insbesondere das Gebläse und die Heizung hatten sich in den letzten Wochen mehr oder weniger gänzlich verabschiedet. Wobei die Heizung im Sommer prima lief. Da konnte man sich nicht beschweren.
Auf der regennassen Fahrbahn spiegelten sich die Scheinwerfer und brachen sich wieder in den Tropfen auf der Windschutzscheibe direkt vor Ihren Augen. Mary Lee überlegte, ob sie im Einklang dazu noch ein paar Tränen vergießen sollte.
Aus Sicherheitsgründen unterließ sie es.
Ihre Beine hatte sie, bis auf die Füße, mit denen sie das Fahrzeug bewegen musste, in einen alten Schlafsack eingewickelt. Sie trug eine Fellmütze und einen dicken Anorak.
Die Kleidungsstücke waren für die ständige Wischerei an ihrer Frontscheibe nicht sonderlich vorteilhaft.
Sie hatte sich ja auch nicht davon abbringen lassen mit dem Auto zu fahren. Joschi hätte sie ja gebracht. Aber das wollte sie nicht. Sie hatte es partout abgelehnt.
Um sich abzulenken machte Mary Lee ein paar Atemübungen, die sie bei der Schwangerschaftsgymnastik gelernt hatte, als sie damals ihre Busenfreundin Evelyn dorthin stets begleitete. Evelyn war zu jener Zeit in einer harten Phase, sie war gar nicht schwanger. Sie wollte sich lediglich mal so fühlen, waren ihre Worte. Um die Frauen, die um sie herum schwanger waren einfach besser zu verstehen. So besuchte sie durchweg alle Veranstaltungen, die rund um das Thema Schwangerschaft angeboten wurden und bewegte sich dabei wie eine Ente.
Beim Ausatmen stiegen weiße dichte Rauchschwaden empor, so dass Mary Lee schnell wieder damit aufhörte und weiter die Frontscheibe wischte.
Im Dunst des Sprühregens sah sie plötzlich eine Gestalt am Straßenrand stehen.
Sie erkannte schemenhaft so etwas wie einen sich geduckt haltenden breiten Mantel mit Hut und einem Stock, auf den sich die Gestalt zu stützen schien. Sie schloss auf einen älteren Herrn, der gerade dabei war, sich eine ordentliche Lungenentzündung zu verpassen.
Weit und breit war niemand, kein weiteres Auto, nichts. Das konnte nicht sein. Der arme Kerl. Aber was hatte er hier zu dieser Stunde bei dem Sauwetter auch zu suchen. Ihre überdurchschnittlich ausgeprägte Neugierde, die ihr schon so manches Mal beinahe das Genick gebrochen hatte, bahnte sich den Weg ins Hier und Jetzt und sie entschied anzuhalten und zu fragen, ob sie helfen könne. In dem ihre Bewegungsfreiheit enorm einschränkendem Jacken- und Deckenhaufen beugte sie sich über den Beifahrersitz und kurbelte das Fenster herunter. Die Gestalt lugte unter ihrem Hut direkt in Mary Lees Gesicht und Mary Lee lugte verdutzt zurück. »Mit so ’nem Jungspund hatte ich nun eigentlich nicht gerechnet«, entfuhr es ihr prompt. Ein wenig verunsichert entgegnete dieser zögernd: »Nimmst du mich denn trotzdem ein Stück mit?« »Na ja«, überlegte sie laut, »ach was, steig’ ein. Aber ich denke, mit deinem dicken Mantel wäre es besser, du nimmst hinten auf der Rückbank Platz.« »Ja, das glaube ich auch, dass das besser ist.«, sagte er und machte sich daran sich in seinem dicken, breiten Mantel, mit Hut und Stock hinten auf die Rückbank zu verfrachten.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Mary Lee, die sich kaum umdrehen konnte, um zu sehen was hinter ihr vor sich ging, die Tür zuschlagen hörte. Dann legte sie den Gang ein, setzte den Blinker und fuhr los. »Wo soll es denn hingehen?« fragte sie. »Ja, ich weiß nicht, vielleicht erst mal in die nächste Stadt.« Seiner Aussprache nach zu urteilen, kam er nicht aus den hiesigen Gefilden. Mary Lee mutmaßte, vielleicht aus Frankreich. »Du bist nicht von hier?« sagte sie. »Nein«, entgegnete er. »Hm, und woher kommst du?«, fragte sie weiter. Er ließ sich Zeit, um die Frage zu beantworten. Eine zähe stille Minute, in der nur der Scheibenwischer eine Geschichte zu erzählen hatte, war fast vergangen als er sagte: »Ich komme aus Belgien«.
