Näumanns NörgeleiEine Tasse Kaffee
Monatliches vom Café-Tisch - Juli 1997


…und erlöse mich von den Lehrern (II)

Näumann am Café-TischKaum ein anderes Thema schien die Öffentlichkeit solchermaßen in Wallung zu versetzen, wie die im letzten Monat geschilderte Begegnung mit einem Hobby-Pädagogen auf einer bundesdeutschen Autobahn. Die vielen eingegangenen Zuschriften von Leserinnen und Lesern dokumentieren dies eindrucksvoll. Ja, lieber Herr F. aus W., die A7 ist diesbezüglich wirklich besonders schlimm…
     Auch mein Verhältnis zur Gewaltfrage löste anscheinend Beunruhigung aus. Hier sei betont, dass das »Durchdrücken des Gaspedals zur aggressiven Beendigung einer unerfreulichen Situation« allenfalls metaphorisch gemeint war und sich ausschließlich in meinem Kopf abspielte, als nicht in Betracht zu ziehende, unfriedliche und daher in hohem Maße verwerfliche Handlungsoption. Notorischen Rechthabern das Handwerk zu legen ist natürlich schwierig. Lasst sie uns durch Missachtung strafen und ihnen zeigen, wie schön ein lustvoll anarchisches Zusammenleben sein kann!
     Da fällt mir noch ein: Vor geraumer Zeit besuchten mein Freund W.T. aus S. und ich eine Kinovorstellung im Berliner Bezirk Wedding. Danach traten wir völlig vertieft in eine Diskussion über den cineastischen Wert amerikanischer Jeder-Mensch-hat-einen-guten-Kern-Filme den Heimweg an. Plötzlich sprang vor uns die Fußgängerampel auf Rot, neben uns eine Mutter mit Kind. Wie auf Kommando blieben wir im allerletzten Moment noch an der Bordsteinkante stehen, ganz im Bewusstsein unserer verantwortungsvollen Aufgabe als Vorbilder. Wie viele Kinder sterben doch jährlich im Straßenverkehr und von wem sollten sie das richtige Verhalten denn lernen, wenn nicht von…. »Komm schnell, das schaffen wir noch!« rief die Mutter und rannte los. Die beiden Vorbilder standen im Regen.

Johannes Näumann


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