»Ideale Autoren gibt es gar nicht«

Interview mit der Verlegerin Monika Wunderlich über ihren Erfolg mit dem eigenen Verlag

Als Verlegerin eines Kleinverlages hat man es nicht immer leicht. Wie man dennoch mit einem individuellen Programm gegen die mächtige Konkurrenz bestehen kann, das zeigt Monika Wunderlich mit ihren VirPriV-Verlag.
     Mit Monika Wunderlich sprach Helga Schubert.


Monika WunderlichLiteratur-Café: Warum wurden Sie Verlegerin?

Wunderlich: Im Dezember 1996 wurde mein erster Roman bei einem Zuschussverlag verlegt, dem ich blauäugig für mein 419 Seiten dickes Werk knappe 30.000 DM auf den Tisch blätterte. Bis dahin war ich völlig ahnungslos, dachte durch falsche Rechnung, dass das Geld irgendwann wieder »bei mir« sei.
     Drei Monate später nach Lesungen lernte ich andere Autoren kennen, wurde aufgeklärt und war am Boden zerstört. Für Weihnachten 1997 wollte ich Kurzgeschichten verschenken, ließ drucken. Dann wollten die Leute kaufen, ich besorgte mir ISBN, meldete einen Verlag an, damit ich nicht in Schwierigkeiten komme.
     Durch Literaturzeitschriften - bis dahin wusste ich auch gar nicht, dass es so etwas gibt - lernte ich andere Autoren kennen, die zum Teil ähnlich wie ich verlegt hatten. Dann ging alles Schlag auf Schlag: Ich inserierte Ende '98, suchte Anthologiebeiträge und Beiträge von Autoren, die mit Druckkostenzuschussverlagen Erfahrungen gemacht haben. Das Dilemma mit Abmahnungen, Klageandrohungen (bis zwei Jahre Haft) und so Zeugs kennen Sie ja. Ich habe mich dann 1997 bis 99 intensiv mit dem Verlagswesen beschäftigt und brachte dann meine erste Anthologie mit 48 Autoren aus 5 Ländern heraus. Heute ist es so, dass ich für die nächsten zwei Jahre arbeitsmäßig und finanziell total ausgelastet bin.

Literatur-Café: Bekommen Sie viele Manuskripte angeboten?

Wunderlich: Manuskriptzusendungen halten sich im Rahmen, rund fünf pro Woche. Für mich ist das allerdings viel, denn ich lese natürlich und bedaure manchmal, dass ich keine Aussicht auf einen Lottogewinn habe. Das würde mir die Aufnahme neuer Autoren sehr, sehr erleichtern.

Literatur-Café: Nach welchen Kriterien suchen Sie Texte aus?

Wunderlich: Als Verlagsinhaberin bin ich natürlich in der glücklichen Lage mir das aussuchen zu dürfen, was mir gefällt. Bei dem Ratgeber, ein brisantes Thema gerade in der heutigen Zeit, brauchte ich nur ein paar Nächte, um dieses Projekt durchzurechnen, mein Konto zu befragen ... Beiträge zu Anthologien sollten zum Thema und Untertitel passen, in sich stimmen. Manuskripte sauber, fettfrei, glatt, 1 1/2-Zeilenabstand usw. sind leider nicht die Regel.

Literatur-Café: Wie kam der Erfolg?

Wunderlich: Als Erfolg wertete ich die über hundert Zusendungen für meine erste Anthologie »Glück - ein verirrter Moment«. Nicht nur die Autoren erwarben weitere Exemplare, auch in der hiesigen Buchhandlung und bei Lesungen verkaufte ich, sodass fast 80 Prozent der Auflage ihre Leser gefunden haben. Brigitte Breidenbachs Lyrikband ist seit März 2000 auf dem Markt, an die 30 vom Verlag verkaufte Bücher ist auch hier für mich ein Erfolg. Cover: Mit Power durch die PleitezeitDer Ratgeber »Mit Power durch die Pleitezeit« wurde am 12. Mai von der Druckerei fertig gestellt und 150 verkaufte Exemplare innerhalb von zehn Tagen sind für einen Kleinverlag einfach super. Allerdings wurde bereits im Vorfeld breit gestreut geworben. Auch für mein Konto hoffe ich natürlich, dass ich hier in eine Marktlücke gestoßen bin, denn es haben bereits zwei große Kaufhäuser Interesse gezeigt. Aber da bin ich Realist - erst mal abwarten, nicht euphorisch werden. Eine Leserin sagte mir am Telefon, dass ich wohl ein »gutes Händchen« in der Wahl meiner Autoren habe. Das hoffe ich doch, auch wenn ich schon aus finanziellen Gründen den Autorenstamm klein halten werde. Und mit Brigitte Breidenbach, Peggy Wehmeier, Uta Brunnhuber, Stephan Peters und Hans-Walter Heinrich habe ich ganz sicher einen tollen Griff getan - außerdem liebäugele ich noch mit drei bis vier neuen Autoren.

