Foto von Ulrich Struve Baobab
Notizen am Rande - Buchbesprechungen von Ulrich Struve Nach etwa zwanzigjähriger Lebenslaufforschung in Westafrika breitet der emeritierte Wiener Professor Leopold Rosenmayr in Baobab Erinnerungen und Erlebnisse aus, die sich nicht dem Korsett des Wissenschaftsbetriebs fügen wollen. Seine »Geschichten aus Afrika«, durch Josef Pillhofers sanfte und respektvolle Zeichnungen ergänzt, berichten primär aus dem im Sahel gelegenen Bambara-Dorf Sonongo in der Republik Mali.
     Der geschulte Blick des Ethnosoziologen macht sich bemerkbar in der Darstellung zunehmender Momente der Verstädterung und Akkulturation an westliche Einflüsse. Kritische Reflexion auf die mit der eigenen Präsenz verbundene Dialektik, zu gefärden, was der Autor selber als »Urformen des Menschseins« erlebt, wird beiläufig geleistet. Am nachhaltigsten ist sie jedoch in einem konkreten Bild eingefangen — in der von den Forschern mitgebrachten und nun leeren Konservendose, unter den Kindern des Dorfes ein begehrtes Objekt, an deren scharfen Rändern sich einer der Jungen die Hand aufschneidet.
     Überhaupt lebt das Buch von den starken, einprägsamen Charakteren, die teilweise direkt zitiert werden. Serí Sacko, der letzte prominente Animist des Dorfes, ist eine solche an Geschichten reiche Gestalt. Häuptling Kofi Fofana und seine in ausgefeilten Ritualen durch die Gemeinschaft bestätigte und damit erneuerte Macht stehen im Zentrum einer weiteren Erzählung. Auch der Dorfsklave Naingoro, ein überaus redegewandter Mann, kommt zu Wort und gibt über die Liebe im Dorf Auskunft. Die Früchte »teilnehmender Beobachtung« werden hier relativ direkt mitgeteilt, und darin liegt der Wert der Sammlung.
     Andererseits ist Baobab nicht frei von paternalistischen Wendungen, die vage an die Ethnographie der kolonialen Ära erinnern, etwa wenn Rosenmayr die »teils sehr anspruchsvollen Seelenvorstellungen« des lokalen Animismus hervorhebt oder den in einer Hütte am Fluss zum Kauf ausliegenden »Kulturschutt« begutachtet. Noch fragwürdiger erscheint mir jedoch, wie vertraut und damit letztlich unter der dunklen Haut irgendwie doch »europäisch« Rosenmayrs Figuren geraten sind. Die lange Zeit studierte Fremdheit droht ins Allgemeinmenschliche aufgehoben zu werden. Mit diesen Einschränkungen ist Baobab dennoch lesenswert.

Ulrich Struve

Leopold Rosenmayr, Baobab: Geschichten aus Afrika. Opladen: Leske + Budrich, 1997. Pb., 202 Seiten, Abb. ISBN 3-8100-1851-1, 39,00 DM/19,94 EUR (Preisangabe ohne Gewähr)


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