
Das Statistische Bundesamt hat zur Frankfurter Buchmesse 2025 neue Zahlen zur Buchbranche veröffentlicht. Die Zahl der Buchhandlungen ist binnen fünf Jahren um 24 Prozent gesunken, die Umsätze des stationären Handels gehen zurück. Doch die Buchbranche insgesamt bleibt stabil. Wer oder was rettet das Geschäft?
Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, die vom 15. bis 19. Oktober 2025 stattfindet, liefert das Statistische Bundesamt Zahlen, die den Strukturwandel der Branche belegen. Gut 2.980 Einzelhandelsunternehmen mit Bücherangebot gab es 2023 in Deutschland. Das entspricht einem Rückgang um knapp ein Viertel binnen fünf Jahren. 2018 waren es noch rund 3.930 Unternehmen.

In Summe also 950 Einzelhandelsunternehmen mit Bücherangebot also, die in diesem Zeitraum geschlossen, ihr Geschäft umgewandelt oder (nicht selten an Ketten) übergeben haben. Nach der EU-Unternehmensdefinition zählen dabei sowohl einzelne Buchhandlungen als auch größere Ketten mit all ihren Filialen als ein Unternehmen.
Stationärer Handel verliert weiter
Das Statistische Bundesamt nennt als mögliche Gründe für den Rückgang steigende Mieten und Personalkosten sowie ein geändertes Kaufverhalten. Der Umsatz der Buchhandlungen in Deutschland sank 2023 um 2,9 Prozent gegenüber 2022 – bereits das zweite Jahr in Folge mit einem Rückgang. Seit 2019, also vor der Pandemie, haben Buchhandlungen real rund 8,3 Prozent Umsatz verloren.
Die Anzahl der stationären Buchhandlungen sank 2023 um 4,1 Prozent. Das entspricht rund 300 Betrieben weniger als im Vorjahr. Der stärkere Rückgang der Betriebszahl deutet darauf hin, dass kleinere und mittlere Buchhandlungen überproportional betroffen sind.
Auch die Zahl der Beschäftigten ist laut Bundesamt binnen fünf Jahren um 19 Prozent gesunken – von etwa 28.000 Personen im Jahr 2018 auf rund 22.620 Personen im Jahr 2023.
Die Branche stabilisiert sich trotzdem
Doch während der stationäre Handel nach den Zahlen des Bundesamtes schrumpft, stabilisiert sich die Buchbranche insgesamt. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels meldet für das Gesamtjahr 2024 ein Umsatzplus von 1,8 Prozent auf 9,88 Milliarden Euro über alle Vertriebswege hinweg.
Der stationäre Buchhandel erreichte laut Börsenverein 2024 einen Umsatz von 4,08 Milliarden Euro, ein Plus von 0,9 Prozent. Der Online-Buchhandel legte deutlicher zu: um 4,4 Prozent auf 2,51 Milliarden Euro. Bemerkenswert: Die Hälfte dieser Online-Umsätze entfällt auf die Webshops stationärer Buchhändler. Viele Buchhandlungen haben sich also digitale Standbeine aufgebaut. Nicht bekannt ist allerdings, wie groß daran der Anteil von Buchhandelsketten wie Hugendubel oder Thalia ist, die im Gegensatz zu Amazon auch als stationäre Buchhandlungen zählen.
Der Gesamtumsatz über alle Vertriebswege sank laut Statistischem Bundesamt 2023 nur um 1,2 Prozent – deutlich weniger als der Rückgang im stationären Handel allein. Die Verschiebung vom Ladenregal zum Onlinekauf gleicht offenbar einen Teil der Verluste aus.
Junge Käuferinnen retten die Bilanz
Der entscheidende Faktor für die Stabilisierung der Branche sind junge Käufer, wie die Zahlen von YouGov zeigen. Junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren kaufen wieder mehr Bücher. Bei den 16- bis 19-Jährigen stieg die Zahl der Käuferinnen und Käufer 2024 im Vergleich zu 2023 um 9,6 Prozent, bei den 20- bis 29-Jährigen um 7,7 Prozent. Allerdings gingen die Käuferzahlen bei den 10- bis 15-Jährigen um 6,0 Prozent zurück.
Was kaufen diese jungen Menschen? Vor allem Young Adult und New Adult. Laut Börsenverein wird rund ein Drittel der jungen Lesenden über Social-Media-Kanäle auf neue Bücher aufmerksam. Buchhandlungen, die darauf reagiert haben und beispielsweise Extra-Tische für diese Titel einrichten, profitieren.
Das schlägt sich in den Umsatzzahlen nieder. Die Belletristik verzeichnete 2023 laut Börsenverein einen Zuwachs von 7,7 Prozent gegenüber dem Jahr davor und hat einen Umsatzanteil von 35,5 Prozent am Gesamtmarkt. Auch 2024 setzte sich dieser Trend fort: Im ersten Halbjahr erzielten belletristische Titel 4,2 Prozent mehr Umsatz.
