BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
Das Online-Projekt
des literaturcafe.de

 
Zwischen d und f
von Gitta Kla?en

Ein verlassenes e, einfach vergessen worden w?hrend eine Diktats von Jan beim Wort Tee, traurig und ziemlich herunter gekommen, f?hlte sich so einsam wie es war. Nun fehlte ihm seine Familie, zugegeben eine kleine, aber eben seine.
     Tagelang schon irrte es durch die Tinte, durch Buchstaben und W?rter, suchte ein anderes Zuhause.
     Hochn?sig waren Klee und Schnee an ihm vorbeistolziert, hatten ihm einen ver?chtlichen Blick zugeworfen. Sie wollten es nicht. Selbst die freundliche Fee, welche ihm, als es noch Aussicht auf Geschmack hatte, immer zugezwinkert hatte, huschte dahin.
     Das e hatte viele Versuche unternommen, etwas passendes f?r sich zu finden, aber aussagekr?ftig und grammatikalisch korrekt wollte es sich schon aufgehoben wissen. Es war nicht phlegmatisch oder faul gewesen... nein, das nicht, blo? irgendwann hatte es die Suche und dann... fast sich selbst aufgegeben.
     Zwischendurch ?berlegte es sich, vielleicht nach Frankreich auszuwandern.. aber es wusste nicht, ob alle canap?s, alle port?es, alle r?sum?s ihre e noch hatten oder ob sie, wenn nicht, bereit w?ren, ihm einen dieser komischen Zipfel auf seinen Kopf zu setzen, ihn aufzunehmen. Das erschien dem e dann doch zu riskant. Eine weite Reise, wom?glich umsonst, in fremder Umgebung, sich dann noch lang ziehen zu lassen, wenn ?berhaupt jemand es n?hme, war kein so verlockender Gedanke. Sein winziges Dasein wom?glich in Paris, ausgerechnet in der Stadt der Liebe, aufgeben zu m?ssen, w?re eine zus?tzliche Katastrophe gewesen.
     Das kleine e wurde immer bescheidener. Seine Anspr?che hatte es schon auf ein Minimum herunter geschraubt, sich einem einfachen d angeboten, einem p, einem m und sogar einem y. Alle lehnten ab, und zwar ?u?erst unfreundlich.
      ?Was soll ich mit dir??, hatte selbst das y? gemein gefragt, ?ich suche etwas Besonderes!?
     In dieser verzweifelten Situation w?nschte sich das e nur noch jemanden, der es verstand, der nach- und mitf?hlen konnte. Das e rappelte sich wieder einmal auf. Sein Weg f?hrte es dorthin, wo sich all diese mit Sicherheit bald gestrauchelten, rot gestrichenen unleserlichen und verschmierten Buchstaben aufhielten. Es war kein sch?ner Anblick! Nichts war fein oder s?uberlich, es herrschte ein heilloses Durcheinander, wie auf einem Flohmarkt, aber.. es war gem?tlich!
     Alle waren nett zueinander, niemand trug seine Nase hoch, denn dazu bestand nun wirklich kein Grund. Jeder suchte etwas.
     ?Hallo, ich bin ein Haus ohne s, meldete sich dasselbe w?rtlich. ?Hat einer ein s zu viel? Wei? jemand wer ein s ?brig hat??
     ?Ich habe nur ein verungl?cktes b ?gurrte die Taube, ?und das auch nur in klein.?
     ?Da hinten, nahe dem Ausgang, soll ein Baum auf ein gestochenes B warten!?
     Von ?berall kamen Fragen und Angebote.
     Das kleine e war v?llig ?berrascht. So etwas h?tte es sich nicht tr?umen lassen. In einer Ecke sah es dem Treiben zu.
     ?Hier ist kein guter Platz!? unterbrach ein Karussell, dem auch ein s und ein r fehlte, die Betrachtungen des e,? ?Du musst n?her zum Federhals gehen, da sind die Chancen f?r ein e viel besser! Du hast es gut, ein e ist leicht mal hier und dort zu gebrauchen, aber ich... ich werde wohl dem Rotstift zum Opfer fallen.?
     ?Das w?rde mir sehr Leid tun?, meinte das kleine e, ?du bist wirklich kein leichtes Wort!?
     ?Ja, leider!?
     Das e dr?ngelte sich durch die Massen. Nun freute es sich klein zu sein, ein e zu sein und nicht ein herumsuchendes gro?es schwieriges komplettes Wort.
     In der Warteschleife stand noch ein kleines e. Es war nicht so exakt, nicht so sch?n geschwungen, aber ein erkennbares e.
     ?Wir haben eine gute Chance heute?, sprach das eine e zum anderen, ?Jan muss einen Dialektaufsatz schreiben. Bleib nah bei mir, ich vermute es wird klappen!?
     Das kleine e klammerte sich nun fest an das andere e. Wie zweieiige Zwillinge standen sie dort und guckten den flie?enden, sch?nen und korrekten W?rtern zu, wie eins nach dem anderen ins Freie gelangte. Mit erhobenen H?uptern rutschten sie durch die Schleuse.
     ?ee! Kommt her ihr ee!? rief pl?tzlich und sehr laut ein gro?es N, ?ich brauche euch beide!?
     Aufgeschreckt flitzten die ee los, ran an das N, festgehalten und ab ging die Post!
     Schwock, da standen sie! Leserlich, verst?ndlich, westf?lisch korrekt auf wei?em Papier. Sie waren sich einig. Eine kleine lustige Familie, die auch was zu sagen hatte.
     ?Nee!?

© 2001 by Gitta Kla?en. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

ZurückWeiter