Mary Lee überlegte, ob sie noch weitere Fragen stellen sollte, doch diese einseitige Konversation langweilte sie schon jetzt. Anstelle dessen drehte sie am Regler des Autoradios, um wieder einen rauschfreien Sender zu finden, was in diesem Landstrich ohne Satellitenanlage mit integriertem Empfangsverstärker selten möglich war. Nach einer Weile ließ sie auch diesen Versuch sein und stellte das Radio ab. Sie fuhren schweigend weiter durch die Dunkelheit.
Ein paar Kilometern später hörte Mary Lee von der Rückbank her ein leises Gemurmel. »Mann, ist der Typ durch« dachte sie sich, »läuft in so einem vollends unmöglichen Aufzug durch die Gegend, mitten auf der Landstrasse, bei übelstem Wetter, sagt kein Ton und fängt dann an Selbstgespräche zu führen«. »Hast du was gesagt?« fragte sie schelmisch nach hinten. »Nein, Matthias hat nichts gesagt, ich habe was gesagt«, hörte Mary Lee eine weitere Stimme von der Rückbank her sagen. »Sag mal, bist du Multiple oder was ist mit dir los? Das ist ja nicht auszuhalten«, entglitt es ihr, aus reinem Selbstschutz, der ihre aufkeimende Angst zu überspielen suchte. »Nur die Ruhe, hier ist keiner Multiple. Es ist nur so, ich müsste mal pinkeln.« Sagte wieder diese andere Stimme, deren Akzent sich eindeutig von dem abhob, den sie zuvor zu sich ins Auto eingeladen hatte. Rohwurst
Mary Lee war fassungslos, ihr Herz raste. Sie hielt den Wagen mit quietschenden Reifen an, drehte sich vehement in ihrem Klamottenbündel um und sah auf der Rückbank drei Typen sitzen, die zwischen 25 und 40 Jahre alt sein mussten. »Hey, Leute, was ist hier los?« schrie sie die Männer an. »Wollt ihr mich verarschen?« Einer der Typen, ein dunkelhäutiger Sunnyboy, der rechts außen saß, grinste sie wohlwollend an und entgegnete ihr: »Das ist das letzte was wir wollen.« Der Typ links außen schnitt ihm das Wort ab und sagte: »Leute, ich geh mal kurz pinkeln.« Er öffnete die Tür und verschwand. »Wir sind die drei Borderliner«, erklärte der Dunkle mit sanftmütiger Stimme, »ich bin Lukas, das ist Matthias und er hier...,« er deutete auf den leeren Platz, »...ist Johannes. Wir bewegen uns zwischen Wurst und Wissenschaft und sind nun auf dem Weg zum ersten Oberbayerischen Dauerwurstfestival.« Mary Lee schaute die beiden, die hinten auf ihrer Rückbank saßen, ungläubig an. Sie erinnerte sich aber, dass Joschi dieses Festival beiläufig erwähnt hatte. »Und wie sieht es bei Euch mit anderen Fleischwaren aus?« Sie hatte den Satz kaum ausgesprochen, da ging die hintere linke Tür wieder auf und der dritte aus dem Bunde setzte sich zurück zu ihnen in die Fahrgastzelle. »Das war aber jetzt nötig«, sagte er und rieb sich fröstelnd die Hände. »So, will jemand zum Einstimmen schon mal ne Salami? Dann reiß ich ’ne Packung auf.« Ohne eine Antwort abzuwarten, riss er die Packung auf, brach die Wurst, reichte sie seinen Freunden und sprach: »Dies ist die Wurst, die ich euch mit hier her gebracht habe, also esst sie.«
Geräucherte Mettwurst im Kunstdarm, luftgetrocknete Salami im Naturdarm
Quelle: Wikipedia
»Was soll ich mit euch Wurstexperten jetzt machen?«, fragte Mary Lee, »Am besten ist, ich fahr euch zur nächsten Polizeistation.« »Fahr uns lieber zur nächsten Metzgerei«, meldete sich Pinkel-Johannes wieder zu Wort. »Damit hättest du uns ein gutes Stück weitergeholfen.« »Ich glaube, ihr braucht ganz andere Hilfe«, entfuhr es Mary Lee.
