Reisetagebuch Neuseeland - Katharina Pallas berichtet von einer Reise am anderen Ende der Welt
 
Die Route
heute

Neuseeland:
Paekakariki/ Picton

15. Tag: Montag8Februar 1999

Just cruisin'

Marlborough Sounds

Nachdem ich gestern die halbe Nacht nur mit Reden verbracht hatte, genoss ich vormittags die Ruhe auf der Terrasse – ohne Moskitos. Die Stimmung am Vorabend war locker und fröhlich wie bei einer privaten Party, es redete eigentlich jeder irgendwann mit jedem. Die Neuseeländer erklärten die Sternbilder, Deutsche und Holländer erzählten Reiseanekdoten, der Lebensstil in den unterschiedlichen Heimatländern wurde verglichen. In den besten Fällen wie in dieser Nacht ist die Backpacker-community wirklich wie eine große Familie. Fast jeder reist allein, fast jeder ist offen und locker, Kontakte finden sich von selbst.
     In der Nachmittagshitze schleppte ich mich und meinen Rucksack zum Bahnhof, der so verlassen aussah, als hätte dort vor Jahrzehnten der letzte Zug gehalten. Dieser Eindruck trog zum Glück jedoch, der Tranzmetro brachte mich fahrplanmäßig nach Wellington.
     Die Überfahrt nach Picton kam einer Kreuzfahrt gleich: Zunächst ging es entlang der Südküste der Nordinsel, kurz über die Cook Strait und dann durch die Marlborough Sounds Richtung Picton. Wie der Kapitän den Weg dorthin fand, konnte ich nur bewundern; die Sounds waren ein Labyrinth aus Fjorden, Buchten und Inseln. Im Abendlicht glänzten die Hügel über der quecksilberfarbenen See wie eine goldbraune Streichellandschaft, ich beneidete die Besitzer der vereinzelten Cottages am Ufer. Im Backpacker in Picton gab es einen Fön, zum ersten Mal seit 14 Tagen konnte ich in meinen Haaren fast eine Art Frisur erkennen - hallo Zivilisation!

Wo die Welt noch in Ordnung ist
Bevor die Fähre ging, hatte ich noch etwa eine halben Stunde Aufenthalt in Wellington und brachte für diese Zeit meinen Rucksack in den Schließfächern am Bahnhof unter. Sie waren durch ein merkwürdiges elektronisches System von Fach- und Codevergabe gesteuert, dem ich nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenkte. So verstaute ich mein Gepäck in einem Fach, für das kein Code vergeben war und bekam es prompt nicht mehr heraus, als ich es kurz vor Abfahrt des Shuttle Busses zum Ferry Terminal abholen wollte.
     Ich geriet ein wenig in Panik und machte den halben Bahnhof rebellisch, bis ich schließlich an einen baumlangen Maori geriet, der offenbar eine Art Bahnhofsvorsteher war. Ganz relaxed hörte er sich meine Geschichte an, ging mit mir zu den Schließfächern und holte mit seinem Sicherheits-Code meinen Rucksack aus dem Fach heraus – ohne auch nur irgendeinen Beweis zu verlangen, dass das Gepäck tatsächlich mir gehörte.
     Über diese unproblematische Abwicklung war ich ziemlich überrascht, hier muss die Welt tatsächlich noch in Ordnung sein. In Deutschland wäre das wahrscheinlich nur mit einigen Formularen, Unterschriften, Ausweiskontrollen und weiterem Hin und Her zu regeln gewesen – bis dahin hätte ich die Fähre längst verpasst…
 
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