BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
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Allein und mächtig?
von Tobias Schmidt

Warum die Buchstaben in unserer Sprache unterschätzt werden? Warum stellen sich mir in solchen Momenten immer wieder diese Fragen? Die Zahlen dagegen. Mein Gott, die Zahlen. Denen wird's auf die biegsamen Schulterchen gehievt wie's grad kommt. Und man starrt sie an, hoffend, ergeben, aber nie mitleidig. Sie sind eben stark. Das ist die Natur, sagt man. So wie die Frauen uns in ihren Duftnetzen still winseln lassen, so auch die Zahlen in ihrem nach Anerkennung duftendem Flair.
     Warum denke ich jetzt ans Geld? Die Nervosität.
     Wenn alle Momente die waren und alle die noch kommen vergessen sind, wird dieser eine, hier und jetzt, noch lange in mein tränengeweichtes Gehirnfleisch bohren und »Du dachtest nur an dein Scheiß-Geld« zischen. »Ist dir bewusst, dass es im Deutschen kein Wort gibt, welches aus nur einem Buchstaben besteht?«
     Ja! Sie denkt nach! Das saß! Man muss eben auf seinen Bauch hören.
     Gleich weiter: »Wohingegen andere Sprachen ihren einzelnen Buchstaben viel mehr zutrauen. Sehen wir uns nur das Nächstliegende an. Das Ich im Englischen oder... etwas weiter entfernt das Du im Suaheli. I und ?. Ist das nicht verblüffend?«
     Nein, jetzt bloß nicht schlucken. Ich lächle mein geschultes Lächeln. Um sie zu mehr Verblüffung zu ermuntern schüttle ich zart meinen innen und außen rausgeputzten Kopf und schaue dabei gewichtig auf einen Fussel am Boden zum Beispiel. Sie wird's nicht merken, wer kann schon Suaheli! Innerlich zurücklehnen, ich kann schon mal anfangen Storys, die meine Kumpels bleich machen werden, zu formulieren.
     Ihre Augen. Nicht wegschauen! Tief in sie hinein. Ich halt's nicht aus.
     Was soll ich sagen oder tun? Wie könnt ich es nur genießen. Hat sich meine Hand bewegt? Nein, nicht so schnell, das könnte alles zunichte machen. »Karin«, haucht meine für diese Situationen herangezüchtete Hauchesstime. Und noch mal. Jetzt mit gleichzeitig (nur unterbewusst wahrnehmbar) hervorgeschobenem Kinn und sich genießerisch schließenden Augen, »Karin.« Ich höre ihr sorgfältigst arrangiertes und binnen eines Lidschlags weggewischtes Gesicht etwas ausspucken.
     »Katrin... Ka-T-rin, mit T!«

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