»Ja, das kann schon sein.« lenkte Matthias ein. »Aber wenn du mich fragst, ist der Zug bereits ohne uns abgefahren. Es ist nämlich so, eigentlich hätten wir alle drei total gerne studiert. Johannes Philosophie, Lukas Astrologie und ich wollte immer Anthropologe werden. Stattdessen schickten uns unsere Eltern nach Ungarn in eine der zahlreichen Wurstfabriken, wo wir uns während unserer Ausbildungszeit in der Hirtenkolonie kennen lernten. Das Ganze hat natürlich tiefe Wunden hinterlassen und so leben wir nun mit einer Art Anfallsleiden. Sobald irgendwo etwas mit Wurst, Dauerwurst oder Salami los ist, da müssen wir hin.«
Mary Lee wusste nicht, wie ihr geschah mit drei durchgeknallten Hirten im Nacken. Dennoch setzte sie den Wagen wieder in Bewegung und fuhr weiter.
Auf der Rückbank war Ruhe eingekehrt, sie vernahm keinen einzigen Laut, nicht einmal mehr das Knacken der Würste. Konzentriert blinzelte sie durch den Nieselregen ins Dunkel der Nacht. 21:03 zeigte das blinkende Laufdisplay über dem Rückspiegel an.
Nach ein paar Kilometern hörte Mary Lee Evelyn in die gesättigte Innenraumluft des Wagens sagen: »Die Auswirkungen von Sport und bewegungstherapeutischen Maßnahmen auf das Muskel- und Skelettsystem, auf den Stoffwechsel und das Herzkreislaufsystem werden auch während der Schwangerschaft von Seiten der Ärzte sehr positiv bewertet. Du solltest mal mitkommen zur Aqua-Gymnastik. Diese vielfältigen Trainingsformen und Übungsvarianten stärken das Selbstbewusstsein der werdenden Mutter. Dieses Schweben und Getragenwerden im Wasser vermittelt ein so wunderbares Gefühl der Schwerelosigkeit.« »Jetzt hör endlich auf damit«, keifte Mary Lee innerlich gegen die Stimme an. »Ich kann es wirklich nicht mehr hören.«
Trotz der permanent beschlagenen Frontscheibe erkannte Mary Lee mit einem Mal eine Straßensperre. Rechter Hand parkten Löschzüge, Rettungswagen und LKWs. Weiter in der Ferne vernahm sie lodernde Flammen und aufsteigenden Rauch. Mächtig geschäftig liefen Feuerwehrleute, bewaffnete THW-Einsatzkräfte und Notärzte von einer auf die andere Straßenseite. Sie fuhr langsam an diesen vorbei bis vor die Straßensperre. Ein Uniformierter kam sofort auf sie zu gelaufen und gestikulierte, sie solle das Fenster runter kurbeln. »Guten Abend«, sagte er aufgeregt. »Sie können hier nicht lang fahren.« »Und warum nicht?«, fragte Mary Lee.
