Faust, doppelt gesehen |
Dass Faust, der Erzmagier und Teufelsbündler, eine der literarisch folgenreichsten Figuren von geradezu mythischem Format ist, daran gibt es nichts zu deuteln. Wie es um den historischen Johann Georg Faust bestellt ist, steht auf einem anderen Blatt. Günther Mahal, Direktor des Knittlinger Faust-Museums und ein ausgewiesener Kenner der Materie, hat nun in Faust. Und Faust sowohl Historie wie Histörchen kritisch unter die Lupe genommen. Kenntnisreich und umsichtig stellt er die wenigen historisch verifizierbaren Daten zu Fausts Leben und Tod vor und zeichnet das - notgedrungen hypothetische - Portrait eines »wahren Alchemisten«, der in Labor und Gebetsstube gleichermaßen auf Läuterung aus war. Überzeugend führt Mahal den Indizienbeweis für Knittlingen als Geburtsort, berichtet vom Pergamentzettel mit Beschwörungsformel, der im Geburtshaus gefunden wurde, und vom im Keller eingelagerten sechseckigen »Giftschrank des Dr. Faust« mit paracelsischen Symbolen. Doch stützt Mahal seine Argumentation primär auf den Kaufbrief des Hauses, ein leider nur in Abschrift erhaltenes Dokument aus dem Jahre 1542. Darin wird Fausts Geburt ganz beiläufig und eben deshalb umso beweiskräftiger erwähnt. Ausführlich berichtet Mahal auch von diversen Versuchen, den berühmtesten Sohn der Stadt Knittlingen andernorts für sich zu reklamieren, und rechnet dabei mit unhaltbaren Behauptungen aus der historischen Faust-Forschung ab. Hier geht Mahal zu sehr ins Detail, als dass es jenseits enger Faustzirkel interessieren dürfte. Trotz mancher Längen liest sich das Buch, besonders wo es um die Maulbronner Faust-Legende geht, wie ein Krimi. Die Geschichte vom goldkochenden Magier Dr. Faust, der dem bauwütigen Abt Entenfuß als einem alten Schulfreund mittels der Schwarzkunst aus finanzieller Not helfen soll, lässt sich wunderschön ausmalen und im Kloster selber an »Faustturm«, »Faustküche« und »Faustloch« ein wenig übereifrig gleich dreifach festmachen. Historisch haltbar ist sie nicht. Als Hölderlin in Maulbronn die Schulbank drückte, war etwa der »Faustturm« allenthalben noch als »Lustturm« bekannt. Erst um 1840 herum wird er zum »Faustturm« promoviert. Und auch die »Blutflecken«, die an gleich zwei Orten des Klosters Fausts grausames Ende durch den Gottseibeiuns sinnfällig machen sollen, gehören zu jenen ikonischen Konkreta, mit denen der Volksmund Legenden ausstattet, um der mageren historischen Überlieferung auf die Sprünge zu helfen. Beim Maulbronner Faust hat man es eindeutig mit einem romantischen Mythos zu tun. Und wie Mahal diesen seziert, wohl wissend, dass er letztlich mit bloßer faktischer Aufklärung gegen die narrative Zugkraft der Legende nicht ankommen wird, ist ein ausgemachtes intellektuelles Vergnügen. Günther Mahal, Faust. Und Faust: Der Teufelsbündler in Knittlingen und Maulbronn. Tübingen: Attempto, 1997, 89 Abbildungen, 216 Seiten, ISBN: 3-89308-260-3, 48,00 DM/24,54 EUR (Preisangabe ohne Gewähr). | |