Am 10.01.2014 war der 217. Geburtstag der Schriftstellerin und Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff, die 1797 geboren wurde und 1848 starb. Eines ihrer bekanntesten Werke ist die Novelle »Die Judenbuche«. Google widmete der Dichterin ein Doodle.
Ihr bekanntestes Gedicht dürfte »Der Knabe im Moor« sein. Im Reimschema ababccab und mit unheimlich klingenden Wörtern beschreibt die Dichterin die Angst eines Jungen, der auf dem Nachhauseweg ein Moor überquert und dort vermeint, Geister zu sehen.
Und da gestern Abend noch etwas Zeit war, haben wir das Gedicht kurzerhand vertont und musikalisch einen ganz anderen Weg übers Moor eingeschlagen als erwartet.
Annette von Droste-Hülshoff: Der Knabe im Moor
O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstige Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor’,
Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran, nur immer im Lauf,
Voran als woll’ es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
»Ho, ho, meine arme Seele!«
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär’ nicht Schutzengel in seiner Näh’,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.
Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war’s fürchterlich,
O schaurig war’s in der Heide!
Media-Datei: Herunterladen (Wiedergabedauer: 3:43 — 3.6MB)
Sprecher: Wolfgang Tischer – Musik erstellt mit Mixtikl