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Mein Prinz - die Entstehungsgeschichte eines Romans

Es gibt 1.000 Gründe, keinen Roman zu schreiben. Dennoch habe es wieder getan. Er heißt Mein Prinz und ist gerade erschienen. Seine Geschichte fiel mir vor die Füße, was hätte ich also tun sollen? Sie ignorieren?

Von Hermann Mensing

Alles begann vor ziemlich langer Zeit. Meine Frau hatte mir ein Buch geschenkt. Es heißt Schwarze Teufel, edle Mohren, ist von Peter Martin, und 1993 im Junius Verlag Hamburg erschienen. Untertitel: Afrikaner in Bewusstsein und Geschichte der Deutschen.
     Auf Seite 115 stieß ich auf diesen Satz:
     Spätestens zu dieser Zeit konnte sich auch hin und wieder einer der weniger begüterten Landedelleute einen schwarzen Musiker leisten, zum Beispiel bediente der »Mohr« Johann Junkerdink im Dorf Roxel bei Münster die neue Orgel, die 1711 auf Veranlassung des Freiherrn Heinrich-Johann Hülshoff, Herr der nahegelegenen gleichnamigen Wasserburg und Vorfahr der Annette von Droste-Hülshoff, nach Roxel kam. Der Freiherr hatte den Schwarzen von einer Auslandsreise mitgebracht und zunächst als »Leibmohren« für sich arbeiten lassen. Da sich der Junge jedoch schon bald als musikalisch begabt und überdies als gelehrig und lernbeflissen erwies, wurde er zum »Organister« ausgebildet.
     Nun muss man wissen, dass ich in Roxel lebe und die genannte Wasserburg mit der Fiets, dem Nahverkehrsmittel des Westfalen, innerhalb von 10 Minuten erreichbar ist.

Cover: Hermann Mensing. Mein Prinz.

Hermann Mensing: Mein Prinz: Eine historische Liebesgeschichte. Taschenbuch. 2005. Aschendorff. ISBN/EAN: 9783402035078

Eine Leseprobe gibt es auf der Website von Hermann Mensing.

     Dort also hatte ein Mohr gelebt – ein Sklave?
     Und in der St. Pantaleon Kirche hatte er Orgel gespielt?
     Ich war erschüttert.
     Der Dorfpfarrer hatte von dieser Geschichte noch nie etwas gehört.
     Ich begann zu recherchieren. Ich fuhr ins Landesarchiv, ins Staatsarchiv, ich erhielt Einblick in die Hülshoff-Akten, und so vervollständigte sich mein Bild der Geschichte.
     Zunächst zu einem Berg Notizen.
     Da ich Hörspiele für Kinder und Jugendliche schrieb, dachte ich damals noch nicht an einen Roman für Erwachsene. Ich dachte eigentlich noch an überhaupt keine Form der Verwertung. Ich würde schon sehen. Irgendetwas würde mir einfallen.
     Und dann traf ich einen Dramaturgen des WDR. Wieso und in welchem Zusammenhang weiß ich nicht mehr, jedenfalls erzählte ich ihm die Geschichte. Er war interessiert und ich machte mich an die Arbeit. Nach der vierten Fassung hatten wir ein sendefähiges Hörspiel. Es heißt: Swatten Jehann. Der Mohr von Roxel.
     Das war im Jahr 2000.
     Wenig später veröffentlichte ich meinen ersten Roman für Kinder, dem seither acht weitere gefolgt sind. Ich hatte also alle Hände voll zu tun, und vergaß meinen Mohr.
     Bis Mitte letzten Jahres.
     Ich war dabei, meine Festplatte aufzuräumen und stieß auf den Hörspieltext.
     Ich las ihn und dachte, daraus mache ich einen Roman.
     Um ihn meinem Verlag verkaufen zu können, schrieb ich eine Science-Fiction-Version. Die Helden meiner Gegenwart, Johann und Maria, entdecken mithilfe einer computeranimierten Zeitmaschine, dass es drei Jahrhunderte vor ihrer Zeit ein Paar gleichen Namens gegeben hat.
     Meine Lektorin fand diese Version zu »sophisticated«. Ich wusste nicht recht, was das bedeuten sollte, beließ es aber dabei und legte die Version auf den Stapel in Zukunft zu bearbeitender Texte.
     Im Herbst letzten Jahres dachte ich, wie wäre es, wenn ich die SF-Geschichte in den Orkus der Datenverarbeitung schickte und nichts als die erzählte Version der historischen Geschichte plus meiner eigenen Fabulierfreude zurück behielte? -
     Gesagt - getan.
     Nach wenigen Tagen hatte ich einen Text von ca. 90 Seiten.
     Ich nannte die Geschichte Mein Prinz.
     Nun fehlte noch ein Verlag.
     Meiner zickte.
     Die Sorge, das wirtschaftliche Überleben hatte ihn vorsichtig gemacht.
     Ich bot Mein Prinz also hier und dort an. Man fand die Geschichte »interessant«, »einfühlsam«, »beeindruckend«, aber niemand wollte sie kaufen.
     An dieser Stelle meiner Ausführungen pralle ich auf die 999 Gründe, warum man keinen Roman schreiben sollte: sie haben alle mit der Verwertung zu tun. Die Verwertung eines Textes gleich welcher Art gehört zum Schwierigsten und Unangenehmsten, was ich mir vorstellen kann. Dagegen ist der Prozess des Schreibens eine wahre Freude, wenn auch oft sehr, sehr anstrengend.
     Der andere, der noch übrig bleibende Grund, ist die Eitelkeit.
     Sie sollten sich also prüfen. Sie wissen, dass Eitelkeit eine der größten Sünden ist, Sie werden in der Hölle schmoren, wenn es Ihnen nur um Ruhm und (siehe 999 andere Gründe) Geld geht.
     Ich legte Mein Prinz beiseite und dachte mir meinen Teil.
     Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Im Oktober hatte ich die Idee, den Roman einem in der Region ansässigen Verlag einer großen Tageszeitung anzubieten. Ich rief dort an, ich erzählte meine Geschichte, ich schickte den Text an den Verlagsleiter, und einen Woche darauf unterschrieb ich den Vertrag.
     Ignorieren Sie 999 Gründe, denn der Ertrag dieser Arbeit steht in keinem Verhältnis zu dem dafür betriebenen Aufwand. Was also bleibt, ist die Eitelkeit. Die unsinnige Freude darüber, die eigene Arbeit gedruckt zu sehen. Eine weitere Spur hinterlassen zu haben. Man erspart sich die immensen Kosten für einen Grabstein. Schließlich überlebt man in einem Literaturlexikon. Das ist doch was, oder?

Hermann Mensing
07.02.2005

Hermann Mensing: Mein Prinz: Eine historische Liebesgeschichte. Taschenbuch. 2005. Aschendorff. ISBN/EAN: 9783402035078
Eine Leseprobe gibt es auf der Website von Hermann Mensing..

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