Der literarische Treffpunkt im Internet für Autoren, Leser, Verlage und alle Literatur-Begeisterten. Aktuelle Berichte, Gedichte, Kurzgeschichten, Buchtipps, Hörbücher und Podcast.
![]() | Berlin, Podewil, 26. Februar 1999: Games, Kunst, Literatur und Berlin Mit der Terminologie nahm es die Softmoderne noch nie sehr genau. Da vermengen die Veranstalter schon mal Literatur im Netz und Netzliteratur und oftmals meint man schlichtweg Hypertext, wenn von den neuen Möglichkeiten der Literatur im Internet und anderswo die Rede ist.
Das dritte Projekt, welches an diesem Abend von Stefan Schemat präsentiert wird, realisiert das Prinzip der Klanginstallation mit neuesten technischen Mitteln. Um in diese Klangwelt einzutauchen, benötigt man eine spezielle Weste, in die ein GPS-Empfängers integriert ist, sodass ein angeschlossener Computer errechnet, welche Klänge aus welcher Richtung per Kopfhörer simuliert werden. So kann jeder beliebige Ort mit Klängen versehen werden, die eine zweite akustische Realität erzeugen. Da das menschliche Gehör die Richtung, aus der ein Klangsignal kommt, bis auf drei Grad genau bestimmen kann, lässt man sich so durch die Geräusche leiten. Dieses System, mit dem in Hamburg beispielsweise auch ein Reiseführer für den Hafen realisiert wurde, ist in Berlin für eine Klangcollage verwendet worden, die auf Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz« beruht. Dabei durchwandert man die realen Schauplätze des Romans und hört über Kopfhörer die vom System für diesen Ort bestimmten Geräusche bzw. wird von diesen geleitet so man will. Was Schemat theoretisch erläuterte, soll am Samstag um 15 Uhr erstmalig vor Ort uraufgeführt werden. Ausgangspunkt wird der U-Bahnhof Rosenthaler Platz sein (Bericht). Nach der Pause endete dann der künstlerisch-literarische Teil des Abends, und man widmete sich in einer Podiumsdiskussion dem Thema »Berlin im Netz«. Sascha Korb, als Vertreter der Konzerne DaimlerCrysler (debis) und Metro, die nun das Angebot www.berlin.de betreiben, übte sich dabei in Selbstanklage, indem er die technischen und inhaltlichen Pannen des letzen Jahres offen zugab und Besserung gelobte; die Taktik also, mit der auch Shell nach dem Brent Spar Debakel an die Öffentlichkeit trat, um wieder Sympathien zu sammeln. Ich möchte, so Korp, in diesem Jahr nicht mehr so viel lügen wie im letzen Jahr.
Die Vertreter des alternativen Projektes www.open-berlin.de versuchen eine Alternative zu www.berlin.de zu bieten, wobei wärend der Diskussion leider nicht ganz klar wurde, worin diese nun eigentlich besteht. So versank die Diskussion weitestgehend in den üblichen Schlagworten und Luftblasen (E-Commerce, Communitys etc.), wäre da nicht noch Albrecht Göschel vom Deutschen Institut für Urbanistik auf dem Podium gesessen, der zu Beginn seines Statements betonte, dass er von den technischen Dingen keine Ahnung habe, dass es jedoch auch durch die Präsentationen im Internet nicht schaffen werden, aus Berlin eine echte Metropole zu machen. Berlin sei eine große Stadt, mehr aber auch nicht. Wolfgang Tischer |