Das Fenster nach draußenPhilippe Jansen 

Schon wieder so ein Tag. So ein langer langweiliger Tag. Die Tage im Krankenhaus sind alle langweilig. Ich hasse Kranksein. Er sitzt natürlich wieder am Fenster. Der Glückliche. Er war vor mir da, deswegen sitzt er am Fenster und nicht ich. Ach, ich möchte auch am Fenster sitzen. Nur einmal. Ob er mir wieder von draußen erzählt?
     »Rüdiger, würdest du mir bitte von draußen erzählen?«
     »Ja, gerne.«
     Wie er so am Fenster sitzt und nach draußen schauen kann. Ach ich möchte auch am Fenster sitzen.
     »Draußen scheint die Sonne. Einige Leute sitzen im Park und machen ein Picknick. Die Kinder toben auf dem Spielplatz und spielen verstecken. Auf der Straße sind fast keine Autos. Doch, jetzt fährt gerade ein grünes Auto am Park vorbei. Ein paar Leute kommen gerade aus der Kirche.«
     Ich möchte auch am Fenster sitzen.

Das Licht ist aus. Also ist es immer noch Nacht. Aber was ist das für ein Geräusch? Ein Röcheln? Ja, ein Röcheln. Von Rüdiger. Er erstickt. Ich muss ihm helfen, ich muss die Schwester rufen. Ja, genau. Nein, wenn er stirbt, kann ich am Fenster sitzen. Soll ich ihn sterben lassen? Nein ich muss ihm helfen. Oder soll ich ihn sterben lassen?

Huch, das Licht ist schon an. Aber was machen denn die ganzen Ärzte hier? Rüdiger ist tot. Ich kann ans Fenster, ich habe es geschafft. Ich kann am Fenster sitzen. Oh, was erwartet mich jetzt da draußen? Ein Park mit Blumen und Bäumen und Kindern?

Er schaut aus dem Fenster
und sieht eine Wand.

© 1997 by Philippe Jansen. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

RA Diese Geschichte können Sie sich ohne lange Download-Zeit im RealAudio-Format anhören, gelesen von Wolfgang Tischer. Falls Sie den RealAudio-Player noch nicht besitzen, können Sie ihn hier kostenlos downloaden.

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