BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
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E
oder Ein bürokratischer Irrsinn
von Edgar Güttge

»E, dein Pass läuft ab!«
     »Weiß ich, aber wozu brauche ich denn im vereinigten E noch einen Pass?«
     »Ich meine ja bloß.«
     Ich g-he trotzdem zur Botschaft von D-Staat in B-Staat, um meinen Pass verlängern zu lassen. Die Botschaft liegt in B-Stadt, etwa zehn G-Minuten von meinem Arbeitsplatz entfernt. Amtlich kühl werde ich dort empfangen. Da ich die D-Staatsangehörigkeit habe, muss ich nicht warten wie jene Bürger sonstiger Nationalitäten, die vor den anderen Schaltern in einer S-Schlange anstehen. Am D-Schalter bin ich sofort an der Reihe.
     Meinen Pass b-komme ich dennoch nicht. Als ich das mit verkrampften Fingern unsicher ausgefüllte A-Formular durch den Schalterschlitz schiebe, schüttelt der Angestellte verneinend den Kopf. Er dürfe meinen Pass nicht prolongieren.
     »Warum nicht?« kontere ich.
     Ich käme aus S-Dorf, und das liege in V-Land. Für V-Land sei jedoch das G-Neralkonsulat in A-Stadt zuständig.
     Immer dieser bürokratische Irrsinn in E.
     »Aber ich habe doch meinen ersten Reisepass auch hier in B-Stadt bekommen.« Ich habe ihn nämlich gleich nach meiner Einwanderung in B-Staat bei der Botschaft von D-Staat in B-Stadt b-antragt und nach einer Zahlung von 105 B-Geld tags darauf in Empfang g-nommen.
     »Das war ein Versehen!«
     »Aber ich arbeite doch in B-Stadt,« protestiere ich.
     Das ändere nichts, denn ich wohne ja in V-Land, und B-Stadt liege in W-Land.
     »Aber ich komme doch nie nach A-Stadt. Muss ich denn extra Urlaub nehmen, um einen Reisepass in A-Stadt zu beantragen, obwohl ich mich jeden Tag in der Nähe der Botschaft in B-Stadt befinde.«
     Das sei nicht das Problem der Botschaft. Er schiebt mir meine Z-Tel wieder zurück. Ich nehme die Antragsformulare unverrichteter Dinge wieder mit nach Hause.
     Meinen Urlaub verbringe ich in B-Stadt in D-Staat. Weil D-ein E-Mitgliedsland ist, brauche ich den Pass gar nicht.
     Ein Jahr später will ich die Angelegenheit in Ordnung bringen, bevor ich wieder in den Urlaub nach B-Stadt fahre. S könne ja sein, dass wir einen Abstecher nach P-Land machen wollen, und das g-hört nicht zu E.
     Eine Woche vor der Reise muss ich b-ruflich etwas in A-Stadt r-ledigen und will beim dortigen G-Neralkonsulat die Verlängerung meines Passes b-antragen. Alles kein Problem, bis ich mich r-kundige, wann ich meinen Pass b-komme.
     »Das dauert sechs Wochen.«
     »Was? Wieso denn so lange?«
     »Der Reisepass wird in B-Stadt in D-Staat gedruckt.«
     »Das trifft sich ja gut. Ich fahre nächste Woche nach B-Stadt in D-Staat. Dann kann ich ihn mir ja gleich dort abholen.«
     Das g-he nicht. Aber der Pass könne an das Honoralkonsulat in H-Stadt g-schickt werden. Dort liege r dann für mich b-reit.
     H-Stadt liegt gleich neben S-Dorf.
     Ich nicke. »O.K.«
     Ich fahre also wieder ohne Pass nach B-Stadt.
     Das einzige Mal, dass ich ihn b-nötige, ist bei der R-Öffnung eines G-Kontos bei der P-Bank.
     Ich nehme die Kontoeröffnungsunterlagen unverrichteter Dinge mit nach Hause.

© 2003 by Edgar Güttge. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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