Literatur-Café: Wie werben Sie für ihren Verlag?

Wunderlich: Der Erfolg kam natürlich auch über die Werbung. Ich inseriere in vielen Literaturzeitschriften, verschicke mit meinen Briefen Flyer (empfehle ich auch immer meinen Autoren), gab eine Anzeige in den Mainzer Minipressenkatalog 1999 auf und mietete Regale für die Leipziger Buchmesse 2000 beim Arbeitskreis für kleinere Verlage. Eine Anzeige mit Vorstellung aller Bücher erfolgte im Börsenblatt als Voranzeige für die Frankfurter Buchmesse 2000, an der ich mich selbstverständlich auch wieder aktiv beteiligen werde.

Literatur-Café: Wie kann man auch als kleiner Verlag gegen die Konkurrenz bestehen?

Wunderlich: Sehr, sehr schwer. Zum Glück sind die Klein- und Kleinstverlage ein sehr hilfreiches Völkchen und sparen nicht mit Tipps. Ab Herbst 2000 werde ich mein Programm »spezialisieren«. So ein Kleinstverlag kann nicht alles verlegen, d.h. sich nicht aller Themen annehmen. Wie gesagt, ich bin ja in der glücklichen Lage das zu veröffentlichen, was auch mir gefällt. So bin ich eine begeisterte Anhängerin von fantastisch-utopischen Erzählungen und erotisch-fantastisch-morbide-nervenaufreibend geschriebenen Geschichten. Und wenn mir ein mal wieder ein toller Ratgeber angeboten würde, wären meine beiden Hände offen.
     So erhoffe ich mir, mit meinen künftigen drei Schwerpunkten
»fantastisch- utopisch«, »fantastisch-erotisch-morbide« und »Ratgeber« einen Weg gefunden zu haben, mich mit meinem zuschussfreien Kleinstverlag nicht eines Tages in den Ruin zu stürzen.

Literatur-Café: Glauben Sie an eine Zukunft des Buches in der herkömmlichen Form?

Wunderlich: Auch wenn das eBook einfach im PC abrufbar und preiswerter ist, glaube ich nicht, dass es sich bei Lyrik und Belletristik durchsetzen wird. Wer möchte sich immer nur mit einem Stapel ausgedruckter Blätter hinsetzen und lesen.

Literatur-Café: Welche Eigenschaften muss der ideale Autor besitzen?

Wunderlich: Ideale Autoren gibt es, glaube ich, gar nicht. Jeder hat doch so seine Achillesferse, und das ist auch gut so, wir wollen ja nicht nur »Schreibautomaten« veröffentlichen. Recherchieren sollten Autoren, und auch z. B. darauf achten, dass der Blauäugige am Schluss nicht rehbraune Augen hat. Wenn schon Familiengeschichten, dann aber auch niemals verletzend - mit Ironie, Satire, Witz oder auch dramatisch natürlich!

Literatur-Café: Was ist für Sie ein gutes Buch?

Wunderlich: Ein gutes Buch ist für mich jener Lesestoff, den ich nicht aus der Hand legen kann bevor ich nicht das letzte Wort gelesen habe, auch wenn mir morgens erst die Brille von der Nase rutscht, das Essen anbrennt, der Trockner sich heiser schreit ...

Literatur-Café: Frau Wunderlich, wir danken Ihnen für das Gespräch.

12.09.2000

Weiterführende Links zum Thema:
Die Homepage des VirPriV-Verlags von Monika Wunderlich
Die Homepage von Peggy Wehmeier (»Mit Power durch die Pleitezeit«)
Im Café: Unser Bericht über Druckkostenzuschussverlage

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