Open Content: ein juristischer Computer-Virus Oliver Gassner über einen Vortrag des Literaturwissenschaftlers Florian Cramer zum Thema Copyright im digitalen Zeitalter Im Internet gibt es alles umsonst. Vor allem: Texte und Musik. Und Filme und Software. Ist das alles legal? Oder gar gut? Womit verdienen die Menschen, die diese Inhalte geschaffen haben, Geld? Was geschieht, wenn einfach jemand diese Arbeiten nimmt und für die eigenen ausgibt? Oder kopiert und verkauft? Gilt das Urheberrecht? Content: Was unterscheidet ein Programm von einem Gedicht? Es zeigte sich im Vortrag recht schnell, dass eine Abgrenzung zwischen den Inhalten (Content) z.B. des Internets und Programmen oder Betriebssystemen nicht einfach ist. Denn wo genau ist die Grenze zwischen einem als Programmcode - also in Computer-Sprache - vorliegenden Verfahren (Algorithmus) und der normal-sprachlichen Beschreibung dieses Verfahrens in einem Text? Auf das Programm wird in der Regel das Patentrecht angewandt, auf den Text hingegen das Urheberrecht oder international das Copyright. Einen Text erwirbt man in Papierform - oder ein Lied in Form eines Tonträgers - und kann ihn beliebig oft nutzen und nach Nutzung eventuell auch wieder weiterverkaufen. Als Bibliothek kann man ein Buch beliebig oft verleihen. Für Software hingegen werden Lizenzen vergeben. Man erwirbt nicht das Programm, sondern lediglich eine oft eng gefasste Erlaubnis zu dessen Nutzung. Verleih oder Wiederverkauf sind oft entweder unmöglich oder an strenge Auflagen gebunden. Allerdings gehen die Bestrebungen vieler, gerade sehr innovativer, Firmen dahin, auch auf die Beschreibung von Verfahren das Patentrecht anzuwenden und Geld aus der Vergabe von Lizenzen für deren Nutzung einzunehmen. Die Grenze zwischen Software und Texten, Programmen und Inhalten (elektrodeutsch: Content) verschwimmt. Diese Grenzauflösung legt es nahe zu überprüfen, ob nicht bestimmte Lizenzformen, die für Software taugen, nicht auch für Inhalte taugen könnten. Ausgeschlossen: Dateien dürfen nicht ins Antiquariat Zunächst behandelte Cramer die lizenzrechtlichen und technischen Einschränkungen, die sozusagen »geschlossene«Nutzung. Closed: Wissen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Für Privatleute sind die oben aufgeführten Einschränkungen bei der Nutzung digitaler Inhalte ja eventuell hinzunehmen. Für Bibliotheken jedoch bedeuten diese Regelungen und technischen Maßnahmen, dass sie die entsprechenden Medien oft überhaupt nicht zur Ausleihe oder auch nur Nutzung in den Räumen der Bibliothek anbieten können. Die Programme, Texte, Lieder, Filme und Bilder sind also von einem öffentlichen Zugang ausgeschlossen. Open: Information wants to be free Wie nun ist dieses Problem zu lösen? Gerade das Nebeneinander von Bibliotheken, als offene und freie Nutzungsform von Inhalten, und den Verlagen, Druckereien und dem Buchhandel zeigen, dass eine öffentliche Nutzung von Inhalten deren kommerziellen Vertrieb nicht behindern muss sondern vielmehr sinnvoll ergänzt. Florian Cramer bezeichnete gerade die Bibliothek als Modell für eine sinnvolle Regelung von Nutzungsrechten im digitalen Zeitalter. Modell: Freie Wissenschaft Neben der Open-Source-Bewegung und den Bibliotheken bietet sich ein weiteres Modell an: Das des Wissenschaftsbetriebs, in dem nicht nur eine freie Zitierbarkeit herrscht sondern auch die Patentfreiheit von Wissen: Einstein hatte eben kein Patent auf die Relativitätstheorie, und kein Forscher musste ihm für die Nutzung seines Wissens Lizenzgebühren entrichten.
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