Künstliche Paradiese |
Wenn Thalia oder Melpomene die kalte Schulter zeigten, besorgten sich Dichter seit jeher ihre Musenküsse aus der Flasche oder Opiumpfeife. Göttliche Gifte ist Alexander Kupfers »Kulturgeschichte des Rausches seit dem Garten Eden«, in großem Bogen angelegt und in erfreulich nüchterner Prosa geschrieben. Darin zeichnet er den artistischen und lebensgeschichtlichen Umgang von Künstlern und Schriftstellern mit den diversen »künstlichen Paradiesen« nach. Dem nun gewiss nicht bescheidenen Anspruch, bis an den Garten Eden heranzuführen, sucht Kupfer mit Kapiteln über Rauschmittel in der Antike, im Alten Orient und Fernen Osten, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gerecht zu werden. Aber der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem 19. und 20. Jahrhundert, die Kupfer anhand reicher Quellenbelege aus der europäischen und amerikanischen Bohème aufblättert. Von Thomas De Quinceys Opiumesser über Walter Benjamins Meskalin-Experimente reicht der Bericht bis zur Psychedelischen Ära der 60er und 70er-Jahre. Auch zur Alltagsdroge Alkohol und ihrer beflügelnden wie verheerenden Wirkung wird freigiebig literarisch-kulturhistorischer Wein eingeschenkt. Auch und gerade wenn man wie US-Präsident Clinton selber nicht inhaliert hat, bietet der gefällig aufgemachte und ansprechend illustrierte Band eine anregende Lektüre. Er ermuntert zum Weiterlesen. So manches künstliche Paradies lässt sich zwischen zwei Buchdeckeln finden, und bekanntlich kann ja auch Lesen süchtig machen. Alexander Kupfer, Göttliche Gifte: Kleine Kulturgeschichte des Rausches seit dem Garten Eden. J.B. Metzler, 1996. 386 S., geb., ill., 49,80 DM/25,46 EUR (Preisangabe ohne Gewähr). ISBN 3-476-01409-6. | |