»Sie müssen die Parallelstrasse nehmen, hier brennen zurzeit sämtliche Dornbüsche. Bitte drehen sie um und fahren sie der Umleitungsbeschilderung nach.«
»Wie hier brennen die Dornbüsche? Ich wusste gar nicht, dass wir in der Region so viele davon haben.« entgegnete Mary Lee. »Ja«, sagte der Beamte, »das ganze ist ziemlich verwunderlich. Wir begannen mit den Löscharbeiten als einer der Feuerwehrmänner feststellte, dass sich das Löschwasser in Weißwein verwandelt hatte. Das Feuer entfachte sich noch mehr. Und dann erkannten wir, dass die Dornbüsche zwar alle brennen, aber sie verbrennen nicht. Da wir für die Sicherheit unserer Bürger Sorge tragen, bitte ich sie nun innigst, stellen sie keine weiteren Fragen, wenden sie und fahren sie bitte der Umleitungsbeschilderung nach.«
Mary Lee verabschiedete sich, legte den Rückwärtsgang ein und sah beim zurücksetzen hinten auf der Rückbank wieder die drei Borderliner sitzen: »...und wieder und wieder erleuchtet werden...« sangen sie im Chor. »Oh, Mann, ich hätte doch nicht mehr selber fahren sollen. Warum habe ich nicht auf Joschi gehört.«
Kochwurst
Dieser saß derweil gemütlich bei einer Tasse Buttertee aus dem Tibet und schnitzte zusammen mit seinem neuen Freund Holzwürste als Zeichen der Befreiung. Das erste oberbayerische Dauerwurstfestival sollte der Grundstein ihrer Beziehung werden, bei dem sie ihre Holzwürste zum Verkauf anboten. Joschi war überglücklich und zudem überaus erleichtert, da Mary Lee sich so verständnisvoll und einfühlsam verhalten hatte, als er ihr erzählte, dass er die Schreinerei seines Vaters verkaufen und das einfache Schreinerdasein hinter sich lassen wollte. Eigentlich war ihm schon lange klar, dass es so nicht weiter gehen konnte. Und Mary Lee zu heiraten, wäre der bloße Albtraum geworden. Er spürte doch, dass da etwas ganz anderes in ihm brodelte und es war an der Zeit dies endlich anzupacken.
Geräucherte Blutwurst im Naturdarm, geräucherte hessische Leberwurst im Naturdarm
Quelle: Wikipedia
Mary Lee fuhr mit dem Wagen die Strasse zurück, die sie hergekommen war.
Im Wagen verbreitete sich unterschwellig ein süßlicher Geruch, der vereint mit der hohen Luftfeuchtigkeit die Nasenflügel abrupt zusammen kleben ließ. Dann roch es plötzlich verbrannt. Mary Lee schrak auf und näselte erzürnt: »Oh, nein, ich habe die Plätzchen vergessen!« Sie trat in die Bremsen und hielt den Wagen mitten auf der Fahrbahn. Dann riss sie die Fahrertür auf und stampfte wütend zum Kofferraum. Hinten unter der Kofferraumhaube machte sie sich für eine Weile zu schaffen, bis sie mit krokoledernen Ofenhandschuhen an ihren Händen und einem speziell angefertigten, doppelstöckigen Backblech voller brikettartigem Auswuchs zurück in die Fahrgastzelle kam. »Guckt euch das mal an, was eine Sauerei, alles ist verbrannt.«, rief sie aus. Sie kippte die mutierten Plätzchen in das Handschuhfach und betätigte einen Hebel im Fußraum. Aus ihrer Handtasche auf dem Beifahrersitz fischte sie eine Frischhaltetüte mit ca. 5 kg Teig und reichte diese zusammen mit dem Backblech nach hinten. »Bitte, könnt ihr mir einen Gefallen tun?« sagte sie bald flehend. »Die blöden Dinger müssen heute noch fertig werden. Hinter der hochgeklappten Mittelkonsole findet ihr die Ausstechförmchen und ein Nudelholz.« Die drei schauten sich besorgt an. Verstanden aber schnell, dass hier Gefahr in Verzug war, und machten sich an die Arbeit. Matthias kramte und fand drei riesige Stechformen in der Klappe der Rückbank. Eine hatte die Form einer Stichsäge, die zweite ähnelte einem Hochdruckreiniger und die dritte schien so etwas wie einen Kran mit Schweif darzustellen.
