Reisetagebuch Neuseeland - Katharina Pallas berichtet von einer Reise am anderen Ende der Welt
 
Die Route
heute

Neuseeland:
Backroad Bus und Overnight Cruise im Fiordland National Park

28. Tag: Sonntag21Februar 1999

Great adventures I

Backroad

Im Fiordland National Park muss jeder Neuseeland-Reisende einmal gewesen sein, die Hauptattraktion ist der für seine atemberaubende Schönheit berühmte Milford Sound. Er ist für die Südinsel Neuseelands in etwa das, was für Paris der Eiffelturm ist, insofern sieht man dort in der Regel die Berggipfel vor Japanern kaum. Ich hatte mir von einer Deutschen den Tipp geben lassen, eine Overnight Cruise auf dem Fjord zu machen und entging so zum Glück dem ganzen Touristenrummel.
     Unter dem Motto »Great adventures« startete die Zwei-Tages-Tour mit der Überfahrt von Queenstown auf die andere Seite des Lake Wakatipu. Anschließend ging es mit dem Backroad Bus über einspurige Nebenstrecken mitten durch die Pampa bis nach Te Anau. Außer den weiten Tälern, der Kiesstraße, stillen Gletscherseen und Tausenden von Schafen war da rein gar nichts, wir kamen lediglich etwa einmal die Stunde an einer Farm vorbei. Es erinnerte mich an dieses nette Scully-Zitat aus dem Akte X-Film: »Hier gibt es links und rechts meilenweit nichts als Gegend.«
Fiordland National Park     Die Straße wand sich auf und ab durch diesen entlegenen Landstrich, die Berge wurden nach und nach felsiger und höher, teilweise waren die Gipfel sogar schneebedeckt. Eine reguläre Teerstraße führte von Te Anau aus weiter Richtung Fiordland und dort wurde die Landschaft dann richtig spektakulär: Graue, gletschergekrönte Felsriesen stiegen fast senkrecht aus goldenen Wiesen empor, zerklüftet und einschüchternd. Zum Ende des Tals hin näherte sich die Straße immer weiter einer gigantischen Felswand, die wie eine Staumauer an dessen Ende stand. Hindurch führte der unbeleuchtete und roh aus dem Berg gehauene Homer Tunnel, ein bewundernswertes Werk der neuseeländischen Straßenkonstrukteure. Ziemlich gruselig, zum Liegenbleiben kann man sich bessere Stellen vorstellen…
     Über enge Serpentinen durch dichten Regenwald ging es nach dem Tunnel bis hinunter zum Milford Sound. Die ganze Fahrt über war uns ein Reisebus voller Touristen nach dem anderen entgegengekommen, bis wir dann aber am Spätnachmittag ankamen, war der Fjord fast völlig verlassen.
»Milford Wanderer«     Dort wartete der »Milford Wanderer«, das Segelschiff für die Fjord-Kreuzfahrt, bereits am Kai auf uns und lichtete die Anker, sobald alle an Bord waren. Leider waren die Segel nur Dekoration, das Schiff war bereits vor einiger Zeit auf den Motorbetrieb umgerüstet worden.
     Die dramatische Szenerie betäubte mich, sprachlos stand ich im Bug und bestand nur noch aus Augen. Mitre Peak, der Hausberg von Milford, ragte pfeilspitzengleich aus dem friedlichen Fjord empor, gleißend im abendlichen Gegenlicht. Angesichts der vorbeiziehenden wolkenkratzerhohen Berge wirkte das Schiff wie Kinderspielzeug; der Mensch fühlt sich zwergenhaft unbedeutend.
     Mehrere hundert Meter hohe Wasserfälle stürzten die senkrechten Felswände hinab, in der tief stehenden Sonne leuchteten die einzelnen Wassertropfen in allen Regenbogenfarben. Durch Gletscher waren die Talwände über die Jahrmillionen hinweg abgeschliffen worden, nur teilweise klammerten die ganz zähen Bäume und Sträucher sich hartnäckig daran und fanden Halt in jedem noch so winzigen Spalt. Ich saß oder stand die ganze Fahrt über an Deck, um keine Facette der vorbeiziehenden Traumlandschaft zu verpassen. Alles so erhaben und friedlich, bis auf den »Wanderer« war der Milford Sound völlig verlassen.

WasserfallIn einer kleinen Bucht ankerten wir dann; es dauerte beachtlich lange, bis der Anker am Grund ankam. Die Fjorde sind einige hundert Meter tief, häufig fallen die Berge unter der Wasseroberfläche genauso weit ab, wie sie darüber emporragen. Wer wollte, konnte Kayak fahren; ich entschied mich für die entspanntere Variante und ließ mich mit dem Motorboot für einen kleinen Spaziergang an den Strand bringen.
     Dieser war mit groben Kieseln bedeckt, die das Gehen erschwerten, zusätzlich hatten uns bereits nach wenigen Minuten die Sandflies entdeckt. Diese blutdurstigen Schwärme können einem die Fjorde schon verleiden, unser Busfahrer hatte sie schmunzelnd als eine »natural limitation to tourism« bezeichnet. Zum Glück hatte ich an Insektenschutzmittel gedacht, sie erwischten mich trotzdem an den Stellen, die nicht sorgfältig genug eingecremt waren.
Milford Sound     Der Bootsfahrer rettete uns davor, völlig ausgesaugt zu werden, und brachte uns zum Abendessen aufs Schiff zurück. Mit meinem After-Diner-Tea war ich danach allein an Deck und genoss den Zauber des Fjords in der blauen Stunde. Das Wasser blauschwarz wie Samt, zu hören war nur das leise Dröhnen des Schiffsmotors und das Rauschen der Wellen, die das Schiff durchschnitt. Die Berge wurden zu Schatten, wirkten größer und unheimlicher.
     Plötzlich Bewegungen im Wasser, silberne Rücken, aus den Atemlöchern prustend – Delphine! Eine Gruppe von ihnen begleitete das Schiff wie eine Eskorte, sie schwammen direkt unterhalb der Reling am Bug entlang. Auf das Rennen mit dem Schiff stiegen sie ein, zeigten ihre fröhlichen Gesichter und sprangen immer wieder aus dem Wasser. Währenddessen war die Sonne untergegangen, das tiefe Fjordwasser nachtschwarz, nur durchzogen von Wellen und den silbernen Delphinen – die überwältigende Schönheit hinterließ einen Kloß im Hals.
     Als wir für die Nacht in einer Bucht geankert hatten, stieg der zunehmende Mond als zaghafte Sichel hinter den Bergsilhouetten hervor, verkehrt herum wie so vieles am südlichen Sternenhimmel. Es begann der gemütliche Teil, nach dem Brot folgten die Spiele. Zusammen mit lauter Engländern eine Herausforderung für mein Englisch, aber ein sehr lauter und fröhlicher Abend.

Die Entstehung von Fiordland – eine Maori-Geschichte
Wie uns der Busfahrer erzählte, erklären die Maori die Entstehung von Fiordland folgendermaßen: Auf Anweisung der Göttermutter hackte einer der jüngeren Maori-Götter mit viel Mühe die zahlreichen Fjorde in die Südinsel Neuseelands. Nach vollbrachtem Werk staunte die Göttermutter über die große Schönheit, war jedoch nicht recht zufrieden. Wie sollten denn die Maori ihrer Arbeit nachgehen, sie würden doch nur ehrfürchtig stillstehen und die überwältigende Landschaft bewundern! Also schuf sie die Sandfliege, um Bewegung unter sie zu bringen…
 
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