Gleichzeitig zeigt sich laut Börsenverein ein paradoxer Trend: Die Gesamtzahl der Buchkäufer geht zurück. 2023 sank sie um 2,8 Prozent auf noch 25 Millionen. Doch die verbliebenen Käufer geben mehr aus pro gekauftem Buch.
Nachfolger fehlen überall
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels beziffert die strukturelle Entwicklung bei seinen Mitgliedern konkret: Jedes Jahr verliere man etwa 100 Mitglieder, vor allem aus Altersgründen und wegen wirtschaftlicher Probleme. Dem stünden nur rund 40 Neugründungen gegenüber.
Viele Buchhandlungen finden keine Nachfolger. Das betrifft nicht nur kleine Läden in der Provinz, sondern auch renommierte Häuser in Großstädten. Ein Blick in die Buchhandlungsbörse des Börsenvereins zeigt eine lange Liste von Nachfolgegesuchen. Buchhandlungen in München, Köln, im Münsterland und in Sachsen suchen Interessenten, die das Geschäft weiterführen.
Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins, verweist in einem Beitrag des Börsenblatts auf die Sinnhaftigkeit des Berufs. Buchhändler gestalteten kulturelle Vielfalt mit, positionierten sich als Begegnungsort und trügen zur gesellschaftlichen Debatte bei. Doch wie ein Kommentator unter dem Börsenblatt-Artikel anmerkt: Romantisierungen zahlen keine Miete.
Ungleiche Verteilung des Wachstums
Vom Young-Adult- und New-Adult-Boom profitieren nicht alle Verlage und Buchhandlungen gleichermaßen. Kleinere, unabhängige Verlage mit Programmen abseits des Mainstreams haben wirtschaftlich zu kämpfen. Buchhandlungen, die sich auf anspruchsvolle Literatur spezialisiert haben, stehen vor der Frage: Sollen sie ihr Profil ändern oder auf ihre Stammkundschaft setzen? Nicht wenige Verlage haben in den letzten Jahren New-Adult-Imprints gegründet, um von diesem Markt zu profitieren.
Größere Ketten mit Online-Präsenz und gut aufgestellte Einzelhändler, die digitale und stationäre Strategien verbinden, kommen besser durch die Krise. Kleinere Läden ohne eigenen Webshop verlieren sicherlich Marktanteile.
Frauen prägen die Zukunft des Buchhandels
87 Prozent der neuen Ausbildungsverträge zur Buchhändlerin oder zum Buchhändler gingen 2024 an Frauen, wie das Statistische Bundesamt in seiner Meldung ebenfalls mitteilt. Das ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Knapp 490 Personen begannen 2024 diese Ausbildung, ein Jahr zuvor waren es noch rund 500.
Im Zehn-Jahres-Vergleich zeigt sich laut Statistischem Bundesamt jedoch eine leichte Zunahme der Auzubildenden. 2014 wurden nur etwa 470 neue Verträge abgeschlossen. Die Ausbildungszahlen stabilisieren sich auf niedrigem Niveau.
Junge Frauen kaufen Bücher, junge Frauen werden Buchhändlerinnen. Ob diese Generation später eigene Buchhandlungen eröffnet, ist unklar. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit hohen Mieten und Personalkosten machen Neugründungen oder Übernahmen schwer.
Ein Strukturwandel, kein Niedergang
Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen daher keine sterbende Branche, sondern einen tiefgreifenden Strukturwandel. Der stationäre Buchhandel verliert Fläche und Präsenz im Stadtbild oder Ketten übernehmen. Aber das Buch findet weiter sein Publikum – nur eben auf anderen Wegen. Jedoch ist auch nicht zu leugnen, das insgesamt weniger Menschen Bücher kaufen.
Deutschland hat mit seinen knapp 3.000 Einzelhandelsunternehmen mit Bücherangebot immer noch ein dichtes Netz. Im internationalen Vergleich ist das beachtlich. Doch der Wandel geht weiter: vom Ladenregal zum Lieferkarton, von der persönlichen Beratung zur TikTok-Empfehlung, von der literarischen Entdeckung zum algorithmisch vorgeschlagenen Bestseller.
Die Frankfurter Buchmesse, auf der diese Woche die Branche zusammenkommt, wird diesen Wandel nicht aufhalten. Aber sie dokumentiert eine bemerkenswerte Entwicklung: Eine Generation, die man schon als verloren abgeschrieben hatte, rettet mit ihren Buchkäufen die Umsätze. Nur kaufen diese jungen Menschen anders ein – und lesen andere Bücher. Zum zweiten Mal ist für diese Käuferinnengruppe eine ganze Halle reserviert. Das ist für viele inhabergeführte Buchhandlungen mit kuratiertem Programm weniger relevant. Für die Branche insgesamt schon.
Siglinde Auberle