Mary Lee übernahm wieder das Steuer und fuhr weiter bis sie das Umleitungsschild erkannte, an dem sie abbiegen musste. Der Nieselregen hatte sich mittlerweile in einen sintflutartigen Regenschwall verwandelt. Im Auto selbst war es fürchterlich feucht. Sie kam kaum mit dem Wischen der Frontscheibe nach. Die Straße war voller Aquaplaning. Mit weniger als 40 km/h kroch sie dahin. Mehr war einfach nicht drin. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren. Das ein oder andere Auto parkte bereits am Seitenstreifen, und die Fahrer und Beifahrer hielten ihre Angeln aus den runtergekurbelten Fenstern. Als Köder hatten sie an den Haken Heuschrecken gespickt. Verbissen kämpfte Mary Lee hinter ihrem Steuer, während die drei Wurstexperten Plätzchenteig ausrollten und überdimensionalgroße Formen ausstachen, die sich mit dem Backvorgang wohlwollend in Engel, Rehe und Sterne mit Schweif verwandeln sollten.
Auf der Strasse musste das Wasser schon mindestens 30 cm hoch stehen. Unter leisem Fluchen errechnete Mary Lee ihre momentane Reisegeschwindigkeit in Knoten und kam auf ca. 5. Nachdem sie sich bald eine halbe Stunde durch die Wassermassen gequält hatte, hörte der Regen mit einem Mal schlagartig auf. Mary Lee erkannte, wie sich der lang gezogene Straßensee plötzlich exakt vom Mittelstreifen aus zu beiden Seiten hin teilte und sich das Wasser in die Straßengräben verflüchtete. Was auch immer das jetzt war, Mary Lee verschwand keinen Gedanken daran, sie trat auf das Gaspedal und raste mit einem Affenzahn trockenen Reifens über die freie Fahrbahn.
Die drei Boderliner freuten sich derart, dass sie zum Dank ihre zweite Dose, diesmal Pfälzer, öffneten und fröhlich mit den Würsten knackten. Im Wagen verbreitete sich der Geruch von kaltem Wurstwasser. Mary Lee hätte kotzen wollen, aber für derartige Ausfälle war weder genügend Platz im Auto noch die Zeit, es wieder weg zu wischen. Sie wusste, in wenigen Minuten würden sie Oberbayern erreichen. »Jungs, gleich haben wir es geschafft. Wo soll denn das Festival überhaupt stattfinden?« fragte sie.
»In Wolfratshausen«, sagte Matthias. »Aber was ist eigentlich mit dir? Wo fährst du denn hin?«
Mary Lee stockte einen Moment und überlegte, ob sie den Wurstfreaks erklären sollte, dass sie auf dem Weg zu einem Entbindungstermin sei, sie aber vorher noch schnell das Geschäft mit den neu kreierten Weihnachtsplätzchen ins Rollen bringen wollte. Dass ihr Ex-Typ, der nun endgültig schwul geworden war, sie dennoch nicht hatte davon abhalten können, ihr Kind alleine in einem Stall zu bekommen. Dass diese Art der Entbindung von den zahlreichen Entbindungsmöglichkeiten derzeitig nur in München angeboten wurde und sie daher...
Sie sagte nichts dergleichen. »Ich muss nach München.«, quälten sich die wenigen Worte über ihre Lippen.
Sie fuhren gerade durch Walgertfanzl, als Johannes unvermittelt erwähnte: »Das Öl ist leer womit wir das Backblech einfetten können. Gibt es noch Reserven? Ansonsten hätten wir eine Tüte Schlachtabfälle dabei, das ginge doch auch, oder?«
Da vernahm Mary Lee den Geruch von getrocknetem Heu.
Sie drehte sich vorsichtig um und blinzelte durch ihre halb geöffneten Augen.
Es war bereits hell.
Langsam erkannte sie das Bullauge in ihrer Kajüte. Die Arche schwankte.
Sie räkelte sich freudig. Dann sprang sie leichten Fußes aus ihrer Koje.
Es war an der Zeit die Tiere zu füttern, das hatte sie Noah versprochen.
Die Abbildungen stammen von Rainer Zenz und sind dem Wikipedia-Artikel über Wurst entnommen (GNU-Lizenz).