Die Werbung ist ein wertvoller Indikator für gesellschaftliche Wandlungsprozesse. Dies gilt auch für den PC und seine Domestizierung. Der Schock über die zu erwartende Kulturrevolution, die dieses neue Medium hervorrufen könnte, so Stephan Porombka in seinem Eröffnungsvortrag, scheint spätestens in dem Moment überwunden gewesen, als die Werbeindustrie die Frau von der bloßen Tippse zur kuschelnden PC-Userin beförderte. Sie bestellt sich nun - auf dem Schreibtisch räkelnd - nur mal eben so ein Paar Schuhe im Online-Shop, lässt auf ihrem Notebook-Bildschirm verträumt ihren Blick über das Angebot eines Versandhauses schweifen, oder betreibt Online-Banking.
Damit ist der PC - und alles was mit ihm zusammenhängt - in der Mitte der Gesellschaft angelangt und das traditionelle Bild des einsamen Cowboys oder wackeren Helden, der bei Pizza und Dosenbier über die Datenhighway düst und dabei »schneller schreibt, als sein Schatten«, wurde korrigiert.
Gleichzeitig machte sich auch eine Ernüchterung breit unter denjenigen, die eben diese Kulturrevolution sehnsüchtig erwarteten und durch den Computer - und in seiner Folge durch das Internet - eine grundlegende Erneuerung der künstlerischen und politischen Ausdrucksformen erhofft hatten. Derzeit sind wir in der paradoxen Situation, so Porombka, dass das, was man für »die Internet-Literatur« hält, in Online-Buchläden verkauft wird und man deshalb mit Netzliteratur nur dann Geld verdienen und Aufmerksamkeit bekommen kann, wenn man - wie amazon.com - gedruckte Bücher verkauft.
Jenseits der alten Grabenkämpfe, die in früheren Zeiten auch Veranstaltungen wie die Softmoderne begleiteten, zwischen der »Gutenberggalaxis« und der »Postmodernen«, habe nun die Literatur die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten.
Eigentlich formulierte Porombka damit ein Fazit, das aus der letzten Berliner Softmoderne im Jahre 1997 gezogen werden konnte und das an den damaligen Stand der Dinge anknüpft. Ein literarisch ausgerichteter Internet-Wettbewerb (Pegasus) in Zusammenarbeit mit so renommierten Partnern wie IBM und der ZEIT hatte nur dürftige Ergebnisse gebracht; der aus den USA eingeflogene MIT-Veteran Joseph Weizenbaum bezeichnete das Internet als Misthaufen, der trotz seiner wenigen versteckten Perlen absolut überflüssig sei, und über dem Podewil schwebte drei Tage lang eine Wolke der Ratlosigkeit. Man gefiel sich als Avantgarde und versuchte tunlichst zu vertuschen, dass die gebohrten Bretter nur hauchdünn waren. Deswegen war es vielleicht nicht schlecht, dass 1998 die Softmoderne in Prag stattfand, und nun nach einem Jahr Pause wieder in das gewohnte Blickfeld zurückgekehrt ist.
Klein aber fein und wenig aufgeregt präsentiert sie nun, dass nicht die krampfhafte Suche nach dem ewig Neuen das wirklich spannende ist, sondern gerade jene Projekte, die selbstbewusst die Gratwanderung zwischen den vermeintlich so gegensätzlichen Polen wagen. Alle drei am ersten Abend vorgestellten Projekte versuchten den Kompromiss.
Eku Wands »Berlin Connection« ist ein interaktives Spiel, das auch das Internet mit einbindet, in seiner Konzeption aber auf die traditionelle Form eines »Drehbuches« zurückgreift. Auf die Frage aus dem Publikum, ob man für diese neue Kunstform nicht auch eine völlig andere Textgrundlage brauche, verteidigte Wand gerade diesen vermeintlichen Rückgriff auf konventionelle Vorbilder. Man müsse nicht immer das Rad neu erfinden, und die Filmsprache biete hierfür die besten Voraussetzungen, denn jede Geschichte habe einen Anfang und ein Ende. Der Zwischenraum der aufgefüllt werden muss liefert immer noch genug Möglichkeiten, den Spieler mithilfe der interaktiven Möglichkeiten spielen und experimentieren zu lassen.
Auch Christine Böhlers »Lichtzeile« verlässt die traditionelle Ausdrucksform nur teilweise. Das zehn Meter lange Schriftband ist öffentlich sichtbar. Das von den Internetusern und Besuchern des Wiener Jugendzentrums »Flex« gestaltete Kunstwerk verlässt also die gewohnte individuelle Betrachtung des einzelnen an seinem Bildschirm. Öffentlich heißt in diesem Fall »öffentliche Diskussion« auch von Nichtteilnehmern am Internet, aber auch »öffentliches Ärgernis«, da es in kaum einem anderen Land eine so große Angst vor den eigenen Schriftstellern gäbe.
Stefan Schemats »Osmotic Minds« hat sich technisch als »3D-Collage« sicher am weitesten auf Neuland vorgewagt, aber auf den zweiten Blick kann man auch hier die Anknüpfung an klassische Klanginstallationen finden. Als Vorlage für die Berliner Klangcollage eignet sich Döblins »Alexanderplatz« in besonderer Weise. Klang-, Gesprächsfetzen und Gedankenbruchstücke lassen bereits im Jahr 1929 den Helden Franz Biberkopf durch die Rosenthaler Vorstadt irren. 1999 wird dies auf neue Weise erlebbar. Man darf gespannt sein.