Wellers Wahre Worte am Café Tisch
August 2002 - Die monatliche Kolumne von Wilhelm Weller


»Ein Grab neben Willy«
Neue Wege der Parteienfinanzierung - legal und volksnah
Wilhelm Weller


Das scharfe, kalte Adlerauge einer hyperkritischen Öffentlichkeit kreist wieder einmal über opferbereiten Männern und Frauen, die sich - engagiert in verschiedensten Parteien - dem Gemeinwohl verschrieben haben.
     Ein einziger Fehltritt, ein einziger Fehlflug und die Häme des Blätterwaldes ergießt sich über Gestrauchelte und Abgestürzte.
     Dass sich zumindest für die Parteien und ihre Schatzmeister ein neuer Weg, ungewöhnlich aber verheißungsvoll, zur seriösen Finanzierung aufzeigen könnte, ging in den schrillen Skandalgeschichten um Scharping, Hunzinger und die sonstigen Verdächtigen unter.

Am 22. Juli hatte der SPIEGEL unter dem Titel »Ein Grab neben Willy« über eine rührende private Spende in Höhe von 2,5 Millionen Euro an die Berliner SPD berichtet.
     In diesem Fall war die Spende tatsächlich mit einem (nicht-jüdischen) Vermächtnis verbunden:  Gerhard Schulze, ein glühender Verehrer von Willy Brandt, »wollte, dass wieder ein Genosse Bürgermeister in Berlin wird.« Wäre das nicht gut so?
     Jedenfalls sollte die SPD laut seiner letzten Verfügung die vermachten Millionen »nur für Wahlkampfzwecke ausgeben.«
     Da lacht das Herz des klammen Kassenwarts - sogar beim Leichenschmaus. Wo sonst wird man noch derart generös unterstützt?  Andere mögen mehr spenden, wollen im Gegenzug aber selbst üppig bedacht werden, etwa durch öffentliche Aufträge.
     Eine kleine, entscheidende Bedingung stellte jedoch auch Gerhard Schulze, nicht anrüchig, sondern anrührend: Er wolle in der Nähe seines Idols beerdigt werden.
     Nichts leichter als das. Nun ruht der schon 1999 verstorbene Mann ganze 15 Meter vom Ehrengrab Willy Brandts entfernt auf dem Friedhof Berlin-Zehlendorf. Zum Grab des früheren Berliner Bürgermeister Ernst Reuter bräuchte er im Geiste sogar nur 8 Schritte zu gehen.
     Theoretisch oder metaphysisch könnten die drei auch einen SPD-Ortsverein Berlin-Jenseits gründen. Schulze, in seinem früheren Leben »Konstrukteur«, könnte in diesem neuen, ewigen Leben bis dahin Ungelebtes leben: Als rechte Hand von Willy Brandt dabei mitwirken, dass auch die Orte hinter der Himmelspforte durch einen demokratischen Sozialismus noch lebenswerter gestaltet werden.
     Nun, letztlich wissen wir das nicht, wir können nur Vermutungen anstellen.
     Sicher ist jedoch, dass die Idee von Schulze einen Wendepunkt für die bislang so skandalanfällige Parteienfinanzierung darstellen könnte. 
     Die Zahl der Alleinstehenden und die Zahl der Vermögenden wächst. Viele unter ihnen mögen so wie Schulze zeitlebens einen Politiker bewundert haben, wenn es nicht Willy Brandt war, so vielleicht Helmut Kohl oder Helmut Schmidt, Dietrich Genscher oder Joschka Fischer. Für die Ehre, dem Verehrten zumindest beerdigt nahe zu sein, könnte so mancher sein Testament neu schreiben.
     Interessenten könnten von den Parteien mit einer gestaffelten Preisstruktur gelockt werden: So sollte etwa Willy Brandt mehr kosten als Herbert Wehner und natürlich stiege der Preis mit zunehmender Nähe zum Ehrengrab.
     Mit seinen 2,5 Millionen Euro für 15 Meter Entfernung zu Willy Brandt hat Gerhard Schulze vielleicht einen ersten Maßstab gesetzt.
     Noch andere, lukrativere Dimensionen täten sich bei einer Feuerbestattung auf: Eine Urne kann theoretisch und praktisch auch in einem schon bestehenden Grab beigesetzt werden.

     Nimmt man als durchschnittliche Abmessung eines Ehrengrabs 5m x 4m und mindestens 1m verplanbare Tiefe (= 20 Kubikmeter), böte dies bei einem Urnenvolumen von ca. 500 Kubikzentimetern Platz für 40 000 Urnen! Und keine Frage, dass eine fast intime Nähe zum Idol seinen besonderen Preis hätte.
     Fazit: Ein Modell, das die Parteien finanziell sorgenfrei machen könnte - und nebenbei auch die Verbundenheit zwischen Politikern und Bürgern symbolisieren und stärken würde

Wilhelm Weller

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